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Orlando

Oper in drei Akten (HWV 31)
Libretto
 anonym, basierend auf dem Epos Orlando furioso von Ludovico Ariosto
Musik von Georg Friedrich Händel

Aufführungsdauer: ca. 2h 55' (eine Pause)

Sonntag, 19. Januar 2020, 19.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Liebeswirren und -wahn bei Kerzenschein

Von Thomas Molke / Foto: © Anna Hoffmann

Nachdem der Countertenor Franco Fagioli in der letzten Spielzeit mit einer konzertanten Aufführung von Händels drittletzter Oper Serse in der Philharmonie ein regelrechtes Barockfeuerwerk gezündet hat (siehe auch unsere Rezension), sollte er eigentlich in dieser Spielzeit im Rahmen der beiden Reihen "Alte Musik bei Kerzenschein" und "Große Stimmen" in der Titelpartie von Händels Orlando zurückkehren. Aus dispositionellen Gründen musste er allerdings das Essener Publikum auf die kommende Spielzeit vertrösten, wo er dann als Oreste in Händels gleichnamiger Oper auftreten will. Für die konzertante Aufführung von Orlando in dieser Spielzeit konnte Fagiolis Kollege Max Emanuel Cencic gewonnen werden, der nicht nur bei den Händel-Festspielen in Karlsruhe in der vergangenen und der jetzigen Spielzeit an Fagiolis Seite als Serses Bruder Arsamene auf der Bühne steht, sondern bei dieser Produktion auch noch Regie geführt hat (siehe auch unsere Rezension), ein weiteres Standbein, das er neben seinen Erfolgen als Countertenor seit einigen Jahren ausbaut. Nun schlüpft Cencic in der Philharmonie Essen in die letzte Rolle, die Händel seinem Starkastraten Senesino auf den Leib geschrieben hat, bevor dieser zu Händels Konkurrenzunternehmen, der Opera of the Nobility, wechselte.

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Max Emanuel Cencic

Händels 1733 am King's Theatre Haymarket uraufgeführte Oper Orlando ist die erste von insgesamt drei Opern, die auf Ariosts großem Ritterroman Orlando furioso basieren, einer sagenhaften Abhandlung des Feldzugs Karls des Großen gegen die Sarazenen in Spanien, der in der Schlacht bei Roncesvalles 778 mit der Vernichtung des fränkischen Heeres sein blutiges Ende fand. Ariost fügte in die Erzählung um den Paladin Roland (Orlando), der aus unerwiderter Liebe zu Angelica, der Königin von China, den Verstand verliert, zahlreiche Fabelwesen und weitere erfundene Personen und Geschichten ein. So gibt es beispielsweise eine Nebenhandlung um den schottischen Ritter Ariodante, der an der Treue seiner Verlobten Ginevra zweifelt, und als weitere Hauptfigur den Paladin Ruggiero, der von seiner Braut Bradamante aus den Fängen der Zauberin Alcina befreit wird. Während die beiden Opern Ariodante und Alcina mittlerweile beide den Weg ins Repertoire gefunden haben, ist Orlando äußerst selten auf der Bühne zu erleben. Wesentlich bekannter ist Vivaldis Oper Orlando furioso, die ebenfalls auf Ariosts Epos basiert, die zu Händels Fassung allerdings zahlreiche Unterschiede aufweist.

Während Vivaldi in seiner Oper das Personal aus Orlando und Alcina zusammenführt, bleibt Händel in seiner Fassung bei dem Paladin Orlando und seiner unerfüllten Liebe zu der chinesischen Königin Angelica, die ihn in den Wahnsinn treibt. Angelica hat sich nämlich in den maurischen Prinzen Medoro verliebt, der ihre Liebe erwidert. Allerdings stehen ihrer Liebe nicht nur Orlando sondern auch die Schäferin Dorinda im Weg, die Medoro ebenfalls liebt. Während sie Dorinda mit einem Schmuckstück abfinden können, wenden sie bei Orlando eine List an. Angelica gibt Orlando gegenüber vor, eifersüchtig auf eine Prinzessin zu sein, die dieser gerettet habe, und fordert neue Beweise seiner Liebe. Während Orlando nun voller Tatendrang loszieht, planen Angelica und Medoro die gemeinsam Flucht. Doch sie werden von Orlando entdeckt, der dabei dem Wahnsinn verfällt. Zunächst lässt er über dem Nebenbuhler ein Haus zusammenstürzen und will die untreue Geliebte in einen Abgrund stoßen. Der Zauberer Zoroastro verhindert die Katastrophe. Vom Himmel erbittet er einen Trank, mit dem er den rasenden Orlando von seiner Eifersucht befreit. Gleichzeitig rettet er Angelica und Medoro. Der geheilte Orlando bittet Angelica und Medoro um Vergebung. Es kommt zur Versöhnung, und Orlando ist glücklich, seinen Liebeswahn besiegt zu haben.

