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Die Frau ohne Schatten


Oper in drei Aufzügen (op. 65)
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h (zwei Pausen)

Konzertante Aufführung am Donnerstag, 20. Februar 2020, 19.00 Uhr
Großer Saal im Konzerthaus Dortmund

 


(Homepage)

Hochdramatische Alternative zum Karneval

Von Thomas Molke / Fotos: © Petra Coddington

Während vielerorts die weiblichen Karnevalsjecken das Unterhaltungsprogramm in den Städten bestimmen, bietet das Konzerthaus Dortmund an Weiberfastnacht im Rahmen des Abonnements Konzertante Oper ein absolutes Kontrastprogramm, das Opernfans aus der ganzen Region nach Dortmund pilgern lässt. Auf dem Programm steht Richard Strauss' wohl komplexestes Werk, das am 10. Oktober 1919 an der Wiener Staatsoper seine Uraufführung erlebte: Die Frau ohne Schatten. Die während des Ersten Weltkriegs entstandene einzige "Märchenoper" von Strauss markiert in ihrer Thematik eine Abkehr von seinem bisherigen Schaffen. Die relativ lange Dauer bis zur Vertonung zeugt auch von den zahlreichen Auseinandersetzungen, die Strauss mit seinem Textdichter Hugo von Hofmannsthal bezüglich der Umsetzung hatte. Bereits 1911 legte Hofmannsthal seine Stoffidee vor, aber es sollte noch acht Jahre dauern, bis das "Schmerzenskind", wie Strauss das Stück selbst bezeichnet haben soll, "geboren wurde". Heute ist die Oper auf den Bühnen zwar nicht so präsent wie Der Rosenkavalier oder Salome und Elektra, führt aber auch kein wirkliches Schattendasein. Allerdings dürfte die erforderliche Besetzung aus Kostengründen viele Opernhäuser vor nahezu unlösbare Probleme stellen. Für die konzertante Aufführung in Dortmund hat man eine hochkarätige Besetzung zusammengestellt, die Operngenuss auf höchstem Niveau garantiert.

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Der Kaiser (Stephen Gould) und die Kaiserin (Elza van der Heever)

Das Stück spielt in einem Fantasieland zu einer unbestimmten Zeit. Die Tochter des Geisterkönigs Keikobad lebt mit dem Kaiser zusammen, der sie mit seinem Falken auf der Jagd "gewonnen" hat. Getarnt als wunderschöne weiße Gazelle traf sie sein Pfeil und gab ihre Gestalt preis. Zwar hat sie durch die Ehe mit dem Kaiser ihre Zauberfähigkeit verloren, ist allerdings noch nicht vollständig zu einem Menschen geworden, da sie noch keinen Schatten wirft, was bedeutet, dass sie noch keine Kinder bekommen hat. Ein Geisterbote verkündet ihrer Begleiterin, der Amme, dass sie noch drei Tage Zeit habe, einen Schatten zu erlangen. Sonst müsse ihr Mann, der Kaiser, versteinern. Die Amme macht sich mit der Kaiserin auf den Weg zu den Menschen, um einen Schatten zu finden. Dabei treffen sie auf den Färber Barak und seine Frau, die mit ihrem Dasein in der engen Hütte Baraks sehr unzufrieden ist. Die Amme überredet sie, ihren Schatten zu verkaufen, und verspricht ihr dafür Reichtum und einen verlockenden Jüngling. Allerdings gelingt es ihr nicht, die Färberin zum Ehebruch zu verführen. Als Barak erfährt, dass seine Frau ihren Schatten verkauft hat, kommt es zum Eklat und Barak will seine Frau töten. Da bittet die Kaiserin um Gnade für die Färberin und lehnt es ab, den Schatten an sich zu nehmen. Die Erde bricht auf, und eine Wasserflut verschlingt das Färberpaar, während sich die Amme mit der Kaiserin in einem Kahn retten kann. Zurückgekehrt in die Geisterwelt steht die Kaiserin erneut vor der Möglichkeit, den Schatten der Färberin zu erwerben. Als Warnung wird ihr der fast völlig zu Stein gewordene Kaiser vor Augen geführt. Doch die Kaiserin weigert sich erneut und findet durch diese Selbstüberwindung zu wahrer Menschlichkeit, durch die sie einen eigenen Schatten erhält. Die Versteinerung fällt vom Kaiser ab. Auch Barak und seine Frau finden erneut zueinander. Nur die Amme wird von den Geistern verflucht, da sie ihre Mission nicht erfüllt hat.

