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Balthasar-Neumann-Chor und -Solisten
Balthasar-Neumann-Ensemble
Leitung: Thomas Hengelbrock

Werke von Ludwig van Beethoven

Aufführung im Festspielhaus Baden-Baden am 2. Februar 2020
Konzert des Freundeskreises Festspielhaus Baden-Baden e. V.

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Festspielhaus Baden-Baden
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Pantheismus in der Musik

Von Christoph Wurzel / Foto: © Festspielhaus

"...denn er hat Himmel und Erde bekleidet in herrlicher Pracht" - eine derart entwaffnend naive Frömmigkeit wie in Haydns Schöpfung war Beethoven nicht zu eigen, dennoch passte dieser Chor gut als Zugabe im Konzert der Balthasar-Neumann-Ensembles im Baden-Badener Festspielhaus. Denn die beiden Werke des Abends verschreiben sich ebenfalls dem Ruhme Gottes und dem Lobpreis der Natur.

Aber Beethovens Religiosität ging wohl über das Verständnis der tradierten, allein an einen persönlichen Gott gerichteten Gläubigkeit hinaus und weist auf ein viel weiteres Gottesverständnis hin. Wie aus vielen Lebenszeugnissen hervorgeht, fand er in der Natur nicht nur sein Refugium aus dem verhassten Stadtleben. Wien mit seinen damals dreiviertelmillion Einwohnern nennt er ein "von Menschen gemachtes Dreck-Dach"; der blaue Himmel sei sein "sublimes Dach". Die Natur ist mehr, sie hat für ihn "existentielle Bedeutung", wie Christine Eichel in ihrer neuen Biografie "Der empfindsame Titan" feststellt, sie ist ihm in gleicher Weise Ort der physischen wie psychischen Erholung und (ganz im Sinne des damals aufgekommenen Pantheismus) ein anderer, ein spiritueller Ort der Erfahrung Gottes. Im zweiten Satz der Pastorale, der lyrischen "Szene am Bach", preist Beethoven nicht den Schöpfer selbst, sondern die Schöpfung als Resultat dessen Wirkens.

Und in seiner C-Dur-Messe, einem von nur drei geistlichen Werken Beethovens, überwindet der Komponist die traditionellen Muster der sakralen Kunst. Über die reine Vertonung des katholischen Ordinariums geht dieses Werk als Ausdruck eines persönlichen Schöpfungswillens weit hinaus. Das musste Beethovens Aufraggeber Fürst Nikolaus von Esterházy verwirren, der an die Messvertonungen seines Hofkomponisten Haydn gewöhnt war und nach der Uraufführung in Eisenstadt mit dem berühmten " "Was haben Sie denn da wieder gemacht, lieber Beethoven!" höflich, aber bestimmt sein Missfallen kundtat. Denn der Komponist ordnet seine Messe weniger den liturgischen Anforderungen unter. An die Tradition hält er sich z.B. in Form kurzer Fugati nur an wenigen Stellen, sonst unterwirft er die Musik allein dem Text und seinen eigenen künstlerisch autonomen Formgedanken. Die Sätze tragen Tempobezeichnungen wie "Andante con moto assai vivace" oder "Allegro con brio", im Werk Beethovens vor allem sinfonische Termini. So ist wohl diese Messe auch eher als Ausdruck einer individuellen Kunstreligion zu hören, denn als geistliches Werk im herkömmlichen Sinn.

Auch über die Tatsache hinaus, dass am Tag der Uraufführung der Pastorale im Jahre 1808 im Theater an der Wien Beethoven auch seine C-Dur-Messe dirigierte (und weitere eigene Werke u. a. auch die Uraufführung der 5. Sinfonie), war also auch wegen der inneren Bezüge die Kombination dieser beiden Werke zusammen mit der erwähnten Zugabe in diesem Baden-Badener Konzert eine sehr gute Wahl. Thomas Hengelbrock hat sich zum wiederholten Male als kluger Programmmacher erwiesen.

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Dem Orchester intensiv zugewandt: Thomas Hengelbrock dirigiert Beethovens Pastorale.