Musikalisch lässt der Abend keine Wünsche offen, und obwohl es sich um eine konzertante Aufführung handelt und die Solisten mit Textbuch auftreten, lassen sie es sich nehmen, mit großartiger Mimik dem Abend auch eine szenische Komponente zu geben. Bei den zahlreichen abstrusen Verwandlungen des des Ortes der Handlung und kuriosen Wendungen im Ablauf der Geschichte ließe sich das Werk in einer szenischen Produktion wahrscheinlich kaum librettotreu umsetzen. Francesco Corti lotet mit dem 2012 gegründeten Ensemble Il Pomo d'Oro, das bereits in der vergangenen Spielzeit mit Händels Serse in der Philharmonie begeisterte, die barocke Klangvielfalt des Werkes differenziert aus. Hervorzuheben sind hier einzelne Accompagnato-Rezitative, die in ariose Strukturen übergehen und die durchkomponierte Traumszene Orlandos, die in Händels Zeit ein absolutes Novum darstellte. Corti leitet das Ensemble nicht nur mit sicherer Hand, sondern greift auch noch selbst in die Tasten des Cembalos und begleitet die Rezitative.

Für die Titelfigur bietet die Oper eine große Bandbreite von virtuosen Koloraturarien bis hin zu empfindsamen Gesängen. Max Emanuel Cencic versteht es, mit seiner dunkel gefärbten Mezzosopranstimme die zahlreichen Gefühlsschwankungen Orlandos sehr bildhaft zu präsentieren. Mit beweglichen Koloraturen und großer Entschlossenheit trumpft er im ersten Akt in Orlandos Arie "Fammi combattere" auf, wenn er Angelica verspricht, mit Riesen und Ungeheuern zu kämpfen, um seine Liebe unter Beweis zu stellen. Umso erzürnter zeigt er sich in der zweiten Bravourarie vor der Pause, "Cielo! se tu il consenti", wenn er von Dorinda erfährt, dass Angelica ihn mit Medoro betrügt. Auch hier lässt Cencic die Koloraturen nur so sprudeln. Nahezu entrückt klingt er, wenn er zu "Vaghe pupille" in die Unterwelt hinabsteigt, um sich auf die Suche nach Angelica zu begeben. Die Schlafszene im dritten Akt gestaltet Cencic sehr mild und leise.

Kathryn Lewek begeistert als Orlandos Angebetete Angelica mit einem vollen Sopran. In ihrer ersten großen Arie "Chi possessore è del mio core" gesteht sie Medoro ihre Liebe mit einem regelrechten Feuerwerk an Koloraturen. Wenn sie glaubt, Medoro verloren zu haben, gelingt Lewek eine zarte Brüchigkeit in der Stimme, die unter die Haut geht. Mit einer betörenden Innigkeit nimmt sie mit "Verdi piante, erbette liete" vom Leben und der Natur Abschied, um ihrem geliebten Medoro in den vermeintlichen Tod zu folgen. Absolut entschlossen schleudert sie dann Orlando ihre Wut entgegen und fordert ihn auf, sie zu töten, um ihrem Leiden endlich ein Ende zu bereiten. Hier kann das Publikum nicht innehalten und bricht bei Leweks Abgang in tosenden Applaus aus, noch lange bevor der letzte Ton im Orchester verklungen ist. Delphine Galou gestaltet die Partie des Medoro mit weichem Mezzosopran und intensiver Mimik. Man nimmt ihr ab, wie unwohl sich Medoro dabei fühlt, Dorinda falsche Gefühle vorzugaukeln. Nuria Rial verfügt als Dorinda über einen glockenklaren Sopran, der in den Höhen eine betörende Leichtigkeit besitzt. Man empfindet tiefes Mitleid mit der armen Schäferin, die erkennen muss, dass der von ihr geliebte Medoro ihre Gefühle nicht erwidert. John Chest hat als Zauberer Zoroastro zwar nicht viel zu singen, punktet aber mit einem sehr flexiblen Bariton, der die anspruchsvollen Läufe mit großartiger Leichtigkeit meistert. Ein Glanzpunkt ist seine Arie "Sorge infausta procella" im dritten Akt, wenn er den Hain in eine Höhle verwandelt, um Orlando von seinem Wahnsinn zu befreien. Zum lieto fine finden alle zu einem strahlenden Schlusschor zusammen. Das Publikum bedankt sich mit frenetischem Applaus für einen kurzweiligen Abend mit wunderbarer Barockmusik.

FAZIT

Musikalisch hätte Händels Orlando einen Platz im Opernrepertoire verdient. Szenisch gestaltet sich das Werk aber sicherlich schwierig, weshalb es in der Regel bei konzertanten Aufführungen bleiben dürfte.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Francesco Corti

Il Pomo d'Oro


Solisten

Orlando
Max Emanuel Cencic

Angelica
Kathryn Lewek

Dorinda
Nuria Rial

Medoro
Delphine Galou

Zoroastro
Luca Pisaroni


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



Da capo al Fine

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