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Barak (Michael Volle) und seine Frau (Lise Lindstrom)

Yannick Nézet-Séguin arbeitet mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra, dessen Chefdirigent er von 2008 bis 2018 war, in einer wuchtigen Besetzung den bombastischen Klangzauber dieses Werkes in seiner ganzen Vielfalt äußerst expressiv heraus und grenzt dabei die drei Welten, in denen sich die Handlung abspielt, klanglich deutlich voneinander ab. Dabei dominieren bei der Kaiserin reine, fast ätherisch entrückte Akkorde, die zeigen, dass sie aus einer anderen Welt stammt und ohne ihren Schatten bei den Menschen noch nicht wirklich angekommen ist. Die Sphäre der Geister bewegt sich musikalisch in der Unvorhersagbarkeit der Melodie an der Grenze zur Atonalität, während dem Kaiser sehr romantische Züge gegeben werden, die seine tiefen Gefühle für seine Frau untermalen, wobei lautmalerisch der ihn begleitende Falke durch die Bläser eine gewisse Unruhe verbreitet. Denn der Falke ist verzweifelt, da er erkennt, dass sein Herr versteinern muss, wenn die Kaiserin nicht binnen drei Tagen einen Schatten wirft. Für die Menschenwelt verwendet Strauss den ganz großen Orchesterapparat, um auch zu unterstreichen, dass die Färberin in ihrer engen Hütte mit ihrem Mann und dessen drei Brüdern nicht zur Ruhe kommen kann. Je dramatischer sich die Handlung entwickelt, desto effektvoller arbeitet Nézet-Séguin mit dem Orchester die Steigerungen heraus und kulminiert am Ende des zweiten Aufzugs mit einem wahren Paukenschlag, wenn sich die Erde auftut und das Färberpaar verschlingt. Da verschlägt es dem Publikum nahezu den Atem, bevor es in frenetischen Applaus ausbrechen kann. Im letzten Aufzug entwickelt Nézet-Séguin den inneren Kampf der Kaiserin mit ihrem anschließenden Sieg und dem daraus resultierenden Happy End ebenfalls mit einer enormen Klangwucht.

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Finale: von links: Kaiser (Stephen Gould), Kaiserin (Elza van der Heever), Yannick Nézet-Séguin, Färberin (Lise Lindstrom) und Barak (Michael Volle), dahinter Rotterdam Philharmonic Orchestra, auf der Empore: Rotterdam Symphony Chorus und rechts: WDR Kinderchor Dortmund

