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Rossini Operngala

Musik von Gioachino Rossini und Benjamin Britten

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Donnerstag, 05. März 2020, 20.00 Uhr
Alfried Krupp Saal in der Philharmonie Essen

 



Philharmonie Essen
(Homepage)

Verspäteter Geburtstagsgruß an den Schwan von Pesaro

Von Thomas Molke

Im Rahmen der TUP-Festtage KUNST5, an denen innerhalb von 11 Tagen die ganze Bandbreite der Theater und Philharmonie Essen an drei Häusern in fünf Sparten gezeigt wird, gibt es in diesem Jahr auch eine Operngala mit Werken von Gioachino Rossini. Mit dem Motto "Unendliche Geschichten", unter dem die Themenreihe in diesem Jahr steht, hat diese Veranstaltung zwar vielleicht weniger zu tun, aber eine Belcanto-Gala mit einer hochkarätigen Besetzung geht eigentlich immer. Neben Ivor Bolton, der in dieser Spielzeit als "Conductor in Residence" in der Philharmonie fungiert, hat man mit Jessica Pratt und Dmitry Korchak zwei hochkarätige Belcanto-Spezialisten eingeladen, so dass man sich beinahe wundert, dass diese Veranstaltung nicht an Rossinis Geburtstag, dem 29. Februar, angesetzt ist, wenn man schon einmal die Gelegenheit eines Schaltjahres hat. Aber das dürfte wahrscheinlich dispositionelle Gründe gehabt haben. So feiert man das Geburtstagskind eben mit ein paar Tagen Verspätung.

Den Anfang macht Jessica Pratt mit der Kavatine der Semiramide aus Rossinis gleichnamiger Oper, "Bel raggio lusinghier", in der die Königin in Erwartung des jungen Feldherrn Arsace ihre Sorgen vergisst und einer glücklichen Liebe mit ihm entgegensieht, ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, dass Arsace ihr tot geglaubter Sohn Ninia ist. Pratt begeistert hier mit differenziert angesetzten Spitzentönen und großer Flexibilität in der Mittellage, so dass sie bereits nach dieser ersten Nummer vom Publikum frenetisch gefeiert wird. Da ist kaum zu fassen, dass eine Steigerung noch möglich ist, die Pratt mit der Szene und Arie der Adèle aus Rossinis erster komischer Oper in französischer Sprache, Le Comte Ory, gelingt. Dem einen oder anderen Rossini-Fan mag noch Pratts Interpretation der Partie vor drei Jahren beim Klangvokal Musikfestival im Konzerthaus Dortmund in bester Erinnerung sein (siehe auch unsere Rezension). Die Gräfin sucht in ihrer Arie "En proie à la tristesse" Rat bei einem Eremiten, da sie in ihren Pagen Isolier verliebt ist, aber gemeinsam mit ihren Edeldamen Keuschheit geschworen hat, bis ihr Bruder mit den Kreuzrittern von den Kreuzzügen zurückkehrt. Was sie nicht weiß, ist, dass sich hinter dem vermeintlichen Eremiten der liebeshungrige Comte Ory verbirgt, der ein Auge auf die Gräfin geworfen hat und ihr daher rät, ihrer Liebessehnsucht nachzugeben, ohne dabei zu ahnen, dass nicht er, sondern eben der Page Isolier, der Nutznießer sein wird. Die komplette Szene und Arie stammen eigentlich aus Rossinis Il viaggio a Reims, einem Gelegenheitswerk, das Rossini drei Jahre vor der Uraufführung des Comte Ory für die Krönungsfeierlichkeiten von Karl X. kreiert hatte, aufgrund des Sujets jedoch für nicht repertoiretauglich erachtete, so dass er es nach vier Aufführungen vom Spielplan nahm. Allerdings enthielt diese turbulente italienische Farsa derart viele hinreißende Ohrwürmer, dass Rossini einen Großteil der Musik für Le Comte Ory mit komplett neuem französischen Text wiederverwendete. So diente die Arie eigentlich in Il viaggio der Contessa di Folleville dazu, den Verlust ihrer Garderobe zu betrauern. Pratt glänzt hier nicht nur mit sauber angesetzten Höhen, sondern schafft es sogar, den Koloraturen einen Hauch von Tränen zu geben.

Mit diesen beiden Auftritten setzt Pratt die Messlatte für ihren Mitstreiter Dmitry Korchak relativ hoch. Der russische Tenor, der ähnlich wie Pratt ein gern gesehener Gast beim Rossini Opera Festival in Pesaro ist, ist für den spanischen Tenor Xabier Anduaga eingesprungen, der das Konzert aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Mit strahlend angesetzten Spitzentönen und tenoralem Schmelz zeigt er sich Pratt gegenüber als ebenbürtig. Zwischen Pratts beiden Szenen stellt er sich mit der Arie des Rodrigo aus Rossinis Otello vor, in der der junge Mann Rache nehmen will, weil die von ihm geliebte Desdemona bereits mit Otello verheiratet ist. Den Abschluss des ersten Teils bildet dann ein Duett aus Rossinis großer Oper Guillaume Tell, in dem sich Arnold und Mathilde ihre Liebe gestehen. Hier finden Pratts Sopran und Korchaks Tenor wunderbar zueinander.

