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Neujahrskonzert
Offenbachiade

Musik von Jacques Offenbach

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Aufführung in der Kölner Philharmonie am Sonntag, 06.01.2019, 11.00 Uhr



Kölner Philharmonie
(Homepage)

Deutsche Erstaufführung zum Auftakt des Offenbach-Jahres 2019

Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Kost

Am 20. Juni 1819 wurde Jacques Offenbach am Großen Griechenmarkt in Köln als Sohn eines jüdischen Kantors geboren. Sein 200. Geburtstag in diesem Jahr ist für die Kölner Grund genug, 2019 zum Offenbach-Jahr auszurufen und sich in Köln und der Umgebung unter dem Motto "Yes, We Cancan" mit zahlreichen Konzerten, Aufführungen, Ausstellungen, Diskussionen und Events auf eine Entdeckungsreise durch das umfangreiche Werk des berühmten Kölner Komponisten zu begeben, der bereits im Alter von 14 Jahren nach Paris aufbrach, um seine musikalische Karriere zu perfektionieren und mit der so genannten "Offenbachiade" den Vorläufer zur populären Operette schuf. Natürlich soll, so verspricht die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker in ihrem Grußwort, auch die Achse Köln-Paris im Jubiläumsjahr genutzt werden, um den Austausch und die deutsch-französische Beziehung zu vertiefen. Ministerpräsident Armin Laschet geht noch einen Schritt weiter und kündigt an, dass das Gürzenich-Orchester in diesem Zusammenhang auch in Berlin vorstellig werde. Den Startschuss gibt es im diesjährigen Neujahrskonzert in der Kölner Philharmonie unter Anwesenheit von zahlreicher Politprominenz mit der deutschen Erstaufführung eines Einakters, der als eine der ersten vollgültigen "Offenbachiaden" 1855 noch vor der Eröffnung von Offenbachs eigenem Theater zur Uraufführung gelangte: Oyayaye ou La Reine des îles, eine "musikalische Menschenfresserei".

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Alexandre Bloch mit dem Gürzenich-Orchester Köln

Der Teil bis zur Pause gehört aber zunächst Auszügen aus anderen teils bekannten, teils unbekannten Werken des Wahlfranzosen. Den Anfang macht die Ouvertüre zu der heute immer noch relativ unbekannten Oper Die Rheinnixen, die 1864 für die Hofoper in Wien komponiert wurde. Erst 2002 erfolgte die Uraufführung der ungestrichenen Originalfassung in vier Akten beim Festival de Radio France in Montpellier. 1864 war das Werk lediglich in einer stark gekürzten dreiaktigen Fassung über die Bühne gegangen. Bei den ersten Takten der Ouvertüre wähnt man sich allerdings in einem ganz anderen Stück. Offenbach verwendete das Thema nämlich später erneut für die "Barcarole" im Venedig-Akt von Les Contes d'Hoffmann. Die wiegenden Klänge des Orchesters beschreiben also eigentlich die schwimmenden Nixen im Rhein und nicht die wogenden Gondeln in Venedig. Unterbrochen wird der friedliche Tonfall durch eine martialische Soldateska, in der die Nixen den Rhein über das Ufer treten lassen. Alexandre Bloch findet am Pult des Kölner Gürzenich-Orchesters genau das richtige Maß für den Stimmungswechsel und begeistert durch präzise Führung.

Der anschließende Walzer aus der Opéra bouffe Barkouf gibt bereits einen Vorgeschmack, worauf man sich in Köln in der kommenden Spielzeit freuen darf. In Koproduktion mit der Opéra National du Rhin Strasbourg wird dieses unbekannte Werk ab Oktober 2019 im Kölner Staatenhaus zu erleben sein. Hier gibt Bloch auch noch interessante musikalische Informationen zu einem Lauf im Walzer, bei dem sich die Titelfigur Barkouf zwischen zwei unterschiedlichen Todesarten entscheiden kann. Als bekanntere Stücke folgen die Konzertouvertüre zu La Belle Hélène, die erst später von Fritz Lehner der bisher ouvertürenlosen Opéra bouffon hinzugefügt wurde, und der Galopp aus La Vie Parisienne aus dem 4. Akt. Auch hier arbeitet Bloch mit dem präzise aufspielenden Gürzenich-Orchester den feinen Humor der Partitur sorgfältig heraus.

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Pablo Ferrández

Da Offenbach ein begnadeter Cellospieler war und sehr viel für dieses Instrument komponiert hat, stehen auch noch "Introduction", "Prière" und "Boléro" aus den Grande scène espagnole für Violoncello und Orchester auf dem Programm. Das Werk entstand 1840 in Köln in einer ursprünglich viersätzigen Fassung mit Klavierbegleitung, ist aber nur fragmentarisch erhalten. Den Solopart übernimmt der junge spanische Cellist Pablo Ferrández, der mit seinem gefühlvollen Spiel dem Instrument völlig neue und ungewohnte Klänge entlockt, die einerseits das spanische Lokalkolorit von Bizets Carmen vorwegnehmen, andererseits an Kálmáns sehnsuchtsvolle Melodien aus der Csárdásfürstin erinnern. Da im Kölner Gürzenich-Orchester mit Bonian Tian ein ehemaliger Studienkollege von Ferrández sitzt, präsentieren die beiden anschließend noch als Zugabe ein anspruchsvolles Stück für zwei Celli.

