Premiere im Theater der Stadt Duisburg am 31. Januar 1998
Von Monika Jost / Fotos von Eduard Straub Zwei Choreographien, zwei Choreographen - ein Abend? Getrennt durch eine profane Pause kann der Zuschauer und Zuhörer zwei Tanzwelten kennenlernen und erleben, die durch die ihnen eigene Geschlossenheit beeindrucken und bestechen.
Leicht spielerisch und glatt - vielleicht zu "glatt" - dies wären erste Begriffe, mit denen sich Inner Move aus der Erinnerung heraus beschreiben ließe. Auf der anderen Seite werden, ausgeführt von sechs Tänzerinnen und Tänzern, sehr komplexe Strukturen von Bewegungsabfolgen, Wiederholungen bestimmter Bewegungseinheiten und wechselnde Gruppierungen der Tanzenden dargeboten. Gleich zu Beginn werden musikalisch vorgegebene Formen fast unmerklich in der Dreierformation der Frauen widergespiegelt. Ein Doppelspiel von Tanz und Musik bahnt sich an, das sich durchgängig an weiteren Stationen belegen ließe, sei es z. B. in synchroner oder kanonischer Weise. Widerspiegelung auch von Gefühlszuständen? Ein Deutungsakt, den jeder Zuschauer für sich vornehmen kann. Bühnenbild und Kostüme von Keso Dekker passen sich dem Klangereignis von Beethovens Streichquartett op. 131 in seiner Klarheit an: eine lichtblaue Rückwand, rechts und links ragen lange Holzbänke in den Bühnenraum hinein, die für Auf- und Abgang genutzt werden und bisweilen zum Aufenthalt einladen. Abstrakt? Neoklassizistischer Tanz? Tanz pur - Bewegungsgefühl im Vokabular und Stil des Choreographen Nils Christe.
Carmen - je t'aime! Jedoch nur diese Choreographie. Bizarr, verdreht oder auch "lyrisch-grotesk", wie Youri Vámos Eks Choreographie-Stil bewundernd beschreibt. Den klugen bühnen-dramatischen Effekt aus Merimées Novelle übernehmend, zeigt Ek die letzte Gedankenflut des auf seine Hinrichtung wartenden José. Die dadurch entstehende Freiheit von einer erzählerischen Chronologie und die teilweise Aufgabe von Figureneindeutigkeit läßt subtile Momentaufnahmen in Tanz und Bild entstehen. Ek sollte die Zigarren des Habanera-Bildes als Symbol eines gelungen ironisierten Tanz-Top-Hits vermarkten - ein Bild, das in Erinnerung bleibt! Carmen und José zeigen sich ohne opernhafte Schwarz-Weiß-Malerei in vielen Facetten und doch ist eines klar: Schreiten sie als Paar über die Bühne, dann trägt der Mann die Blumen im Arm und sie pafft Zigarre. Und selbst mit M... (icaela) folgt er - wie ein gezähmter Widerspenstiger - den Fingerzeigen der Frau. Bis in die Nebenrollen hinein erzählt eine differenzierte Bewegungssprache, die manchem Zuschauer sperrig und eckig erscheinen mag, von Gefühlen und Bewegungs-Verstand. "Inner Move" in ungeschützter ironischer Brechung. Dem Choreographen ist in der Partie der M... eine Kabinett-Rolle gelungen, bei der die Tänzerin drei Figuren in einer auszugestalten hat: Madre, Micaela, Muerte. Mats Eks Griff zur musikalischen Bearbeitung der Camen-Suite Bizets von Rodion Schtschedrin ist mit glücklicher Hand getan. Filmische Plakativität in der Orchestration und die Tatsache, daß Rhythmen und Melodien gewissermaßen "freigelegt" und neu dargeboten werden, finden ein gekonnt in Bewegung umgesetztes Pendant auf der Bühne.
FAZIT
Beiden "spielerischen" Balletten und der ausgesprochen guten Tanzleistung wurde heftig vom Publikum aus applaudiert. Blumen gab es (leider nur) für die Tänzerinnen. Beide Choreographen wurden gefeiert - zu Recht.
___________________________________________________________________________ Weitere Vorstellungen: 2./5. - 7./28. Februar 1998 Vorstellungsbeginn: 19.30 Uhr Reservierung: 0203/300 91 00