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Le Grand Macabre


Oper in zwei Akten (4 Bildern)

Text von Michael Meschke und György Ligeti
frei nach Michel de Ghelderodes
Musik von György Ligeti

Premiere an den Städtischen Bühnen Münster
am 23.2.1997

Besetzung
Rezension
Fazit
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Von Meike Nordmeyer



Besetzung

Musikalische Leitung: Will Humburg
Inszenierung: Dietrich Hilsdorf
Bühnenbild: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Choreinstudierung: Peter Heinrich

Nekrotzar			-	Willem Laakmann
Astradamors			-	Peteris Eglitis
Mescalina			-	Suzanne McLeod
Spermando			-	Katharina von Bülow
Clitoria			-	Caroline Thomas
Piet vom Faß			-	Mark Bowman-Hester
Das Kind			-	Clara Kalus /Vicky Tsihlis
GoGo				-	Reiner Beinghaus
Der Minister (rot), Schakal	-	Christian Fries
Der Minister (gelb), Geier	-	Burkhart Siedhoff
Gepopo				-	Dominique Lepeudry
Ein General, Ruffiak		-	Donald Rutherford
Ein General, Schobiak		-	Jari Saarman
Ein General, Schabernak		-	Mark Coles
Venus				-	Eva Lillian Thingbo

Symphonieorchester der Stadt Münster
Chor und Extrachor der Städtischen Bühnen Münster
und Mitglieder des Chores des Musikvereins der Stadt Münster



Verfehlter Weltuntergang im bundesdeutschen Wohnzimmer
Hilsdorf inszeniert "Le Grand Macabre" in Münster

Ein besonderes Markenzeichen von Hilsdorfs Inszenierungen besteht darin, das Publikum mitten hineinzuziehen in das Geschehen. Dies Unternehmen beginnt diesmal bereits mit der Autohupen-Ouvertüre, sie ist im Foyer zu hören, während das Publikum noch die Mäntel in den Schränken verstaut. Ebenso läutet schließlich das Vorspiel zum dritten Bild, das von zahlreichen Weckern intoniert wird, bereits im Foyer, bevor die Pause recht zu Ende ist. Der bezeichnende Einstieg in die Inszenierung wird gar nicht von allen bemerkt.

Auch während der Vorstellung geht alles nicht recht in gewohnter Ordnung zu. Der Chor tritt in den Zuschauerraum, drängt durch die Sitzreihen, und Nekrotzar verkündet den Weltuntergang mitten im Publikum. Musiker laufen derweil spielend über die Bühne, Trommler überraschen das Publikum rücklinks. Bei diesen über die Bühne hinausgreifenden Ideen kam jedoch der Komponist dem Regisseur bereits sehr entgegen, denn die ungewohnte Plazierung des Chors, die umherlaufenden Musiker gibt Ligeti bereits in seinen detailierten Regieanweisungen vor. Viele weitere genaue Angaben zur Personenführung finden sich dort, immer mit der Aufforderung zur slapstikhaften Gestaltung. Auch markante Requisiten der Inszenierung werden schon von Ligeti festgelegt: die Trompete, die Sense, die Sanduhr und das große Schaukelpferd. Hilsdorf ist also schon reichlich Material vorgegeben, an das er sich hält, und mühelos spinnt er die Vorgaben weiter. Herrlich albern setzt er in Szene, was der eben herrlich alberne, klappernde Text der Oper vorlallt.

Der große Makabre, Gesandter vom Reiche des Todes und in seiner Funktion Weltuntergangsverkünder, tritt aus der Wanduhr, die doch verblüffende Ähnlichkeit mit einem Sarg hat. Chic ist Nekrotzar als Skelett im Anzug. Mit seinem weißen Gesicht erinnert er auch an einen Harlekin, aber vor allen an Mephistofeles, wie ihn Gründgens einst spielte.

In einem großen, biederen Wohnzimmer von wohlhabender Familie spielt sich die ganze Geschichte ab. Die Einrichtung ist in den Farben der Bilder Breughels gehalten, auf einem riesigen Vorhang ist der "Triumph des Todes" des Malers zu sehen. Ein schlichter Schriftzug am oberen Bühnenrand verkündet die Befindlichkeit des Zimmers im Breughelland. Eine Familie sitzt am Tisch. Das kindliche Liebespaar verzieht sich recht bald zum erotischen Spiele unter den großen Eßtisch. Der Rest der Familie trinkt kräftig weiter, liebt und malträtiert sich auf perfide Art.

