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Antrittskonzert Teodor Currentzis

SWR Symphonie Orchester

Gustav Mahler
Symphonie Nr. 3 d-Moll
für Altsolo, Frauenchor, Knabenchor und Orchester

Aufführung im Konzerthaus Freiburg am 23. September 2018



Konzerthaus Freiburg
(Homepage)

Inspiriert und klangschön

Von Christoph Wurzel / Foto: © SWR

Nicht wenigen in diesem Saal wird die Musik vertraut gewesen sein, die hier erklang und mit welcher der neue Chefdirigent beim SWR Symphonie Orchester sein Amt antrat. Nach dem ersten Konzert in Stuttgart war Teodor Currentzis mit seinem Orchester nun mit Mahlers Dritter ins Konzerthaus nach Freiburg gekommen. Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg hatte an diesem Ort unter seinem langjährigen Chefdirigenten Michael Gielen seit den achtziger  Jahren bis hinein in unser Jahrhundert das gesamte symphonische Werk von Gustav Mahler in legendären Konzerten teilweise mehrmals aufgeführt. Die Gesamtaufnahme unter Gielens intellektuell tiefgründigem und musikalisch höchst differenziertem Dirigat kann Referenzcharakter beanspruchen.

Als dann vor zwei Jahren die Fusion der beiden Orchester des Südwestrundfunks in Freiburg / Baden-Baden und Stuttgart anstand, hatte es im Vorfeld heftige Proteste auch weit über dessen Sendebereich hinaus gegeben. Mehr als 3000 Unterschriften wurden gesammelt und weit über 100 Musikschaffende aus ganz Deutschland, darunter zahlreiche namhafte Dirigenten, hatten in einem Offenen Brief den Erhalt des Sinfonieorchester Freiburg / Baden-Baden und des Stuttgarter Radio-Sinfonieorchesters gefordert; zweier gleichermaßen renommierter Klangkörper mit je eigenem und besonderem Profil und Klangcharakter, die in ihren knapp 70 Jahren Orchestergeschichte von bedeutenden Dirigenten geprägt worden waren: von Hans Rosbaud und Michael Gielen das eine, von Sergiu Celebidache, Georges Prêtre oder Roger Norrington das andere.

Nun, das ist Schnee von gestern. Seine erste Zeit als aus beiden vorherigen nun verschmolzener neuer Klangorganismus hatte das neu betitelte SWR Symphonie Orchester mit Gastdirigenten bestritten, bis aus dem fernen Perm zu Beginn dieser Spielzeit Teodor Currentzis als erster Chefdirigent eingeflogen kam. Unbelastet von vergangenen Querelen widmete er sich zu seinem Einstand nun nach hörbar intensiver Probenarbeit und mit einem unwiderstehlichem Charisma Mahlers Dritter Symphonie, einem Werk, das er zu seinen persönlichen Schlüsselwerken zählt.

Und das Ergebnis war fulminant. Der Dirigent erntete tosende Ovationen, alle Mitwirkenden wurden für ihre außergewöhnlich intensive Interpretation enthusiastisch gefeiert, für eine Aufführung, die beseelt war von hoher Inspiration und erfüllt von purer Klangschönheit.

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Dirigent ganz eigener Art: Teodor Currentzis, der neue Chefdirigent des SWR Symphonie Orchesters

In dem auf Marketinglabel fixierten Konzertbetrieb firmiert Teodor Currentzis als extravaganter, vielleicht sogar exzentrischer Dirigent, der alles stets ganz anders mache als gewohnt. Tatsächlich unterscheidet er sich in Outfit und Habitus gänzlich von den meisten Pultstars selbst der jüngeren Generation. Mit vollem Körpereinsatz zu arbeiten, das Orchester mit expressiven Gesten, statt allein mit dem Taktstock zu lenken, war seinerzeit Leonard Bernstein noch zum Vorwurf gemacht worden. Teodor Currentzis nutzt solche Suggestivkraft, um Klänge zu formen, die mehr sind als das Ergebnis noch so kapellmeisterlicher Zeichengebung. Die Instrumentalisten verstehen daraus stets auf Neue kleine Klangwunder zu gestalten. "Wie ein Naturlaut" hat Mahler an vielen Stellen in seine Partitur geschrieben und so führten die Holzbläser tatsächlich immer wieder Klänge wie Vogelstimmen in den Orchesterklang ein. Sang die Altstimme von der tiefen Mitternacht, klagte die Oboe wie ein einsames Käuzchen. Besonders im ersten Satz lieferten Flöten, Oboen, Englischhorn, Klarinetten ein Gezwitscher, wie es Olivier Messiaen gefallen hätte.

