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Gürzenisch-Orchester Köln
François-Xavier Roth





30. Mai 2020, Philharmonie Köln



Selbstbehauptung mit Mozart

Von Stefan Schmöe / Fotos von Holger Talinski

Es darf wieder gespielt werden - und während sich manche Theater und Konzerthäuser darob noch verwundert die Augen reiben, gehören das Gürzenich-Orchester und sein agiler Chefdirigent François-Xavier Roth zu denen, die vom ersten Moment an wieder Präsenz zeigen. Jeweils 100 Besucher dürfen momentan die Kölner Philharmonie besuchen, das Hygiene-Konzept ist streng und wird konsequent umgesetzt. Was einigermaßen absurd erscheint, wenn man mit der Bahn anreist, wo Schutzmaßnahmen ziemlich locker gehandhabt werden, und das Treiben um den Kölner Dom herum schert sich offensichtlich nicht allzu sehr um social distancing, aber was soll's: Man fühlt sich sicher in der Philharmonie. Auch die Musiker tragen brav Mundschutz, bis sie ihren Platz eingenommen haben (und die Solisten scheint unschlüssig, ob sie den zum Applaus nach getaner Arbeit wieder aufsetzen muss). Mit 24 Instrumentalisten ist das Podium gut gefüllt, mehr geht derzeit kaum, wobei die Abstände wohl eher mehr als die vorgeschriebenen 1,50 Meter betragen. Von Normalität ist das alles noch weit entfernt, aber die Hauptsache ist: Es wird tatsächlich gespielt.

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Da fällt es auch nicht ins Gewicht, dass man Mozarts erstes Flötenkonzert in den Streichern griffiger, in den kleinen Noten schärfer spielen kann; die kleinteilige, detailverliebte Interpretation bleibt in den Ecksätzen weichgezeichnet, geglättet auch vom Sound des "modernen" Orchesters, dem man auch den derzeit gern verwendeten Terminus "historisch informiert" nicht anhört. Alja Velkaverh-Roskams, Soloflötistin des Orchesters, gestaltet den Solopart mit entschlossenem "Hier bin ich!"-Gestus, sehr intensiv, mit manchen agogischen Freiheiten (die Roth gerne aufnimmt und zurückgibt). Der fast leere Saal kommt der Flöte akustisch entgegen, die klar dominiert (die Bläser des Orchesters - Flöten, Oboen, Hörner - halten sich delikat zurück). Allein hübsch und gefällig sein, das will diese Interpretation nicht, pocht in den mit ungewohnter Attacke dahingeschleuderten Staccati des Rondo-Themas im Finale nachdrücklich auf ihr Recht, gehört zu werden. Elegante Beiläufigkeit, die man dem Werk ja auch zuschreiben kann, ist gerade nicht das Gebot der Stunde. Mozarts charmantes Konzert wird zur künstlerischen Selbstbehauptung.

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Im Kontrast dazu folgt Béla Bartóks Divertimento für Streichorchester, komponiert innerhalb von zwei Wochen im August 1939 in der Schweiz, wo man die Kriegsvorbereitungen im Nachbarland sehr genau verfolgte. Die Musik pendelt zwischen volkstümlichen Phrasen und verdichteter Modernität, Tanzrhythmen wechseln sich ab mit düsteren Clustern. Das einigermaßen "verkopfte" Werk bleibt eine Musik für Liebhaber, nicht recht greifbar in seiner Stimmung. Roth und die Streicher des Gürzenich Orchesters heben feinfühlig eben dieses disparate Neben- und Gegeneinander verschiedener Stimmungen hervor. Die Stimmführer bewältigen bravourös die Solopassagen, und auch daraus spricht die Botschaft: Wir, das Orchester, sind wieder da, sicht- und hörbar. In diesem Fall (noch) nicht mit Pauken und Trompeten, sondern bei Bartók im vielfältig verschachtelten Streicherklang. Grüblerisches Suchen versus Lebensfreude mit Irritationsmomenten - die Musik passt jedenfalls zur aktuellen Lage.

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Eine nicht überraschende, in ihrer Wucht dennoch frappierende Erfahrung dieses Abends: Kein Livestream, keine CD kann die unmittelbare Wirkung eines solchen Konzerts ersetzen, die Präsenz und Körperlichkeit des Klangs, der in einem Saal wie diesem eben viel mehr ist als "nur" ein Hörerlebnis; die Wechselwirkung zwischen Musik, Raum und Zuhörern. Eine Zugabe wäre ganz sicher nach dem Geschmack des ungemein konzentrierten Publikums gewesen (ein immerhin hübscher Nebeneffekt der drastisch reduzierten Besucherzahl: Es ist sehr, sehr leise auf den Rängen), gab's aber nicht. Vielleicht, weil man das Programm bereits am Nachmittag gespielt hatte; dort, eine schöne Idee, mit der Fassung des Mozart-Konzerts für Oboe. Eine Besucherin rief dem recht schnell abgehenden Orchester - im fast leeren Saal sind stehende Ovationen vermutlich auch nur mäßig eindrucksvoll - ein "Danke" hinterher, dem sich sicher alle Zuhörer anschließen. Ein starker Anfang ist gemacht.




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Ausführende

Gürzenich-Orchester Köln

Alja Velkaverh-Roskams, Flöte

Leitung: François-Xavier Roth


Werke

Wolfgang A. Mozart:
Konzert für Flöte und Orchester Nr. 1 C-Dur KV 313

Béla Bartók:
Divertimento für Streichorchester



Weitere Informationen:

Gürzenich Orchester Köln

Philharmonie Köln



Da capo al Fine

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