Turandot, eine chinesische Prinzessin Francesca Patané Altoum, Kaiser von China Willy Schell Timur, entthronter König der Tartaren Danilo Rogosa Kalaf, der unbekannte Prinz (sein Sohn) Robert Woroniecki Liú, eine junge Sklavin Valentina Valente Ping, Kanzler Axel Herrig Pang, Marschall Randall-Reid Smith Pong, Küchenmeister Andreas Joost Ein Mandarin Rainer Zaun
Eisenbewehrte Zinnen und ein riesiger Schleifstein zeigen nach der Öffnung des Vorhanges worum es geht: Hier finden lebenbedrohliche Rätselspiele statt. Wieder einmal hat ein Prinz sich in Turandot verliebt und muß nun als Strafe für seine mindere Intelligenz den Kopf verlieren - im wahrsten Sinne des Wortes. Fast könnte man meinen, dies sei nun der Beitrag des Aachener Theaters zum Internationalen Frauentag: die männermordende, eiskalte Furie, die vor ihre Gunst die Zinnen der Rätsel gesetzt hat. Doch die Interpretation von Intendant Elmar Ottental setzt andere Akzente: er zeigt Turandot als eine Frau, die selbst unter ihren Rachegefühlen leidet, die ihrer Angst vor der fremdbestimmten Verbindung Ausdruck verleiht und die erst lieben kann, als sich ihr der Prinz scheinbar ausliefert. Erst da erwidert sie den vorher aufgezwungenen Kuß und erst hier ist das "Happy End" ein einigermaßen glaubwürdiger Schluß. Elio Boncompagni wählte für die Aachener Aufführung eine Mischform der beiden möglichen Rekonstruktionen des von Puccini nicht mehr vollendeten Finales, die hier durchaus musikalisch schlüssig wirkten.
Jeder Akt der Oper zeigte andere Facetten der reichen Sänger-Auswahl des Aachener Theaters Allen voran der hauseigene Tenor Robert Woroniecki. Er war den ganzen Opernabend präsent, mit einer wandlungsfähigen Tenorstimme, die von den lyrisch-leisen bis zum schmetternden forte alle Register zu bieten hat und diese präzise einsetzt. Er ist die Stütze der ganzen Oper und Garant für ein erstklassiges Aufführungsniveau. Dies honorierte das Premierenpublikum mit frenetischem Beifall, den er sich redlich verdient hat.
Der erste Akt stand ansonsten ganz im Zeichen des Chores. Die Wirkung dieses Aktes beruht zum großen Teil auf den Massenszenen, in die Puccini auch die Erlebnisse faschistischer Massenhysterie einfließen ließ. Dementsprechend inszenierte Hausherr Elmar Ottenthal: Chor, Extrachor, der Kinderchor und die Statisterie boten perfekte musikalische und choreographische Umsetzung dieser zentralen Rolle.
Das erste Bild des zweiten Aktes wurde durch die Spielfreude der drei Minister Ping, Pong und Pang beherrscht. Die von Puccini und vor allem vom Dichter der ersten Fassung der Turandot, Gozzi, beabsichtigten Commedia dell' Arte Anklänge wurden in Szene gesetzt. Durch die Maskenhaftigkeit und plakative Gestik gerät allerding manches Mal der eigentlich ernste Inhalt dieses Aktteiles in Vergessenheit. Doch dies wurde durch die handwerklich genaue Ausführung wieder wett gemacht.
Mit Spannung erwartet, erscheint nun im zweiten Bild des zweiten Aktes zum ersten Mal Turandot - und sprengt alle Rahmen: eine unglaubliche Bühnepräsenz gepaart mit Stimmvolumen, Meisterschaft in allen Lagen und Sicherheit im Auftreten, läßt die Mailänderin Francesca Patané zum Star des Abends werden.
Im dritten Akt tritt nun Valentina Valente als Liú hervor. Sie zeigt die Liú als die sanft-duldende Frau, die ihr Leben opfert, um das des heimlich geliebten Mannes zu retten - der emotionale Gegenpart zur Turandot. Sie hat es nicht leicht, gegen die Stimmgewalt ihrer Konkurrentin zu bestehen, aber ihre Pianissimo-Sanftheit zieht die Sympathien der Zuschauer auf ihre Seite.
Das groß besetzte Orchester unter der sicheren Hand von Elio Boncompagni zeigte, daß auch ein kleines Haus große Oper bieten kann und wahrhaft musikalisch alles umsetzt, was für diese spannungsreiche Oper wünschenswert ist. Ebenso perfekt: die Abstimmung mit den Sängern und die Übereinstimmung mit dem aus unterschiedlichen Chören zusammengesetzten Bühenchor.
Bühenbild und Kostüme von Stephanie Körner zeigten keine bemüht-gewollten Aktualisierungen oder Verfremdungseffekte. Am beeindruckendsten war das Bühnenbild des ersten Aktes, die eisenbewehrte Festung der Turandot war überzeugend in Szene gesetzt.
Im zweiten und dritten Akt wurde manchmal etwas zu sehr auf die Ästhetik des nackten Baugerüstes gesetzt. Dies wurde ein wenig gemildert durch Stoff-und Drahtkonstruktionen, die um die Gerüste drapiert waren. Die phantasievollen Gebilde, die als Blumen, Algen oder Wollknäuel mal vom Schnürboden herunterhingen und mal an die Wand projiziert wurden, waren zwar etwas erklärungsbedürftig, unterstrichen aber im Grunde das Märchenhafte der Handlung.
März '97: 12., 14., 16., 23., 29. April '97: 1., 3., 5., 9., 11.,13.,17.,19. Mai '97: 2.
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