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Jenufa


von Leos Janácek
Oper aus dem mährischen Bauernleben
in drei Akten
von Gabriele Preissová
Aufführung in tschechischer Sprache





Premiere an der Deutschen Oper am Rhein
in Duisburg am 21. November 1998


Von Meike Nordmeyer / Fotos von Eduard Straub







Janáceks Jenufa - enorme Zuspitzung des Dramas in Duisburg


Die Aufführung der Jenufa in Duisburg überzeugte vor allem mit einem absolut sicherem Ensemble, das souverän die schwierigen Partien gestaltete und sich zudem äußerst spielfreudig zeigte. Herausragend waren da vor allem Anne Bolstadt als Jenufa und Trudeliese Schmidt als Küsterin. Beide Darstellerinnen hatten neben ihrem anspruchsvollem Gesang intensive spielerische Gestaltung zu bieten. Vor allem Trudeliese Schmidts Spiel als Küsterin wuchs zu wahnwitziger Dramatik aus, bei dem der Gesang aber nicht zurückstand. Schmidts Stimme brannte auf der Bühne und blieb doch immer gut geführt.
Eingebettet waren diese besonderen Leistungen des gesamten Ensembles in eine gelungene Inszenierung. Auf schlichter Bühne wurde gespielt. Es gab nur eine aufgestellte Wand, die die Bühne von hinten nach vorne in der Diagonale unterteilte, dazu fanden sich einige markante Requisiten und der gezielte Einsatz von Licht und Farbe. Leuchtend bunte Kleidung setzte dazu Akzente.

Im ersten Akt füllen milde Farben die Bühne, die Wände sind lindgrün gehalten und erinnern damit an den noch Glück verheißenden blühenden Rosmarin. Das Glück ist trotz der Schwangerschaft Jenufas noch möglich, die Zukunft ist zumindest noch offen, noch gibt es frohe Hoffnung. So ist Jenufa auch eine fröhliche junge Frau, ihre farbenfrohe Kleidung erzählt von ihrer noch fast unbeschwertenSeele.

Die Figuren, die Jenufa gegenübertreten werden als Typen dargestellt, und zwar als solche, die von zwanghaften Geschlechterverhalten bestimmt werden. Laca, dargestellt von William Cochran, wird zunächst gezeigt als großer, schwerfälliger Tölpel, er ist grob und aggressiv. Dagegen hebt sich Stewa, dargestellt von Bruce Rankin, als schneidiger junger Mann besonders gut ab. Die Küsterin tritt bald auf, schreitet energisch, fast furchteinflößend in die Menge unbeschwerter Leute. Sie ist streng, unerbittlich in ihren Forderungen und strahlt unglaubliche Kälte aus. Gegenüber der farbenfrohen bäuerlichen Kleidung, die alle anderen tragen, steckt sie in Bürokleidung: ein strenges, graues Kostüm hat sie an. Die lila Bluse, die sie dazu trägt, unterstreicht signalhaft den Eindruck: Die Regie zeichnet mit der Darstellung dieser Figur das Bild einer "Emanze" im schlechten Sinne, gerade so, wie man es sich gemeinhin gerne vorstellt.

Die Küsterin ist klug, so hört man auch die Leute im Dorf sagen. Selber Pech gehabt in der Enge des dörflichen Lebens will diese unglückliche Frau ein anderes, besseres Leben für ihre Ziehtochter Jenufa. Nicht zu ertragen ist für sie daher der Gedanke an den sozialen Fall, der Jenufa durch die Entdeckung der unehelichen Schwangerschaft droht. Aus dem Stolz auf Jenufa und der Sorge um sie folgt bei der Ziehmutter ein verzweifeltes, schließlich völlig übersteigertes Ehrgefühl. Nur noch die Rettung der Ehre hat sie im Blick, so daß sie ihr Handeln übertreibt und Unheil stiftet. Das Mutterglück Jenufas, daß sich trotz der schwierigen Lage doch verbreiten will, kann die Küsterin nicht bestehen lassen. In diesem Sinne allein grausam besessen und ehrgeizig (das kann ja nur eine "Emanze"sein, oder wie?) wird die Ziehmutter in der Duisburger Inszenierung gezeigt. Damit wird allerdings eine wichtige Komponente der vielgestaltigen Figur vernachlässigt. Denn die Küsterin verübt das Verbrechen nicht allein aus Eigenliebe, der eigenen Ehre willen, sondern sie tut es vor allem für Jenufa. Aus Liebe macht die Küsterin sich wissend schuldig. Dieses Moment findet sich in der Inszenierung nur angedeutet. Die Liebe als Antrieb der grausamen Frau zeigt sich erst wieder, als sie sich vor allen Anwesenden der Schuld bezichtigt und sich schützend vor Jenufa stellt. Stolz tritt sie ihre Bestrafung an, ihre Schuld nicht verkennend.

