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West Side Story

nach einer Idee von Jerôme Robbins
Buch von Arthur Laurents
Musik von Leonard Bernstein
Songtexte von Stephen Sondheim
Deutsche Übersetzung von Marcel Prawy

Premiere im Theater Krefeld
am Samstag, 25. Januar 1997

Besetzung
Rezension
Fazit
Fotos
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von Annette van Dyck


Besetzung

Musikalische Leitung: Kenneth Duryea
Inszenierung: Ralf Milde
Choreographie: Michael McClain
Bühne und Kostüme: Harald Stieger
Dramaturgie: Ulrike Gondorf

Tony		-	Markus Heinrich
Maria		-	Hale Al.Orfali
"Doc"		-	Horst Schily
Riff		-	Michael Frowin
Bernrado	-	Augustus Damian
Anita		-	Anne Mandrella
Action		-	Marc Schönhoff
Chino		-	Csaba Kvasz
Velma		-	Mersiha Imerova
Die Niederrheinischen Sinfoniker



Haben sie schon mal in New York City auf dem großen Platz des Lincoln Center of Performing Arts gestanden, da am Brunnen? Von dort aus hat man einen Blick auf die Metropolitan Opera, auf den Konzertsaal der Alice Tully Hall und das New York State Theatre mit der Bühne des New York City Ballet. Schräg hinten befindet sich die Juilliard School und die Library of Performing Arts mit einem berühmten Bestand an Briefen von Felix Mendelssohn-Bartoldy und anderen Kostbarkeiten aus der westeuropäischen Kulturgeschichte.

Diese Gegend, um die 59th West herum, gehörte noch vor 40 Jahren zu den gar nicht so feinen Vierteln der West Side: dort, wo Anfang der Sechziger alles abgerissen und planiert wurde, um einen der hohen Kunst gewidmeten Gebäudekomplex zu errichten, wohnten in heruntergekommenen Blocks schlecht gestellte New Yorker, vor allem viele Puerto Ricaner, die durch die Bodenreform Anfang der 40er in Puerto Rico arbeitslos geworden und in die Staaten - das hieß: nach New York - ausgewandert waren.

Die Straßen um die 59th waren als unsicher und von Bandenkriegen heimgesucht bekannt, und sie hatte sich Bernstein als Vorbild für die Situation gewählt, in der Toni und Maria sich kennenlernen und die West Side Story erleben. Aber die Geschichte aus dem Westen New Yorks ist vor allem deswegen so stark, weil ihre Regeln zumindest seit Shakespeares 'Romeo und Julia' allgemein bekannt sind und ihre 'realistischen' Elemente wie Unbedachtheit und Übermut der Jugend, Gefühle von Leidenschaft und Liebe und das verdammte Nicht-Ineinander-Passen der Pläne einzelner in die Situation aller uns alle schon mal irgendwie innerst berührt haben.

So ein Stück kann auch auf leerer Bühne gespielt werden, es überzeugt trotzdem durch seine Dramatik und seine ins Geschehen verwickelten Figuren. Und genau das war es, was die Krefelder Inszenierung bot.

Metallgestelle mit Strahlern zu beiden Seiten des Schauplatzes war zumeist alles, was wir sahen, manchmal eine Art Leitungsrohr, auf das die Jets sich flegelten, mal eine unverkleidete Treppe mit Balkon, mal ein Bett oder ein paar Schaufensterpuppen. - Bis hierher nichts für's Auge. Nur durch die Kostüme und wenn die neue Krefelder Lichtanlage zum Einsatz kam - und dazu gab es genug Gelegenheit - kam Farbe ins Bild.

Ralf Milde stellte weise die handelnden Figuren sehr in den Mittelpunkt, sobald Requisiten in den Vordergrund gerieten, wurde es leicht dümmlich: völlig unnötig schien die rasante Fahrt Maria auf ihrem Bett zu 'I feel pretty'; kein Wunder, daß die Einsätze des Chores daneben gerieten, da sie so damit beschäftigt waren, Maria hin und her zu schieben... Dergleichen Szenen gab es glücklicherweise nur sehr wenige; was aber einige Zuschauer und mich sehr aufgebracht hat, war die Inszenierungsneuheit, in die Geschichte eine Art Erzähler einzubauen - im Programm "Doc", auf der Bühne "Shakespeare" genannt -, der uns und die Figuren mit eingepassten Shakespeare-Zitaten, Verallgemeinerungen, moralischen Anwürfen und Beschimpfungen langweilte. Jaja, mag ja sein, wir würden die gesellschaftskritische Brisanz des Stoffes völlig übersehen ob der schönen, traurigen Liebesgeschichte, aber andererseits sorgt die Geschichte schon selbst für das nötige Input z. B. in der Razzia-Szene, wenn vor Officer Krupke alle Entschuldigungen für die Schlechtigkeit der Jugend auf's Korn genommen werden. Ziemlich unerträglich ist dieser besserwisserische apokalyptische Unterton, der aus dem Ganzen ein (Be-)Lehr-Theater machen will und sich dabei nur in dramaturgischer Schizophrenie verfängt, wenn er alles weiß und die Geschichte doch nicht ändern kann, wenn er den Zuschauern predigen und sie doch eigentlich hinauswerfen will.

Aber was verliere ich soviele Worte um diese Marginalität; geheult habe ich trotzdem über die Tragik der Verwicklungen und besonders in der dramatischen Szene zwischen den beiden Frauen Anita und Maria, meine Lieblingsszene. Aber das lag eindeutig an den Interpreten.

Ein ausdruckstarke Anne Mandrella (Anita) und eine zum Dahinschmelzen sanfte Hale Al.Orfali (Maria), ein sympathischer und stimmbegabter Markus Heinrich (Tony) zwangen ebenso zum Zuhören wie die gegensätzliche Bewegungscharakteristik der mit stilisierter Pantomime agierenden Michael Frowin (Riff) und Augustus Damian (Bernardo) appellierte hinzuschauen. Die beiden letzteren konnten zudem singen - bei weitem keine Selbstverständlichkeit zumal bei einem Ballettänzer wie Auguste Damian - und besaßen in ihren 'Jets' und 'Sharks' einen angemessenen Hintergrund. Da habe ich in bekannteren Häusern schon wesentlich Schlechteres gesehen. Noch verbesserungswürdig scheint mir die Präzision der Choreographien in einigen Szenen, doch wen stört das bei der Premiere.

Die Niederrheinischen Sinfoniker unter Leitung von Kenneth Duryea schufen mit punktgenauen Einsätzen und spannungsreichem, tempogeladenem Spiel eine dichte musikalische Atmosphäre - hier wurde der Vorteil, den das Musical gegenüber dem Schauspiel bietet, voll ausgeschöpft.

"Mama, das könnte ich mir tausendmal reinziehen", sagt doch der Kleine, kurz bevor er in Mamas Auto steigt. - Recht hat er unserer Meinung nach, und deshalb bekamen auch die Interpreten viel Applaus und der arme "Shakespeare" (Horst Schily) unberechtigterweise Buh-Rufe, denn er hatte ja auch nur seine Pflicht getan.




Fazit

Wenn Du geschwiegen hättest, Doc Shakespeare... - dann hätte ich mich nicht so aufgeregt... Personenführung und Choreographien sind wirklich gut durchdacht, man hat gute Sänger und Schauspieler verpflichtet, und die Geschichte lohnt eigentlich immer. Also: Ohren auf Durchzug während der Predigt und trotzdem da sein!


Fotos
(von Matthias Stutte)



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