Dargestellt werden die Personen von einem hervorragenden Ensemble. Die Sänger zeigen eine enorme Sprech- und Spielleistung neben der ohnehin schweren Partie, die sie gesanglich souverän bewältigen. Willem Laakmann gibt mit seiner überzeugenden Bühnenerscheinung und der kräftigen stimmlichen Gestaltung eine eindrucksvolle Titelfigur. Das Orchester entwickelt die effektvolle, originelle Musik der Oper äußerst präzise und zupackend. Es vermag intensive Klangbilder und Stimmungen plötzlich hervorzulocken.

Nach der Pause läßt es sich Hilsdorf nicht nehmen, mit dem dritten Bild das Geschehen eindeutig in die BRD zu verlegen. Die Minister, im Libretto als schwarz und weiß angegeben, sind bei Hilsdorf ein roter und ein gelber Minister, der Prinz GoGo ergänzt das Schwarz dazu. Die drei disputieren vor dem Bundesadler, ihr Geplapper wird vom Regisseur um aktuelle Anspielungen ergänzt. Im Fernsehen ist der Bundestag mit Kanzler zu sehen, auch die Grundrechte werden eingeblendet: Fressen, Ficken, Fernsehen.

Der Prinz GoGo, im Libretto als junger hilfloser Fürst beschrieben, ist ein Verwandter des schwermütigen Leonce, des Prinzen von PoPo aus Büchners Lustspiel. In unserer Inszenierung hingegen ist GoGo eher betagt und nicht ganz hilflos, aber herrlich enerviert und ungeschickt - grandios dargestellt von Reiner Beinghaus. Augenrollend stimmt er den Vorschlägen der Minister zu, um seine Ruhe zum Essen zu haben. Denn erst kommt das Essen, so konstatiert er - man ergänze sich Brecht. Ausdrucksstark in Szene gesetzt und hervorragend ausgeführt von Dominique Lepeudry wird auch Gepopo, der Chef der Geheimen Politischen Polizei. Gepopo kündigt dem Fürsten die Gefahr des Weltunterganges an. Diese naht auch bald heran. Schon donnert und blitzt es, die Erde rappelt, selbst der Schriftzug von Breughelland bebt. Die Buchstaben purzlen, ach weh, nur einzelne bleiben zurück, ein B und ein R und da auch noch ein D sind nur noch da - soweit ist es schon gekommen. Nekrotzar indesssen, schwer bezecht mit seinen Kumpanen, hat fast seinen Auftritt verpaßt. Er versucht noch schnell seinen Weltuntergang in die Wege zu leiten. Er befiehlt und befiehlt, doch nichts geschieht. Hier auf einmal, nach dem ganzen Tumult sieht man einen verzweifelten, lächerlichen Alten, es bricht eine leise, bittere Stimmung auf.

Nun donnert und blitzt es aber doch, aber ohje, der Komet saust vorbei. Es zischt energiegeladen, und ein Kreuz saust auf die Erde, mitten auf den Eßtisch - Nekrotzar sinkt zusammen. Hier zitiert der Regisseur sich augenzwinkernd selbst. Mit einem solchen zur Erde schnellenden Kreuz ward bei ihm unlängst das Schicksal des Don Giovanni besiegelt. Der Hinweis auf Don Giovanni kommt jedoch nicht von ungefähr, denn die Oper Ligetis wird ebenso wie Mozarts Werk schließen mit einem Sextett der Überlebenden, die das Geschehen wohlgemuts kommentieren.

Nekrotzar ist auf jeden Fall völlig in sich zusammengesunken, hängt leblos auf seinem Schaukelpferd. Das Orchester entwickelt indessen stimmungsvolle Musik. Das Publikum lauscht gebannt auf die Ruhe nach dem ganzen Aufruhr. Die Oper ist nun noch lang, die Spannung aber kann die Inszenierung auch nach den grandiosen Höhepunkten noch mühelos halten. Das Publikum hat sie ganz für sich gewonnen. Dieses nimmt auch stehend an der Schweigeminute für das vermeintlich verendete BReughellanD teil. Allmählich erkennen jedoch dann die Breughel-Bürger, daß ihre Welt gar nicht untergegangen ist - was tuts, da räumt man halt ein wenig auf. Verhaltene Fröhlichkeit, fast tänzerische Stimmung will sich verbreiten. Schließlich sitzt die Familie wieder am Tisch wie je zuvor.

Das Publikum ist nach den hautnah miterlebten Aufregungen um den drohenden Weltuntergang schwer begeistert. Mit frenetischem Beifall feiert es nun alle Beteiligten der Aufführung.




Fazit

Die selten gespielte Oper von Ligeti wird in Münster in bestmöglicher Ausführung geboten, so kann man wohl sagen, wenn Regisseur und Bühnenbildner, Sängerdarsteller und Orchester so außerordentlich hohe Leistung erbringen und zur Symbiose finden.




Fotos




Weitere Aufführungen

März: 1., 7.


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