Selten spielte ein Orchester ein solch diszipliniertes Piano, ein derartig seidiges Pianissimo und noch immer weiter bis zum geheimnisvollen Verlöschen des Klangs. Currentzis modellierte mit seinen Händen die melodischen Bögen aus, beugte sich wie beschwörend zu den Instrumentalisten hinüber, widmete sich oft gar nicht  den Hauptstimmen, sondern provozierte etwa bei den Contrabässen den satten Tiefgrund, der erst den Gesamtklang füllig und rund machte. Enorme Farbigkeit und herrliche Transparenz zeichneten  die ganze Aufführung aus, unterstützt von der wunderbar warmen und weichen Akustik des herrlichen Saals, bis zum feierlichen Fortissimo der Schlussapotheose dieses grandiosen Werks.

Mahlers Symphonik ist aber weit mehr als interessanter Klang und meisterlich komponierte Struktur. Sie ist subjektives Vermächtnis, Aussage lebenslanger persönlicher Auseinandersetzungen, gedanklichen Ringens um Daseins- und  Welterklärung - Programmmusik der höheren Art, nicht allein Illustration reiner Faktizität. Das entsprechende Beispiel in diesem Werk ist vor allem der vierte Satz "Sehr langsam. Misterioso", in dem die menschliche Stimme in Gestalt der Altistin mit einem Text aus Friedrich Nietzsches Zarathustra zu Wort kommt. An diesem Abend war es Gerhild Romberger, die diese meditative Betrachtung über Leid und Lust genau so sang, wie es Mahler in der Partitur vorgeschrieben hat: "mit geheimnisvollem Ausdruck... durchaus ppp" - wunderbar sonor und in makellosem Legato gelang ihr das überwältigend. Und Currentzis breitete ihr dafür einen samtigen Klangteppich aus, völlig fern jedes geringsten Anflugs falscher Sentimentalität, dafür aber erfüllt von tiefer Empathie für Text und Musik. Zum Höhepunkt derart freimütig ausgespielter und echt empfundener Romantik wurde die Posthorn-Episode des dritten Satzes, das inmitten des munteren Scherzos als Trio eingebettete Posthorn-Solo. Wie ein nostalgischer Gruß aus der Ferne klang es aus einem der Flure hinein in den Konzertsaal, in schönster gesanglicher Phrasierung von Jörge Becker konzentriert geblasen.

Auch die beiden Chöre wirkten bestens einstudiert, der Knabenchor collegium iuvenum aus Stuttgart und die Damen des MDR-Rundfunkchores, die in präziser Diktion und homogener Tongebung "lustig und keck" dem Wunderhornlied des fünften Satzes musikalischen Ausdruck gaben, bevor dann unter schweren Streicherbewegungen Teodor Currentzis das wuchtige Adagio herausbildete und in einer grandiosen Steigerung kraftvoll dem triumphalen Finale entgegentrieb. Aber neben aller massiv geballten Klangmacht ließ Currentzis doch auch die in der Partitur eingeschriebenen harmonischen Reibungen deutlich heraushören und mischte damit unter den Erlösungsjubel dieser Feier der "allumfassenden Liebe", wie Mahler den Satz verstanden wissen wollte, auch einige Zweifel ein.

FAZIT

Wenn es Currentzis gelingt, mit seinem Orchester dieses Niveau zu halten, dann stehen dem SWR Symphonie Orchester großartige Zeiten bevor, in denen es an die vergangene Größe der beiden Vorgänger mühelos anknüpfen kann.



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Ausführende

Gerhild Romberger, Alt

Damen des MDR-Rundfunkchors
(Einstudierung: Johannes Reich)

Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart
(Einstudierung: Michael Čulo)

SWR Symphonie Orchester

Teodor Currentzis, Dirigent

 


Programm

Gustav Mahler
Symphonie Nr. 3 d-Moll
für Altsolo, Frauenchor, Knabenchor und
Orchester
 


Weitere Informationen
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Konzerthaus Freiburg
(Homepage)



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