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Hélène Grimaud, Klavier - Kateřina Kněžíková, Sopran

Bamberger Symphoniker
Leitung: Jakub Hrůša



17. Januar 2020, Saalbau Essen, Alfried Krupp Saal
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Philharmonie Essen
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Der lärmenden Welt abhanden gekommen

Von Stefan Schmöe

Mit einem Peitschenknall beginnt Maurice Ravels Klavierkonzert, komponiert zwischen 1929 und 1931 - was folgt, kann man durchaus als Großstadtmusik verstehen, sprunghaft schnell die Stimmungen wechselnd. Der Jazz liegt in der Luft, und Gershwins ein paar Jahre zuvor entstandene Rhapsody in blue scheint durch das Stück zu geistern. Für den Pianisten ein effektvolles Bravourstück. Hélène Grimaud bewältigt die Klippen mit fast nebensächlicher Virtuosität. Die elegante Französin setzt auf wohlkalkuliertes Understatement, gibt den Solopart beinahe zurückhaltend und ist doch in jeder Note Motor des Geschehens. Damit erzählt sich das Konzert beinahe von selbst. Jakob Hrůša, sein 2016 Chefdirigent in Bamberg, versteht sich und sein Orchester als Begleiter und vermeidet jede auftrumpfende Geste. Auch wo Ravel mitunter ausladend breit wird, setzt Hrůša wohltuend auf die verhaltene Geste.

Die Balance zwischen Orchester und Solist, auch unter den einzelnen Orchestergruppen, könnte sicher genauer austariert sein. Die Schlaginstrumente sind zu laut und platzen über Gebühr heraus, die Bläser dürften fordernder spielen. Im elegischen Mittelsatz, dem Ruhepunkt zwischen den motorisch hektischen Ecksätzen, gibt es einen wunderbaren Dialog zwischen Klavier und Englischhorn, und in dieser Interpretation scheint jeder dem anderen den Vortritt überlassen zu wollen. Ohne Charme ist so viel Zurückhaltung nicht, ein wenig mehr Zugriff dürfte es trotzdem sein. Ansonsten fehlt es nicht an Brillanz; Hélène Grimaud zaubert in betörenden Klangfarben. Alles Weitere hat Ravel einkomponiert. Man fragt sich, warum das faszinierende Werk nicht häufiger aufgeführt wird.

In G-Dur, wie Ravels Klavierkonzert, steht auch Gustav Mahlers vierte Symphonie, komponiert 1901. Auch hier gibt es, das verbindet beide Werke, die plötzlichen Stimmungswechsel und collagenhaften Elemente, die unvermittelt nebeneinander stehen. Wo Ravel die Geräuschkulisse der Metropole im Sinn gehabt haben mag, denkt Mahler an die Kontraste zwischen dem lärmenden irdischen und dem entrückten, hier (zumindest vordergründig) kindlich naiv gedachten himmlischen Leben, gleichwohl sicher mit anderem programmatischen Anspruch als sein französischer Kollege: Bei Mahler geht es immer um Leben und Tod.

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Die "Bamberger" sind, das kann man auf ihrer Homepage nachlesen, stolz auf ihren "böhmischen" Klang. Der manifestiert sich an diesem Abend in einem Hervorheben der Bläser (vor allem der Holzbläser), während die Streicher zurückgenommen sind. Der Orchesterklang hat viel an Natürlichkeit und Unbefangenheit bewahrt, und an Stelle eines auf Brillanz getrimmten Gesamtklangs behalten die einzelnen Instrumente viel von ihren spezifischen Farben, ohne im Tutti inhomogen zu klingen. Der Duktus ist kammermusikalisch schlank, und nur selten lässt Hrůša im echten Forte spielen, im Fortissimo sowieso nur in exponierten Momenten, die dann pointiert gesetzt sind. Mahlers mitunter grelle Farben bleiben prägnant, werden aber nicht überzeichnet.

Der Beginn des ersten Satzes gerät eine Spur zu behäbig, als müsse sich der Dirigent erst einhören. Hrůša findet dann aber immer besser zu einem selbstverständlichen, unaufgeregten Tonfall, der im Scherzo den skurrilen Humor nicht unterschlägt und das Adagio mit entspannter Ruhe entfaltet, in der die plötzlichen Einbrüche aus einer anderen Welt zwar wie Blitze schockartig niederfahren, aber der Grundstimmung nicht ernstlich gefährlich werden. In solchen abrupten Stimmungswechseln reagiert das Orchester beeindruckend schnell und flexibel, ein plötzliches kollektives Anspannen und wieder loslassen.

Mit betörend schönem, mezzowarm grundiertem Sopran singt Kateřina Kněžíková die Solopartie im Finalsatz. In souveräner Disposition lässt Hrůša den Satz nach flottem Beginn allmählich immer entspannter und verhaltener musizieren, ein sanfter Übergang vom irdischen zum himmlischen Leben, der hier weniger stufenweise anhand der einzelnen Strophen erfolgt als im ganz allmählichen Ausblenden, und auch hier scheinen die lärmenden Einwürfe (nicht schrill, aber mit höchster Energie gespielt) geradezu abzuprallen an der Sphäre des Himmlischen. "Ich bin der Welt abhanden gekommen": Mahler zitiert den Anfang seiner ebenfalls 1901 entstandenen Vertonung eines Gedichts von Friedrich Rückert, und dieses sachte, fast unmerkliche "aus der Welt Verschwinden", und zwar aus einer ziemlich lärmenden Welt, das zeichnen Hrůša und das Orchester beeindruckend nach. Es hätte nach dem entrückten Schlussakkord einen Moment der Stille bedurft. Wer da allzu eifrig und ärgerlich vorschnell hineinapplaudierte, dem hatten sich Mahlers Jenseitsvisionen wohl nicht erschlossen.




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Ausführende

Hélène Grimaud, Klavier

Kateřina Kněžíková, Sopran

Bamberger Symphoniker

Leitung: Jakub Hrůša


Werke

Maurice Ravel:
Konzert für Klavier und Orchester G-Dur

Gustav Mahler:
Symphonie Nr. 4 G-Dur



Weitere Informationen:

Philharmonie Essen



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