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Eine barocke Odyssee

Festprogramm zu 40 Jahren William Christie und Les Arts Florissants

Werke von Georg Friedrich Händel, Henry Purcell, Marc-Antoine Charpentier,
Honoré d'Ambruis, Jean-Baptiste Lully und Jean-Philippe Rameau

Aufführung im Festspielhaus Baden-Baden am 13. Dezember 2019

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Festspielhaus Baden-Baden
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Blühender Barock

Von Christoph Wurzel / Foto: © Michael Gregonowits

Wer Barockmusik liebt, hat es heute gut. Das Repertoire wächst ständig, regelmäßig kommen zu altbekannten Komponistennamen Neuentdeckungen hinzu.  Schier unübersehbar ist inzwischen die Zahl der Interpreten auf diesem Gebiet, Sänger*innen, Dirigenten*innen, Chor- und Instrumentalensembles treten mit stetig wachsender Expertise vor das Publikum. Jedes Opernhaus, das etwas auf sich hält, bringt wenigstens ab und zu eine Barockoper heraus. Wer Derartiges vor vierzig Jahren gesucht hätte, wäre kaum fündig geworden. Da fristete Barockmusik, wenn überhaupt, ein absolutes Nischendasein. Künstler wie William Christie leisteten hier Pionierarbeit. Vor vierzig Jahren genau war es, als er, gebürtiger Amerikaner, nach Frankreich kam und dort ein Ensemble gründete, das er nach einer Oper von Marc-Antoine Charpentier "Les Arts Florissants" nannte - also "Die blühenden Künste". William Christie und "Les Arts Florissants" sind heute aus dem Konzertleben nicht mehr wegzudenken. In diesem Jahr feiern sie nun Jubiläum und gaben sich gemeinsam mit einer Reihe bester Sänger*innen mit einem Querschnitt ihres Lieblingsrepertoires im Rahmen einer Tournee in fünf großen Konzerthäusern Europas die Ehre. Darunter war auch das Festspielhaus in Baden-Baden.

Eine "Odyssee"  war dieser Konzertabend eigentlich nicht, keine Irrfahrt ins Irgendwohin, sondern eine kalkulierte innere Dramaturgie führte das Publikum durch die wechselvollen Gefilde der Barockmusik zwischen Jean-Baptiste Lully als dem Ältesten unter den Komponisten und Georg Friedrich Händel, dem Jüngsten unter ihnen. Die erste Konzerthälfte war der englischen Musik gewidmet, die zweite der französischen - eine wunderbare Auswahl und ein breiter Fächer an Stimmungen und Affekten gleichsam in fünf Akten.

"Fill every heart with joy!" war das Motto des ersten Abschnitts. Im Verein mit den Sängern Christophe Dumaux, Marcel Beekman und Marc Maullion pries Christie mit seinem Ensemble samt Chor in gehöriger barocker Prachtentfaltung mit Paukenwirbel und Trompeten in Händels Krönungshymne aus Zadok, the Priest und Purcells Cäcilienode die Freudenbringerin Musik. Weiter ging's mit Arien von Händel, in denen die Freuden und Leiden der Liebe besungen wurden. Sandrine Piau brillierte mit der Arie der Morgana aus Alcina, die sich vor Verliebtheit kaum retten kann und ihr hüpfendes Herz gleichsam auf der Zunge trägt. Orlando dagegen muss in der gleichnamigen Oper zum Beweis seiner Liebe mit Zerberus kämpfen. Der Counter Christophe Dumaux sang nicht nur diese furiose Arie, sondern spielte den höllischen Kampf am Rand der Bühne auch gleich nach. "Frohsinn, Schwermut und Mäßigung" - L'Allegro, il Pensiero ed il Moderato hat Händel in einem Oratorium zusammengefasst. Mit zwei Arien der "Freude" machten in unbeschwerter Heiterkeit Marcel Beekman (unter herrlicher Begleitung der Blockflöten) und Maud Gnidzaz (aus dem Chor) dem Namen ihrer Rolle alle Ehre, bis Lea Desandre als Ariodante anrührend dessen Liebesschmerz verkündete: "Scherza infida". Aber unverzüglich folgte die Versöhnung mit seiner nur vermeintlich Ungetreuen, der Sandrine Piau ihre sanfte Stimme lieh.

