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Die WalküreDer Ring des Nibelungen - Erster Tagvon Richard Wagner
Premiere an der Oper der Bundesstadt Bonn In Bonn erfahren Sie manches, das Sie schon immer über die Waklküre wissen wolltenEine Familientragödie mit globalen FolgenWährend des Vorspiels sieht man Jäger über die Bühne hetzen, die offenbar jemanden verfolgen; Schüsse knallen. Dann wird vom Hängeboden großbürgerliches Ambiente heruntergelassen, und Siegmund findet sich unversehens am martialisch-geschmacklosen Kamin Hundings wieder. Die Dame des Hauses, die gerade das Essen richtet, ist fasziniert von dem Fremden, und in kleinen Gesten nähern sich die beiden an. Die Szene könnte auf einem Landsitz in Ostpreußen spielen, Anfang der 30er Jahre (konkrete Hinweise gibt Regisseur Siegfried Schönbohm allerdings nicht). Der zweite Akt zeigt die Kommandozentrale der Heeresleitung, so wie sie in alten Science- fiction-Filmen manchmal zu sehen ist (mit riesiger Weltkarte, der Walkürenfelsen des dritten Aktes ist ein zerborstener Bunker mit Aussichtsplattform. In einen so konkreten Rahmen ist die Walküre lange nicht mehr gestellt worden.Wie schon das Rheingold ist auch die Walküre ein bürgerliches Schauspiel, und selbst im zweiten Akt, wo das Bühnenbild den Weltherrscher vorzustellen scheint, dreht sich doch alles um die ganz private Familientragödie Wotans. Schönbohm inszeniert einen detailverliebten Realismus, in dem jede Geste durchdacht ist. Manches, was man schon immer über die Walküre wissen wollte (aber nie fragen konnte), wird uns hier erklärt. Jetzt wissen wir, warum Siegmund nach der Todesverkündigung des zweiten Aktes von der Bühne geht und Sieglinde allein läßt: Die Feldflasche ist leer, und der Held muß Wasser holen. In solchen Szenen besitzt die Inszenierung die Genauigkeit eines Films. Von den Sängern erfordert das großen schauspielerischen Einsatz, den sie weitgehend erfolgreich erbringen. Leider gibt Alfred Muff einen sehr statischen Wotan ab, der durch nichts zu erschüttern scheint - als hätte sich Sarastro aus der "Zauberflöte" versehentlich unter das Wagner'sche Personal gemischt. Die Genauigkeit, mit der Schoenbohm gearbeitet hat, ist aller Ehren wert, aber die Inszenierung läuft auch Gefahr, durch ein Zuviel an Details an der Oberfläche zu bleiben. Manches ist überdeutlich inszeniert, und durch den realistischen (allerdings nie naiven) Erzählstil geht einiges an Distanz verloren; dem Mythos bekommt solcher Realismus nicht eben gut. Geradezu absurd wird das, wenn Wotan seinen Walküren die Krisenherde der Welt zeigt, und uns offenbar auf den Balkan und den Kongo aufmerksam machen möchte: Das ist dann doch eher ein geographisches Quiz für das Bildungsbürgertum als ein aktueller Deutungsversuch. Genau der aber fehlt in Schoenbohms Konzept. Irgendwie hat man alles schon einmal so oder so ähnlich gesehen. In Bonn ist vieles handwerklich besser gemacht als anderswo, aber die zündende Grundidee ist nicht zu erkennen. Dadurch bleiben viele Einfälle vordergründig. Es wird halt eine spannende Geschichte erzählt. Aufdringlich wird die Regie, wenn die Walküren durch den Zuschauerraum laufen (selbst vom Rang her werden gefallene Helden angeschleppt), obwohl das nun wahrlich keine Aufschlüsse über das Stück gibt. Dazu dreht sich der Walkürenfels-Bunker wie ein Karrussel - da wird das Kriegsspiel doch sehr harmlos und beinahe heiter. Die Sänger tragen das Regiekonzept nicht zuletzt durch hervorragende Textverständlichkeit, aber auch stimmlich vermag das Ensemble zu überzeugen. Susan Owen, kurzfristig für die erkrankte Jayne Casselman eingesprungen, ist eine erstklassige Brünnhilde, beweglich und klangschön; Alfred Muff ein sonorer Wotan. Anne Schwanewilms (Sieglinde) ist wegen ihrer charakteristischen Stimmfärbung eine der interessantesten jungen Wagnersängerinnen (das hat sie auch bei ihren Auftritten als Gutrune bei den Bayreuther Festspielen gezeigt), allerdings fehlt es ihr ein wenig an stimmlichem Volumen. Ganz anders Alfons Eberz, der einen durchdringenden, zum Forcieren neigenden Siegmund sang. Allein die Fricka (Julia Juon) dürfte etwas jugendlicher erklingen. Leider erhielt das gute Sängerensemble keine adäquate Unterstützung aus dem Orchestergraben. Was Marc Soustrot dem Orchester der Beethovenhalle an Klangfarben entlockte, war viel zu wenig und kaum differenziert. Den großen symphonische Bogen, den die "Walküre" braucht, um die ausladenden Szenen des zweiten und dritten Aktes zusammenzuhalten, schlugen die Instrumentalisten nicht, und die Steigerungen des ersten Aktes waren mehr gehetzt denn durchdacht. Ein paar schöne Augenblicke vermochten die Schwächen keinesfalls aufzuheben.
Regisseur Siegfried Schoenbohm erzählt eine spanndende Abenteuergeschichte mit viel Musik. Nur dem Orchester scheint das wenig Freude zu machen. |
Besetzung
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