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Premiere im Opernhaus der Stadt Bonn am 8.Juni 1997
Wiederaufnahme einer Ko-Produktion mit dem Mascagni-Festival Livorno
Von Stefan Schmöe
Ratcliff, von seiner Jugendliebe Maria verschmäht, hat die unangenehme Eigenschaft, Marias Bräutigame am Hochzeitsabend ins Jenseits zu befördern ("Nicht abgemurkst. Im Zweikampf fiel Macdonald.") Der aktuelle Heiratskandidat ist nicht eben erfreut, dies kurz vor der Trauung zu erfahren. Im zweckmäßigen, unaufdringlichen Einheitsbühnenbild - schiefergraue Wände mit leeren Fensterhöhlen - sieht sich Bräutigam Nr.3 unerwartet dem wütenden Ratcliff, der ihn eben noch unbekannterweise vor bösen Räubern beschützte, gegenüber. Ratcliff verliert das Duell, darf aber weiterleben.
Die großen Zusammenhänge erfahren wir durch lange Monologe - Vermächtnis Wagnerscher Dramaturgie. Gegen Wagner muß sich auch die Musik Mascagnis immerzu behaupten, weitgehend erfolgreich, von Verismo noch keine Spur. Ratcliff ist Mascagnis erste Oper. Man wünschte, er hätte sie im Alter grundlegend überarbeitet - es stehen gelungene Szenen neben handwerklichen Plattheiten. Nicht immer ist zu unterscheiden, ob das Bonner Orchester oder der Komponist irrte. Letztendlich war es wohl doch der Komponist. Das Orchester jedenfalls tat letztendlich seinen Dienst unter dem Dirigat von Jorge Rubio akzeptabel, ohne sich von der Partitur übermäßig inspirieren zu lassen.
Aus Rückblenden erfahren wir schließlich auch, daß schon Ratcliffs Vater und Marias Mutter nicht zueinander fanden. Die Amme Margherita weiß um dieses Geheimnis. Regisseur Gian-Carlo del Monaco, der dem an sich nichtssagenden Libretto doch irgendeine Aussage abgewinnen möchte, läßt die gute Frau permanent bedeutungsschwanger über die Bühne schleichen. Dadurch wird die Bedeutung nicht größer, aber es sieht nach Willen zur Regie aus. Besser ist die Inszenierung dann, wenn sie nicht danach aussieht und nichts sagen will, aber auch nicht stört. Lucia Navaglio singt die Amme ausdrucksstark genug - aus einem durchschnittlichen Ensemble ragt sie ein wenig heraus.
Am Ende des schaurigen, gänzlich unironischen Dramas stürzt sich Maria halbirr in Ratcliffs Schwert. Auch sie sah Nebelgesichter - die Geister der Eltern haben die jungen Leute ins Grab getrieben. Der Vorhang schließt sich. Unter dem Gesichtspunkt "kuriose Ausgrabungen" war diese Opernpremiere, einigermaßen akzeptabel (wenn auch nicht mehr) gesungen und inszeniert, die Fahrt nach Bonn wert. Lange in Erinnerung behalten wird man den Abend nicht.
Applausordnung: Zuerst betreten drei kaum in Erscheinung getretene Nebenfiguren die Bühne. Begeisterte Bravo-Rufe schallen ihnen entgegen. Der Rang tobt. Des Rezensenten Sitznachbar hat seine Zustimmung sorgfältig verteilt, ziemlich genau jeder zweite Sänger erhält ein "Brrrrrravo !" (mit betont italienisch-langem rrrrrrrr). Warum ausgerechnet der Regisseur vom Rang ausgebuht wird, bleibt rätselhaft. Wie diese mittelprächtige Aufführung so tiefgehende Emotionen auslöst, können wir nicht erklären.
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