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Hagen Matzeit als Königin Oyayaye und Matthias Klink als Kontrabassist Racle-à-mort

Nach der Pause geht es dann mit Offenbachs Einakter Oyayaye ou La Reine des îles weiter, der 14 Tage vor der Eröffnung von Offenbachs eigenem Theater im Folies-Nouvelles von Florimond Ronger alias Hervé zur Uraufführung kam. Hervé übernahm darin auch die als Travestie-Rolle angelegte Titelpartie, deren lautmalerischer Name eine Mischung aus dem Ausruf des bewundernden Erstaunens "Oh là là" und der Furcht vor bevorstehenden Schmerzen "aïe, aïe, aïe" darstellt. Erzählt wird die Geschichte des Kontrabassisten Racle-à-mort, was im Deutschen so viel bedeutet wie "Kratzmichtot" oder "Schrubbdichwund", der seinen Posten im Orchester verliert, weil er seinen Einsatz verschläft. Auf der Überfahrt nach Amerika erleidet er Schiffbruch und landet auf einer Insel von Menschenfressern, die von der Königin Oyayaye regiert werden. Solange er die Königin bei Laune halten kann, ist er vor dem Kochtopf sicher. Allerdings droht die Königin, sich zu langweilen, so dass Racle-à-mort nach einem Ausweg suchen muss. Für die Inselbewohner entwickelt er eine Art Zauberflöte, ein Mirliton, womit die Bewohner und die Königin so beschäftigt und abgelenkt sind, dass Racle-à-mort mit seinem Kontrabass die Flucht von der Insel gelingt.

Die Zwischentexte werden in Köln in deutscher Sprache vorgetragen, während die Lieder im französischen Original bleiben. Aus dem Kontrabassisten des Pariser Théâtre de l'Ambigu-Comique, den Offenbach wahrscheinlich als Alter Ego betrachtet hat, wird ein Musiker des Gürzenich-Orchesters. Bereits in der Ouvertüre stört Matthias Klink in der Rolle durch unliebsame Nebengeräusche das Orchester derart, dass Bloch in ungehalten des Saals verweist. So taucht er mit seinem Kontrabass nach der Ouvertüre auf der anderen Seite der Bühne wieder auf und sieht nach dem Schiffbruch entsprechend mitgenommen aus. Sein Kontrabass dient vor allem als Aufbewahrungsort für diverse Getränke, die seine Reise erträglich machen sollen. Natürlich gibt es auch einen, wenn auch etwas platten, Bezug zu den Gästen aus der Politik, wenn Klink sich beispielsweise beschwert, sich "abgerekert" zu haben, oder die Königin später auffordert: "Laschet uns beginnen." Hagen Matzeit hat für den erkrankten Tenor Michele Angelini die Titelpartie übernommen und begeistert im roten Kostüm mit blonder Perücke als sehr europäisch wirkende Königin der Menschenfresser. Dabei changiert er gekonnt zwischen sauber geführtem Countertenor und weicher Bruststimme.

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Biggi Wanninger als "Queen" von Arkadien

Die Arien und Kavatinen versprühen den typischen Offenbach-Humor, den man auch aus seinen anderen Werken kennt. Das Stück ist ein witziger Spaß, wobei die Repertoiretauglichkeit allerdings bezweifelt werden darf. Nichtsdestotrotz werden Klink, Matzeit, Bloch und das Gürzenich-Orchester mit großem und verdientem Applaus für ihre Darbietung belohnt. Bei der Mirliton-Polka kurz vor dem Finale blasen die Orchestermusiker ebenfalls mit großem Spaß in die von Klink verteilten Tröten und sorgen für einen nahezu karnevalesken Abschluss. Als Zugabe folgt anschließend die berühmte Ouvertüre zu Orphée aux enfers, die wie bei La Belle Hélène, nicht von Offenbach stammt, sondern erst bei der Wiener Erstaufführung 1860 von Carl Binder hinzukomponiert worden ist. Als Überraschungsgast tritt dann noch Biggi Wanninger auf, die seit 1999 Präsidentin der Kölner Stunksitzung ist, und präsentiert eine auf die aktuellen politischen Verhältnisse umgedichtete Fassung des berühmten Couplets "Als ich noch Prinz war von Arkadien", wobei sie den Prinz selbstverständlich in eine Queen umwandelt.

FAZIT

Mit diesem Neujahrskonzert und der deutschen Erstaufführung von Offenbachs Einakter bietet das Kölner Gürzenich-Orchester einen rundum gelungenen Einstieg in das Offenbach-Jahr.



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Ausführende

Matthias Klink, Tenor

Hagen Matzeit, Countertenor

Pablo Ferrández, Violoncello

Gürzenich-Orchester Köln

Alexandre Bloch, Dirigent

Sabine Hartmannshenn,
Szenische Gestaltung Oyayaye

Lena Kremer, Kostüme

 

Werke

Jacques Offenbach
Ouvertüre aus Die Rheinnixen (1864)

(Grußworte
Oberbürgermeisterin Henriette Reker
Ministerpräsident Armin Laschet)

Walzer aus Barkouf (1860)

Konzertouvertüre zu La Belle Hélène
(Friedrich Lehner) (1864)

Grande scène espagnole op. 22 (1840)
für Violoncello und Orchester
Introduction
Prière
Boléro

Galopp aus La Vie Parisienne (1866)

Oyayaye ou La Reine des îles (1855)
Menschenfresserei in einem Akt
Libretto von Jules Moineaux
Uraufführung der rekonstruierten Fassung
von Jean-Christophe Keck

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Kölner Philharmonie
(Homepage)



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