Die Solistenbesetzung lässt ebenfalls keine Wünsche offen. Da ist zunächst Michaela Schuster als Amme zu nennen. Mit ihrer Mimik gibt sie der zwielichtigen Figur eine undurchsichtige szenische Note. Gekonnt wandelt sie auch stimmlich zwischen den Welten, gibt sich beinahe ängstlich, wenn sie zu Beginn der Oper auf den Geisterboten trifft, gestaltet ihre Gefühle zu der Kaiserin mit einer sehr warmen Note und versteht es wunderbar, die Färberin mit Versprechungen und Schmeicheleien zu manipulieren. Wenn sich die Erde am Ende des zweiten Aufzugs auftut, hat man in Schusters Interpretation das Gefühl, es sei das Zauberwerk der Amme, die die Naturgewalten zu steuern scheint. Umso erstaunlicher ist dann ihr Abgang, in dem sie fast kleinlaut ihr Scheitern eingestehen muss. Elza van der Heever gestaltet die Partie der Kaiserin mit einem luziden Sopran, der gerade im ersten Aufzug deutlich macht, dass dieses Wesen noch aus einer anderen Welt stammt. Dass sie noch keinen Schatten wirft, kann man in dem reinen Klang ihrer Stimme regelrecht heraushören. Wenn sie mit der Amme bei der Färberin angekommen ist, punktet van der Heever mit einem runden, warmen Ansatz, der für die tiefe Empfindsamkeit der Kaiserin spricht und bereits jetzt andeutet, dass sie den Schatten der Färberin nicht um jeden Preis zu erwerben versucht. Ein weiterer szenischer Höhepunkt ist van der Heevers Interpretation im dritten Aufzug, wenn sie bereit ist, sich dem Gericht Keikobads zu stellen und noch einmal die Chance erhellt, vom Wasser des Lebens zu trinken, um den Schatten der Färberin zu erhalten. Wie eindringlich van der Heever das gesprochene "Ich will nicht" hervorbringt, geht unter die Haut.

Lise Lindstrom verfügt als Färberin über einen großen dramatischen Sopran, der die Gefühlswelt dieser Figur in allen Schattierungen wunderbar auslotet. So wirkt sie ihrem Mann gegenüber zunächst sehr schroff und abweisend und scheint eine leichte Beute für die Amme zu sein. Doch wenn sie ihre wahren Gefühle für Barak erkennt, entwickelt sie sich zu einer starken Kämpferin, die bereitwillig für ihre Fehler einstehen will. Dabei hat Lindstrom auch keinerlei Probleme, es mit dem laut aufspielenden Orchester aufzunehmen. Michael Volle punktet als Färber Barak mit einem kräftigen Bariton, der in seinen Gefühlen für seine Frau einen sehr lyrischen Tonfall anschlägt und ebenfalls mit scheinbarer Leichtigkeit über das Orchester hinwegkommt. Stephen Gould legt den Kaiser mit einem satten Heldentenor an. In den kleineren Partien überzeugen Katrien Baerts als Hüter der Schwelle und Stimme des Falken mit einem leichten Sopran, Thomas Oliemans als Geisterbote mit bedrohlich auftrumpfendem Bariton, Bror Magnus Tødenes als Stimme des Jünglings mit hellem, weichem Tenor und Andreas Conrad, Michael Wilmering und Nathan Berg als Baraks Brüder. Neben dem gut disponierten Rotterdam Symphony Chorus leistet auch der WDR Kinderchor unter der Einstudierung von Željo Davutović Gewaltiges, da es beeindruckend ist, wie die jungen Sängerinnen die durchaus schwierigen Einsätze so punktgenau treffen. Das Publikum bedankt sich mit frenetischem Jubel und stehenden Ovationen.  

FAZIT

Dieser Abend bietet eine angenehme Alternative zur Weiberfastnacht und belegt durch eine hervorragende Besetzung die Qualität von Strauss'  Meisterwerk.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Yannick Nézet-Séguin

Rotterdam Philharmonic Orchestra

Rotterdam Symphony Chorus

WDR Kinderchor Dortmund
Einstudierung: Željo Davutović



Solisten

Der Kaiser
Stephen Gould

Die Kaiserin
Elza van den Heever

Die Amme
Michaela Schuster

Barak, der Färber
Michael Volle

Die Färberin
Lise Lindstrom

Hüter der Schwelle / Stimme des Falken
Katrien Baerts

Der Geisterbote
Thomas Oliemans

Stimme des Jünglings
Bror Magnus Tødenes

Der Bucklige
Andreas Conrad

Der Einäugige
Michael Wilmering

Der Einarmige
Nathan Berg



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Konzerthaus Dortmund
(Homepage)



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