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Wachsfigurenkabinett

Fünf kleine Opern von Karl Amadeus Hartmann
Premiere am 8. Mai 1997, gesehen am 11. Mai 1997
Theater der Stadt Duisburg

Besetzung
Rezension
Fazit
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von Annette van Dyck


Besetzung

Musikalische Leitung: Francis Corke
Orchester: Studenten der Folkwangschule, der R.-Schumann-Hochschule und Musiker der Deutschen Oper am Rhein
Dramaturgie, Inszenierung, Raum: Hermann Schneider
Kostüme: Danielle Laurent/ Elke Schneider
Licht: Gregor Lücke

I. Leben und Sterben des Heiligen Teufels

Großfürstin: Katharina Wingen
Magd: Taru Sippola
Felix: Ralf Simon
Rasputin: Tuomas Pursio
Frau: Sabine Schneider
Herr: Daniel Böhm
Chor der Verschwörer: Fabrice Dalis, Thomas Laske

II. Der Mann, der vom Tode auferstand

Anführer: Fabrice Dalis
Der Reiche: Thomas Laske
Frauenstimme: Sabine Schneider
Stimme: Franz Klee
Männerchor: Wolfgang Biebuyck, Daniel Böhm, Fabrice Dalis, Ralf Simon

III. Chaplin-Ford-Trott

Chaplin: Wolfgang Biebuyck
Henry Ford: Daniel Böhm
Miss Vera Bancroft: Sabine Schneider
Dorothy (Sie): Sabine Schneider
Jim (Er): Fabrice Dalis
Ein Blinder: Ralf Simon
Ältere Dame: Taru Sippola
Kassenbote: Wolfgang Biebuyck
Junge Amerikanerin: Sabine Schneider
Chor (Sechs Bar-Boys): Wolfgang Biebuyck, Daniel Böhm, Fabrice Dalis, Franz Klee, Thomas Laske, Ralf Simon

IV. Führwahr...?!

Frau: Sabine Schneider
Schutzmann: Ralf Simon
Vater: Thomas Laske
Sohn: Daniel Böhm

V. Die Witwe von Ephesus

Bürgermeister: Ralf Simon
Sie: Katharina Wingen
Er: Fabrice Dalis
Katze: Sabine Schneider
Vier Zylinder: Wolfgang Biebuyck, Daniel Böhm, Thomas Laske, Ralf Simon
Wächter: Wolfgang Biebuyck


Oper der "goldenen zwanziger Jahre"

ALLGEMEINES

Oh, so golden waren sie dann doch nicht mehr, die goldenen Zwanziger, zu der Zeit, als Hartmann seine Mini-Opern komponierte. Im Gegenteil war gerade alles zusammengebrochen am Schwarzen Freitag der Aktien-Börsen. Und so sind die geistreichen hartmannschen Reminiszenzen an die populären Genres der zwanziger etwas schwarz, sarkastisch (man könnte 'bayrisch-sarkastisch' sagen, wenn man an die Gültigkeit der Biographik glaubt) und voll von Seitenhieben auf Gott und die Welt der Zwanziger. Mag es dabei nun um Themen des damals avantgardistischen russischen Regisseurs Eisenstein gehen, um die revuehafte Anordnung der Szenen oder um die Beteiligung an der damals (wieder) neuen Diskussion um Realität oder Fiktion der durch die Medien vermittelten Welt. Wahrhaftig, sehr aktuell, geradezu 'hip', diese Hartmann-Oper, aber schauen wir noch etwas näher hin!

WAS SO PASSIERT

Die Magd, eine echte Frau aus dem Volk, putzt das Parkett des Theaterfoyers, wir drumherum plaziert schauen ihr zu: zu meiner linken Seite dirigiert Francis Corke das auf der anderen Seite der 'Bühne' spielende Orchester, aber auch auf der anderen Seite sehe ich Zuschauer sitzen.

Litaneiartige Lobgesänge auf Rasputin (der Tuomas Pursios wundervollen Bariton besitzt) hören wir aus dem Mund der Magd, mit kräftig-warmer, voller Altstimme intoniert von Taru Sippola, von der ich an diesem Abend gern noch mehr gehört hätte und in Zukunft gern auch hören würde. So ging es mir bei allen Mitgliedern des 'Studio' der Deutschen Oper am Rhein, die zu den glücklichen Bewerbern um einen Platz in der Nachwuchsschmiede zählten. Die Nachwuchssänger und -sängerinnen werden im 'Studio' in Schauspiel, Pantomime, Spezialkursen und Meisterklassen ausgebildet, und sie erarbeiteten zusätzlich diese Inszenierung des 'Wachsfigurenkabinetts'.

