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Corpus Delicti

Choreographisches Theater von Pavel Mikulástik



Premiere am 16. Mai 1998
im Lampenlager

Von Ruth Schmüdderich



Dem Zuschauer wird es bei "Corpus Delicti" einfach gemacht, die Krankenhaus-Atmosphäre des Stückes aufzunehmen, denn schon am Eingang wird jeder in einen weißen Kittel inklusive Namensschild gesteckt. So verfolgte ich als "Dr. Jüssen" das neuste Werk von Mikulástik, das laut eigenen Angaben auf persönliche Erfahrungen zurückgreift.

Dazu ist in dem relativ kleinen "Lampenlager" in Beuel ein trister Aufenthaltsraum geschaffen worden, wie man ihn in jedem Stadtkrankenhaus antreffen könnte, einschließlich unentwegt laufendem Fernseher.
Leider ist die Bestuhlung im Theater dabei nicht so steil ansteigend wie in einem alten Hörsaal der Anatomie, so daß man in den letzten Reihen nicht besonders gut sieht.

"Corpus Delicti"schildert das Leben in einem Wartsaal. Es beginnt mit dem Erscheinen der desinteressierten und leicht sadistisch veranlagten Oberschwester. Dann begegnen sich verschiedene Patienten, mit den unterschiedlichsten körperlichen und seelischen Leiden. Gewürzt werden diese Szenen durch teilweise witzige bis zynische Ausrufe aus einem Lautsprecher, durchgesagt von der Oberschwester (Stefanie Verkerk), die mit ihrer Rolle einmal wieder die Gelegenheit hat, eine sehr gute schauspielerische Leistung zu zeigen. Im Gegensatz zu den vergangenen Stücken Mikulástiks sprechen die anderen Akteure nicht.

Das Thema des Stückes scheint zunächst keinen Platz für Tanz bieten, doch wenn dann gleich zu Anfang Rafaele Giovanola mit ihrem fahrbaren Tropf tanzt, sieht man die Möglichkeiten, die Mikulástik hier entdeckt. Ein andermal tanzt eine Patientin mit ihrem Liebhaber, der versehentlich mit der Hand in ihrem künstlichen Darmausgang stecken geblieben ist, einen hinreißenden Ball-Room-Dance, der Erinnerungen an die besten Zeiten von Fred Astaire hervorruft.

Bei einigen Darbietungen geht der Choreograph sehr an die Grenzen des guten Geschmacks, so daß es sehr schnell klar ist, daß es sich hier nicht um ein intellektuelles Stück handelt, wie beispielsweise bei dem "Kreidekreis". Doch sind die abwechselungsreichen Choreographien von originellen Ideen getragen, abgesehen von einigen Längen gegen Schluß.

Die Musik ist zum Großteil von Mikulástik mitkomponiert, so steht sie in besonders engem Verhältnis zu den unterschiedlichen Tänzen. Zudem umfaßt sie eine große Vielfalt von Stilen, die von orientalischer Musik bis Tschaikowsky reicht. Diese facettenreiche Musik trug neben der einfallsreichen Choreographie zu einen kurzweiligen Abend (von ohnehin nur einer Stunde Dauer!) bei.

Auch diesmal kann der Truppe des Choreographischen Theaters eine gute tänzerische Gesamtleistung bestätigt werden, ohne daß sich einzelne Akteure besonders hervorheben ließen, abgesehen von Stefanie Verkerk, die in ihrer herausgestellten Rolle, wie erwähnt, glänzte. Sogar bei der amüsanten Applausordnung agierten die Tänzer als Ensemble.

Bei dieser Produktion ist das Programmheft besonders zu empfehlen, in dem jede dargestellte Figur im Personenregister nicht mit Namen benannt, sondern mit schulmedizinischer Diagnose beschrieben wird, hinter der sich gegen jede Erwartung ganz profane Krankheiten verbergen.

Am Ende der Vorstellung spendete das Publikum langanhaltenden Beifall.



FAZIT:

Leichte Kost aus Mikulástiks Werkstatt

Logo: Oper Bonn

Regie und Choreographie
Pavel Mikulástik

Musik
Pavel Mikulástik
und Rudolf Dvorsky,
The Foozies,
Cornelius Schwehr,
Peter I. Tschaikowsky,
Yulduz Usmanova

Bühne
Walter Speer

Kostüme
Sabine Schnetz

Licht
Jürgen Zoch

Dramaturgie
Rainald Endraß


Solisten

Die Oberschwester
Stefanie Verkerk

Appendizitis und chronische Obstipation
Sirpa Arvola

Polyneuropathie und rezidivierende
transitorische ischämische Attacken
Manuela Burkhard

Meningitis und Pytiriasis Rosea
Rafaele Giovanola

Pharyngitis
Marcelo de Melo

Fazialisparese und Analfissuren
Ladislav Rajn

Glomerulonephritis
Martin Schnurr

Der Besucher mit Strabismus
Petr Stopka

Klaustrophobie und Luxation
Kerstin Taschner

Manische Phobie
Miguel Angel Zermeno






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