In seiner Begrüßung zu diesem Festkonzert des Festspielhaus-Freundeskreises hatte dessen Vorsitzender Wolfgang Schäuble ein großes musikalisches Ereignis versprochen. Dieses Versprechen haben Thomas Hengelbrock und das Balthasar-Neumann-Ensemble samt -Chor und -Solisten mehr als eingehalten. In mittelgroßer Besetzung von ca 50 Musiker*innen  wurden die beiden Werke zu außerordentlichen Klangerlebnissen.

Trotz zügigen Tempos strahlte die Pastorale beginnend vom ersten Satz an eine in sich ruhende heitere Gelassenheit aus; fand im zweiten Satz den kontemplativen Ruhepol mit dem lieblichen, leicht ironischen Vogelkonzert von Nachtigall, Wachtel und Kuckuck in der Coda; ließ das "lustige Zusammensein der Landleute" nicht als derbes Dorfvergnügen erscheinen, sondern als ausgelassene herzliche Fröhlichkeit unter den höchst delikat musizierenden Holzbläsern Oboe, Klarinette und Fagott im Trio; entfachte mit der hart geschlagenen Pauke und hell aufblitzenden Geigensforzati einen kurzen, aber gewaltigen Gewittersturm, um die Sinfonie abschließend in ergreifenden Feierlichkeit zu ihrem Höhepunkt im Hirtengesang zu führen. Das alles wurde mit einem Höchstmaß an Feingefühl und Klangsinn musiziert. Ohne an einem Pult kleben zu müssen, wandte sich Hengelbrock intensiv seinem Orchester zu, formte subtil die Nuancen aus, so dass ein wunderschön organisch entwickelter Klangfluss entstand. Die Holzbläser waren in der Mitte vorn postiert, was die Klangfarben ihrer historischen Instrumente noch prachtvoller strahlen ließ. Eine Pastorale von außergewöhnlicher Schönheit.

An Klangkultur, Transparenz und subtiler Artikulation war die Aufführung der C-Dur-Messe der Pastorale ebenbürtig. Hier kam zusätzlich eine starke Expressivität hinzu, die dieser Messe von Beethoven selbstbewusst eingeschrieben worden war. Hengelbrock überraschte zu Beginn mit dem Hinweis, dass zu Beethovens Zeiten der Chor vor und nicht wie heute üblich hinter dem Orchester positioniert war, also stand der Chor direkt frontal zum Publikum, was einerseits der Verständlichkeit des Textes zugute kam, andererseits dem Orchesterklang durch eine  bestens ausbalancierte Dynamik nicht abträglich war. Überhaupt gestaltete Hengelbrock die Lautstärke mit großer Sensibilität. Laut kann jedes Orchester, aber so schöne Piani beherrschen nicht alle.

Dass beim Balthasar-Neumann-Chor die Solist*innen stets aus der Mitte des Chores hervorgehen, spricht für die Qualität dieses Klangkörpers. So war es auch jetzt. Neun Solostimmen teilten sich abwechselnd die vier Stimmlagen der Solopartien auf. Kurze Orgel-Interludien erleichterten jeweils den Wechsel. Die solistischen verwoben sich organisch mit den Tutti-Passagen, was dem musikalischen Text sehr gemäß war. So leise wie sie begann, im a-capella Piano der Bässe des Kyrie, endete die Messe nach dem Wort "pacem" mit drei zarten C-Dur-Akkorden des Orchesters. So berührend, dass das Publikum nach dem Verklingen in einem langen Moment der Stille verharrte.

Fazit

Ein schöner Beitrag, Beethoven in seinem Jubiläumsjahr neu zu entdecken


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Ausführende

Balthasar-Neumann-Chor

Balthasar-Neumann-Ensemble

Thomas Hengelbrock, Leitung

Solisten

Heike Heilmann, Sopran

Agnes Kovacs, Sopran

Anne Bierwirth, Alt

Natalia Kawalek, Alt

Mirko Ludwig, Tenor

Jan Pertyka, Tenor

Jakob Pilgram, Tenor

Richard Mayr, Bass

André Mo

 

Programm

Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68
Pastorale

Messe C-Dur op. 86

Zugabe:

Joseph Haydn
Nr. 10 (Chor) aus Die Schöpfung
"Stimmt an die Saiten, ergreift die Leier"


 

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
www.festspielhaus.de/



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