Dieses erst 1988, knapp 60 Jahre nach seiner Entstehung und fünfundzwanzig Jahre nach dem Tod des Komponisten uraufgeführte Stück, besteht aus fünf 'kleinen Opern', deren erste nicht nur thematisch, sondern auch stilistisch stark russischen Traditionen verpflichtet ist, sei es die Kirchenmusik oder die von Eisenstein montierten Nacherzählungen der glorreichen Historie.

Nur Abdunkelung trennt die Stücke, die durch elegant eingebaute Wechsel der Requisiten, Personen und Verkleidungen eher als Einheit, denn einzeln präsentiert wurden. Undogmatisch und sinnvoll verwendet die Inszenierung Verfremdungseffekte des Brechtschen Lehrtheaters und setzt damit einen geistreichen Kontrapunkt zu der naiven Unmittelbarkeit des 'Reichen' (überzeugend: Thomas Laske), der aufgrund des Radioberichtes von der Revolution schon glaubt, erschossen zu werden. Zu dieser Mini-Oper mit dem an Edgar Wallace-Krimis erinnernden Titel komponierte Hartmann einen tollen Klavierpart, bravourös vorgetragen von Osia Toptsi (hoffentlich stimmt der Name, das war leider nicht genau angegeben).

'Chaplin-Ford-Trott' war das längste Stück des Abends, bestehend aus mehreren revuehaft aneinandergereihten Szenen und zusammengehörig nur aufgrund der gemeinsamen Assoziationsgrundlage 'Charly Chaplin' und 'Henry Ford', die in manchen Szenen sich auch in persona feiern ließen. Dafür fand ich hier die klarste Form: jeweils im Dreivierteltakt vertonte Hartmann Kurzfassungen typischer Chaplin-Geschichten, einer unglaublich kitschigen und einer von den dunklen Seiten des Lebens erzählenden. Sabine Schneider beherrschte mit ihrem kontrollierten und farbenreichen Sopran sowie wandelfähigem Spiel als 'Miss Bancroft', als 'Sie' und als 'Junge Amerikanerin' diese Exkurse. Vor diese geschlossenen Episoden waren lose Szenen über und mit Ford (Daniel Böhm) und Chaplin (mit tollem Bass: Wolfgang Biebuyck) geschaltet, durch die man sich - vergeblich nach Erzählsträngen suchend - einfach tragen lassen mußte. Eben Revue! Ein musikalisches Bonbon: der A Cappella Männerchor. Davon gab es mehrere, doch diese Mischung aus Hindemith und Comedian Harmonists hatte besondere Klasse.

Das von Hans Werner Henze nachbearbeitete vierte Operlein führte uns in eine pikante Situation : zwei Männer stehen vor der Tür derselben Frau und wollen hinein. Beide enthüllen aber bald nicht nur ihre eigene intellektuelle Inkompetenz - sie sind nämlich sturzbetrunken -, sondern auch die des herbeigerufenen Wachmanns, der keine Lösung weiß und lieber mit der Frau flirtet. Schließlich kommt doch heraus, daß es... - naja, ich sag nix, 'honi soit qui mal y pense' jedenfalls.

Leider ließ die Textverständlichkeit manchmal zu wünschen übrig; dies fiel mir in 'Führwahr...?!' schon auf. Dort hatte ich es allerdings der etwas dicken Instrumentation zugeschoben, die Akustik des Duisburger Theaterfoyers ist auch nicht so ideal. Meist glich auch das pantomimisch ausgefeilte Agieren der Protagonisten Textunklarheiten leicht aus. Doch die Geschichte der Epheser Witwe, die ihren Mann begräbt und sich vom Galgen einen neuen pflückt, hätte mich auch schon en détail interessiert, wegen der angeblich enthaltenen Sozialkritik und weil nicht viel passiert außer einigen Diskussionen um Lebensplanung, während der verblichene Gatte wieder ausgebuddelt wird, um die Lücke am Galgen zu füllen.


Fazit

Liebes Publikum, Du hast nur noch eine Chance, den experimentellen Ausflug in die zwanziger Jahre mitzumachen; da würde ich an Deiner Stelle schon noch hingehen (21.5.!), wenn man diese unkonventionelle Art der Oper mag.
Deine Vorteile: es kommt keine Langeweile auf, und man sieht sehr gute bis hervorragende junge Akteure, sehr gute Ensemblearbeit und eine interessante Inszenierung.

Sollte dies hier aber ein Agent oder Intendant lesen, empfehle ich, diese 'Kofferproduktion' fix als Attraktion für die nächste Spielzeit zu buchen, solange die Künstler noch für nicht allzuviel Geld zu haben sind (0211-8908-214, Frau Fromm). Vielleicht werden Sie ja den einen oder die andere gleich an Ihrem Haus behalten wollen...


Weitere Aufführungen

21.5.1997, Foyer des Duisburger Theaters, 20.00 Uhr



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