Der Engführung der Geschichte, vor allem durch das dramatische Spiel der beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen vorangetrieben, entspricht auch auf der Bühne die raumtechnische Verknappung. Der Platz im Dorf weicht der Enge des Zimmers, in das Jenufa eingesperrt ist. Aus der einen Wand, die den Dorfplatz gliederte, klappen zwei Wände auf, sie sperren Jenufa und die Mutter nun ein, verengen sich zum spitzen Winkel. Die Wände diese Zimmers, des Verstecks der beiden Frauen, sind von einem klinischen, kalten Grün und beschreiben damit die Temperatur, die die Liebe der Ziehmutter zu diesem Zeitpunkt einnimmt. Es ist eine Liebe, die die Rettung mit unmenschlicher Tat zu erzwingen sucht. Die Rosmarinfarbe dringt nun nicht mehr hinein in das Zimmer, die einst so hoffnungsvoll gepflegte Pflanze ist längst verdorrt.

Die Inszenierung führt die Personen bemerkenswert gut, deutlich wird das vor allem beim Menschenandrang, der sich zur unglücklichen Hochzeit von Laca und Jenufa einstellt. Der Chor treibt die Geschichte weiter. Der Schrecken und der Zorn über die grausame Tat, die nun entdeckt wird, weht durch die Menge. Die dramatische Zuspitzung der Geschichte wird in der Duisburger Ausführung wahrlich auf der ganzen Linie betrieben.

So erbringt das Orchester ebenfalls hervorragende Leistung. Sehr genau und intensiv zeichnet es die Zerüttungen der Seelen nach, bis es mitunter aufschreit und den Ton der Verzweiflung hörbar macht. Für die Sänger ist es nicht immer einfach, sich gegen die eruptive Klangwucht des Orchesters zu behaupten, aber es gelingt ihnen durchaus. Überwältigend, was für eine intensive Ausführung von Janáceks Jenufa auf der Duisburger Bühne möglich ist!








FAZIT:

Hohe Leistung in allen Bereichen - an Intensität schwerlich zu übertreffende Ausführung von Janáceks Drama.





Logo: Deutsche  Oper am Rhein





Musikalische Leitung
Jonathan Darlington

Inszenierung
Stein Winge

Bühne
Johannes Schütz

Kostüme
Sabine Böing

Licht
Franck Evin

Chor
Volkmar Olbrich

Choreographie
Wolfgang Enck


Solisten

Die alte Buryja
Gwendolyn Killebrew

Laca Klemen
William Cochran

Stewa Buryja
Bruce Rankin

Die Küsterin
Trudeliese Schmidt

Jenufa
Anne Bolstad

Altgesell
Georg Paucker

Dorfrichter
Peter Nikolaus Kante

Seine Frau
Keiko Yano

Karolka
Romana Noack

Eine Magd
Monique Simon

Barena
Katharina Wingen

Jano
Rachel Robins



Die Duisburger Sinfoniker
Der Chor der Deutschen
Oper am Rhein







Szenenfoto

William Cochran als Laca,
Anne Bolstad als Jenufa
und Bruce Rankin als Stewa






Szenenfoto

William Cochran als Laca und
Anne Bolstad als Jenufa







Szenenfoto

Trudeliese Schmidt (Mitte)
bietet eine packende Darstellung
der Küsterin






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