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Evgeni Koroliov

Johann Sebastian Bach: Goldbergvariationen

Aufführung im Festspielhaus Baden-Baden am 14. Dezember 2019

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Festspielhaus Baden-Baden
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Absolute Vertrautheit und felsenfeste Sicherheit

Von Christoph Wurzel

Man weiß ja nicht, ob der 16-jährige Cembalist Johann Theophilus Goldberg, wenn er den unter Schlaflosigkeit leidenden Grafen Hermann Carl von Kayserling nachts mit dieser Musik zu unterhalten hatte, stets den vollzähligen Zyklus vorgespielt hat. Das hätte knappe 90 Minuten beansprucht und für den Zuhörer eine enorme geistige Anstrengung bedeutet, wenn er den komplizierten musikalischen Gedankengängen des Komponisten auch nur annähernd aufmerksam hätte folgen wollen. Aber eigentlich wollte Kayserling sich nur ablenken lassen, denn er hatte bei Bach "einige Clavierstücke sanften und etwas munteren Charakters" bestellt. Dieser lieferte aber gleich ein ganzes Konvolut, eine Aria mit 30 Veränderungen in der Form verschiedenartigster Kanons, einer kleinen Fuge, verschiedener Tänze der Zeit und einer Mini-Ouvertüre im französischen Stil. Erst in der letzten Variation löst sich der strenge Ernst, wenn Bach in seine diffizile Kontrapunktik zwei Gassenhauer einbaut, die das große Werk gleichsam mit einem Augenzwinkern beschließen, bevor die gelöste Heiterkeit der Aria einen Bogen zurück zum Anfang schlägt. (Im Übrigen ist der erwähnte Auftrag streng genommen gar nicht eindeutig nachweisbar und die Geschichte um den Grafen Kayserling vielleicht nur eine Anekdote, von Bachs erstem Biografen überliefert oder nett erfunden.)

Im Konzertsaal geht man nun von der Voraussetzung aus, dass das Publikum ausgeschlafen und hellwach dem Spiel eines Pianisten folgen wird, wie in unserem Falle des in Moskau geborenen Pianisten Evgeni Koroliov. Und man wundert sich eigentlich nicht, wenn der Pianist mit den Noten in der Hand das Podium betritt. Diese hochgradig komplizierte Musik nicht auswendig vorgetragen zu bekommen, nähme man wohl keinem Klavierkünstler übel. Aber nein, Koroliov legt die Notenausgabe geschlossen an die Seite und beginnt  zu spielen - auswendig und felsenfest sicher bis zum Schluss. Die Noten waren also nur das Netz, das der Artist aber gar nicht benötigt, so vertraut ist er mit dem Werk, das zum Schwierigsten der Klavierliteratur überhaupt gehört. Das macht Koroliovs Interpretation der Goldbergvariationen an diesem Abend zu einem wahrhaft großen musikalischen Ereignis.

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Evgeni Koroliov (Foto: © Gela Megrelidze)

Jeden Moment kann man folgen, weil seine Interpretation kristallklar die kontrapunktischen Verästelungen der Musik widerspiegelt und weil Koroliov so subtil die Dynamik differenziert und mit  hochsensiblem Anschlag den Klang entstehen lässt. Wie er die einzelnen Juwelen des Zyklus in ihrer jeweiligen Eigencharakteristik zu einer funkelnden Kette formt, ist schlicht überwältigend. In gemächlichem, vollkommen entspannten Andante lässt er die Melodie der Aria fließen, um dann attacca die ersten Variationen in ihren dynamischen Kontrasten anzuschließen - die polonaisenartige erste Variation in raschem Presto, in schwingendem Siciliano-Rhythmus die dritte, die bodenständig leicht stampfenden Achtel der vierten oder die feinen Legatobögen im Diskant der sechsten Variation. Und so geht es über die ganze Strecke bis zum Schluss. Stets werden meist nur durch feinste Differenzierungen die Charaktere von einander abgehoben.

So wird der ganze Reigen zu einem spannenden Gang durch Bachs musikalische Formen- und Farbenwelt. Sicher, es gibt Aufnahmen der Goldbergvariationen auf einem zweimanualigen Cembalo (wofür sie ja auch geschrieben wurden), die den Klang noch farbiger und variantenreicher werden lassen, aber Koroliovs Spiel auf dem modernen Konzertflügel (der leider in Baden-Baden nicht immer sauber genug abdämpft), rechtfertigt durch seine stupende Anschlagskunst die Wahl des modernen Instruments vollkommen. Was dem Cembalo an Farbenreichtum zu eigen ist, hat das Klavier in der Feinjustierung des Forte-Piano zu bieten. Und Koroliov nutzt diese Möglichkeit eindrucksvoll aus.

FAZIT

Ein wundervoller Abend mit Bachs hochgradig feinnerviger "Unterhaltungsmusik".  Evgeni Koroliov erwies sich im schönsten Sinne als dienender Übermittler dieses großen Werks. Ohne jede Attitüde oder extrovertierte Selbstdarstellung ließ er nur mittels seiner grandiosen Künstlerschaft diese Goldbergvariationen wahrhaftig strahlen.


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Ausführende

Evgeni Koroliov

 

Programm

Johann Sebastian Bach
Aria mit verschiedenen Veränderungen
(Goldbergvariationen)
 

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
www.festspielhaus.de/



Da capo al Fine

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