Fast ein wenig unpassend wirkt hingegen die "Simple Symphony" von Benjamin Britten, die als Instrumentalteil zwischen den Arien und dem Duett im ersten Teil des Abends steht. Zwar überzeugt das Orchestra Teatro Real Madrid unter der Leitung von Ivor Bolton auch bei diesem Werk für Streichorchester durch akkuraten Klang. Das Stück ist aber weit von den wunderbaren Melodienbögen des Belcanto entfernt und stellt somit einen Bruch im Ablauf des Programms dar, zumal dies 1934 uraufgeführte Werk mit seinen vier Sätzen auch im Verlauf der Gala relativ lang ist. Anschließend braucht man erst wieder einen Moment, um sich erneut auf die Belcanto-Klänge einzulassen.

Nach der Pause bleibt man dann bei Rossini und wählt auch für die Instrumentalstücke Ouvertüren zu Rossini-Opern. Ivor Bolton kann hier mit dem gut aufgelegten Orchestra Teatro Real Madrid unter Beweis stellen, dass er auch im Belcanto-Fach zu Hause ist, auch wenn man ihn in diesem Bereich in letzter Zeit eher selten hören konnte. Während sich die Auswahl vor der Pause größtenteils auf die späten Rossini-Opern konzentriert, die kurz vor Rossinis Weggang aus Italien nach Paris oder eben in der französischen Metropole entstanden, stehen im zweiten Teil Werke im Mittelpunkt, die aus Rossinis früher bis mittlerer Schaffensphase stammen. Mit der ernsten Oper Tancredi startete Rossini seinen Siegeszug über ganz Italien. Pratt präsentiert die große Arie der Amenaide aus dem zweiten Akt, in der sie Gott um Hilfe für den von ihr geliebten Tancredi im Kampf um ihre Unschuld bittet, mit großartigem Sopran und glänzenden Spitzentönen. Die bekannteren Werke im zweiten Teil gehören Korchak. Zunächst präsentiert er eine Arie des Grafen Almaviva aus Il barbiere di Siviglia, die in Aufführungen häufig gestrichen wird, deren Melodie aber doch einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzt. Almaviva gibt sich darin als Graf und Ehemann Rosinas zu erkennen und rät dem gehörnten Vormund Bartolo, seinen Widerstand dagegen aufzugeben. Rossini hat die Melodie für das berühmte Schluss-Rondo der Angelina aus La Cenerentola, "Non più mesta" übernommen. Korchak glänzt in dieser anspruchsvollen Arie mit kraftvoll angesetzten Höhen. Gleiches gilt für die große Arie des Prinzen Ramiro aus La Cenerentola, in der er sich schwört, die bezaubernde junge Frau zu finden, mit der er auf dem Fest getanzt hat. Auch hier glänzt Korchak mit strahlenden Spitzentönen.

Zum Abschluss des Abends präsentiert Bolton mit dem Orchestra Teatro Real Madrid absolut schmissig die berühmte Ouvertüre aus Guillaume Tell. Das Publikum bedankt sich mit frenetischem Applaus, kann die Solisten allerdings zu keiner Zugabe bewegen. Immerhin wiederholt das Orchester einen kleinen Ausschnitt aus der Guillaume Tell-Ouvertüre.

FAZIT

Diese Gala stellt einen würdigen, wenn auch leicht verspäteten Geburtstagsgruß an Rossini dar. Nur die eingeschobene Britten-Symphony verstört ein wenig.



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Ausführende

Ivor Bolton, Dirigent

Orchestra Teatro Real Madrid

Jessica Pratt, Sopran

Dmitry Korchak, Tenor


Werke

Gioachino Rossini
"Bel raggio lusinghier"
Arie der Semiramide aus Semiramide

"Che ascolto! Ahimè!"
Arie des Rodrigo aus Otello

"En proie à la tristesse"
Szene und Arie der Adèle und des Comte Ory
aus Le Comte Ory

Benjamin Britten
"Simple Symphony" für Streichorchester, op. 4

Gioachino Rossini
"Qui, vouz l'arrachez à mon âme"
Duett Arnold und Mathilde aus Guillaume Tell

Sinfonia zu Tancredi

"Gran Dio!... Giusto Dio che umile adoro"
Szene und Arie der Amenaide aus Tancredi

"Cessa di più resistere"
Arie des Conte aus Il barbiere di Siviglia

"Ami alfine... Tace la tromba... Femmine mie"
Szene und Arie der Matilde
aus Matilde di Shabran

"Sì, ritrovarla io giuro"
Arie des Ramiro aus La Cenerentola

Sinfonia zu Guillaume Tell 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der

Philharmonie Essen
(Homepage)



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