Ins Traum- und Zauberreich der Feen und Elfen führte der dritte Teil mit Musik von Henry Purcell aus The Fairy Queen und King Arthur. Jetzt übernahm Paul Agnew die Leitung und William Christie wechselte zur Orgel. Im Orchester entfaltete sich pure Idylle mit Vogelgezwitscher und Echos aus dem Zauberwald. Den Freuden der Liebe wurde gehuldigt mit der Passacaglia aus King Arthur ("How happy the Lover, how easie his Chain"),  bis sich die Nacht verzog und prachtvoll der aufgehenden Sonne gehuldigt wurde ("Now the night is chas'd away and all salut the rising sun").

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William Christie mit Les Arts Florissants im Festspielhaus Baden-Baden

Nach der Pause führten uns die Musiker*innen in die Sanftheit und Klangfarbenpracht des französischen Barock, zuerst mit einem Ausschnitt aus Charpentiers Les Arts Florissant: "Amour du ciel et la terre". Nun wurde die Natur das Thema. Intim und sanft besang der Tenor Marcel Beekman allein von der Laute begleitet in einer Air von Honoré d'Ambruis die "süße Stille der Wälder". Pastorale Stimmung verbreitete sich in den Ausschnitten aus Lullys Oper Atys, wo Paul Agnew neben Marcel Beekman, Marc Maullion und Lisandro Abadie auch als Sänger in Erscheinung trat. Dann rief Lea Desandre die olympischen Götter an (Les Fête d'Hébé) und  noch einmal zog uns im Kontrast dazu eine Arie in die Unterwelt (Theseus aus Rameaus Hippolyte et Aricie), von Marc Maullion gesungen.

Dann kam der Humor zum Zug. Wie abgedreht es in Rameaus Oper Platée zugeht, führte zum Vergnügen des Publikums in Kostüm und Stimme als Frau verkleidet Marcel Beekman in der Travestieariette "Que ce séjour est agréable" vor. Und Sandrine Piau lieferte eine glänzende Karikatur der Torheit, die sich im Orchester wichtigtuerisch gibt, im Gesang aber unter heftigem Gackern und Kichern schlicht ausgelacht wird.

Wie sich in der französischen Barockoper alle Künste vereinen, wie Tanz und Musik in phantasierten Welten zu einem einzigen Bühnenzauber verschmelzen, wurde im Schlussteil des Konzerts mit langen Ausschnitten aus Rameaus Les Indes galantes zu einem glänzenden Bühnenspektakel. Blitz und Donner, Erdbeben und Wasserfälle und den Reiz des Exotischen lässt Rameau hier musikalisch entstehen. William Christie sparte mit Les Art Florissant hier nicht an den Effekten. Die ganze bunte Palette der Barockmusik wurde noch einmal vorgeführt. Wahrlich ein Fest!

Fazit

Eine faszinierende Rundtour durch die Zauberwelt der Barockmusik, in unbeschreiblicher Meisterschaft dargeboten

 


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Ausführende

Les Arts Florissants
Barockorchester und Chor

William Christie, Dirigent

Paul Agnew, Dirigent

Sandrine Piau, Sopran

Lea Desandre, Mezzosopran

Christophe Dumeaux, Countertenor

Marcel Beekman, Tenor

Marc Maullion, Bariton

Lisandro Abadie, Bass

 

Programm

Georg Friedrich Händel
Auszüge aus
Atalanta, Zadok the Priest, Alcina,
Orlando, L'Allegro, il Pensiero ed il Moderato,
 und Ariodante

Henry Purcell
Auszüge aus
Cäcilienode, The Fairy Queen und
King Arthur

Marc-Antoine Charpentier
Auszüge aus Les Arts Florissants

Honoré d'Ambruis
Le doux silence de nos bois (Air)

Jean-Baptiste Lully
Auszüge aus Atys

Jean-Philippe Rameau
Auszüge aus Les Fêtes d'Hébé, Platée und
Les Indes galantes

 

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
www.festspielhaus.de/



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