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Es lebe
das kleine Format! Von Christoph Wurzel Die Opern- und Konzerthäuser mussten sich angesichts der Einschränkungen infolge der Pandemie sämtlich neu erfinden. Nach anfänglicher Schockstarre haben viele von ihnen kreative Lösungen gefunden. Da spielt ein Opernhaus auf einem Parkdeck, Mitglieder eines Sinfonieorchesters dagegen nur für eine Person. Das Festspielhaus Baden-Baden hat sich auf die schönen kleinen Spielstätten besonnen, die in der Kurstadt zur Verfügung stehen und sonst u. a. anlässlich der Osterfestspiele für Solo- und Kammermusik genutzt werden, was ja in diesem Jahr ausfallen musste. En suite bietet man dort nach allen Regeln des Gesundheitsschutzes im Juli/August nun Musik in kleiner Besetzung an - klein, aber fein. Im ehemaligen Speisesaal des Maison Messmer, dem Grand-Hotel der Belle Epoque in Baden-Baden schlechthin, der später ganz profan als Malersaal des Stadttheaters diente, heute aber wieder (angegliedert an den Neubau eines 5-Sterne-Hotels) in alter Pracht wiedererstanden ist, beendete der Bratschist Antoine Tamestit die monatelange Konzertabstinenz im sonst so regen Musikleben der Kurstadt. War dies an sich schon ein Ereignis, so machte der Klang seines Instruments dieses Konzert vollends zu etwas ganz Besonderem. Tamestit spielt die erste von Antonio Stradivari 1672 gebaute Viola, die sog. "Gustav Mahler", weil sie anlässlich dessen 100. Geburtstag zur Stradivari-Stiftung Habisreutinger kam. Antoine Tamestit (Foto © Julien Mignot for harmonia mundi) Dieses wunderbare, in seiner honiggelben Färbung allein schon beeindruckende Instrument ermöglichte in diesem kleinen, akustisch günstigen Saal dem Solisten eine Klangentfaltung, wie sie im zweieinhalbtausend Plätze fassenden großen Festspielhauses kaum möglich gewesen wäre. Volltönend, gleichsam majestätisch raumgreifend verströmte sich ihr warmer Klang. In seinem Programm hatte Tamestit Bearbeitungen von zwei Cellosuiten Bachs zwei Violin-Phantasien Telemanns gegenüber gestellt, unterschiedliche Formen also, aber auch unterschiedliche Klangvolumina. In den beiden Bach-Suiten realisierte sich, vor allem auch durch die stellenweise Mehrstimmigkeit der Doppelgriffe, der ganze sonore Glanz des Instruments. Tamestit ließ durch reiches Klangfarbenspiel seine Viola mächtig wirken. Den melodischen Inventionen der Telemann-Phantasien spürte der Künstler sensibel nach, so intensiv als nähme er das Publikum mit auf eine Entdeckungsreise. Als Zugaben präsentierte er die beiden Komponisten von ihrer volkstümlichen Seite. Im Presto der Fantasia Nr. 12 führte er die "Fidel" sozusagen mit kräftigem Bordun auf den Tanzboden und in der Courante aus Bachs 3. Cellosonate ließ er im wilden Jagen dem Temperament freien Lauf. Ebenso kompetent wie humorvoll gab der Musikerklärer des Festspielhauses, Dariusz Szymanski, dessen Einführungen vor jedem Konzert sich in Baden-Baden großer Beleibtheit erfreuen, diesmal dem gesamten Publikum eine kleine "Hörschule" der Barockmusik. Auch vor dem Konzert des Schumann Quartetts erläuterte er die beiden auf dem Programm stehenden Werke Beethovens, das erste von ihm komponierte Streichquartett in D-Dur, in der Sammlung der opera 16 die Nummer 3 und sein vielleicht bedeutendstes Werk dieser Gattung, das späte Quartett cis-Moll op. 131. Schumann Quartett beim Konzert im Burda Museum (Foto: © Festspielhaus) Mit diesen Werken erwies sich im Burda Museum inmitten der Bilder der klassischen Moderne das Schumann Quartett erneut als eines der besten unter den jungen Streichquartetten der Gegenwart. Die drei Brüder Schumann und Liisa Randalu an der Bratsche bewiesen nicht allein in ihrem perfekt transparenten Zusammenspiel ihre Klasse, sondern auch in der Ausleuchtung der enormen Expressivität der Werke. Im frühen Quartett Beethovens gelang ihnen, die Frische, das stürmisch Vorwärtsdrängende des jungen Beethoven packend zu realisieren. In den sieben Sätzen des Spätwerks wurden die emotionalen Tiefen der Komposition eindrucksvoll hörbar. Von der einleitenden Adagio-Fuge mit ihren durch unvermittelt hereinbrechende sforzati heftigen dynamischen Wechseln über das nervös bewegte Allegro des zweiten Satzes führte das Schumann Quartett zu der ungeheuren Variationskunst, die Beethoven im Andante des vierten Satzes entfaltet, einer breiten Palette unterschiedlichster Stimmungen und motivischer Wechselspiele, welche die Instrumentalisten in all ihrem Reichtum zum Klingen brachten. In feurigen crescendi und den effektvoll eingesetzen Klangfarben im Presto mit seinem zeitweise 4-Schläge- Rhythmus und den am Steg gestrichenen Saiten reizten sie ihre spielerische Virtuosität voll aus. Im siebten Satz, einem wildbewegten Allegro, zollten die vier Künstler Beethovens außergewöhnlichstem Streichquartett nochmals abschließend kongenial ihre Reverenz. Ruhevoll und nachdenklich bewegend klang danach die Zugabe eines Quartettsatzes von Franz Schubert, der fragmentarisch mitten im Takt einfach abbricht. Begeisterter Beifall und große Freude hinterließ dieses Konzert spürbar bei allen Anwesenden. Ein großer Erfolg auch für das Festspielhaus mit seiner Konzeption des kleinen Formats, wo sonst in Baden-Baden meist das ganz große dominiert. Die Serie wird fortgesetzt.Begeisterter Beifall und große Freude hinterließ dieses Konzert spürbar bei allen Anwesenden. Ein großer Erfolg auch für das Festspielhaus mit seiner Konzeption des kleinen Formats, wo sonst in Baden-Baden meist das ganz große dominiert. Die Serie wird fortgesetzt.
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18. Juli 2020
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