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The Black Rider
(The Casting of the Magic Bullets)

Musical von Robert Wilson, Tom Waits
und William S. Burroughs

Premiere an den Städtischen Bühnen Münster
am 18. Oktober 1997

Von Jens Wolff / Fotos von Michael Hörnschemeyer


Von abfärbenden Programmheften und einem Höhepunkt der Musicalsaison...

Das einzige, was mich an diesem Abend störte, war das Programmheft, das zwar inhaltlich sehr informativ und ansprechend war, aber leider doch stark abfärbte, so daß ich das Haus mit grünen Händen verlassen habe.

Wenn ich den Black Rider der letzten Saison in Gelsenkirchen schon ziemlich gut fand, so bleibt mir bei der Münsteraner Inszenierung nichts anderes übrig, als die volle Punktzahl zu vergeben. Eine äußerst schwungvolle und witzige Inszenierung mit sehr guten schauspielerischen und gesanglichen Leistungen läßt dieses Stück zu einem Höhepunkt der Musicalsaison avancieren.

Vor einem ausverkauften Haus wurde die Geschichte des „Freischützes“ a la Carl Maria (von) Weber inhaltlich sehr ähnlich, aber inszenatorisch und musikalisch völlig neu erzählt. Wenn das Käthchen den Buchhalter Wilhelm liebt, der Vater des Mädchens aber lieber einen Jäger zum Schwiegersohn hätte, ist der Ärger schließlich vorprogrammiert. Wilhelm will aus Liebe den Probeschuß, der ihn in den Augen des Vaters qualifiziert, wagen, gerät aber aus Angst vor dem Versagen an den Teufel, der mit ihm Freikugeln gießt. Diese Kugeln suchen sich ihr Ziel aber selber, so daß Wilhelm sein geliebtes Käthchen tötet. Daraufhin wird er in ein Irrenhaus eingeliefert, in dem er schließlich qualvoll stirbt.

MÜNSTER: The Black Rider Im Gegensatz zu der Gelsenkirchener Aufführung des Black Rider ist die Musik hier doch etwas gefälliger arrangiert, so daß der Zuschauer sich nicht immer wieder auf eine völlig neue Stilrichtung einstellen muß. Der Komponist Tom Waits sorgt schon ausreichend für Abwechslung, in dem er einen Rundumschlag der Musik der 20er bis hin zu recht modernen Tönen durchführt.

Haben sich bei der „Ouvertüre“ doch zu meiner Linken und Rechten einige Gesichter aufgrund der nicht gerade harmonischen Melodienführung verzogen, so wurde das Publikum bereits direkt danach wieder entschädigt. Gute und sehr gute gesangliche Leistungen erhöhen hier das Hörvergnügen in besonderer Weise. Explizit möchte ich hier Dominique Lepeudry als Käthchen erwähnen, die trotz einer schweren Erkältung eine äußerst akzeptable Leistung bot.

Aber auch die Band, sie spielte dynamisch und schwungvoll, sehr gut abgestimmt; selbst das Schlagzeug, sonst das größte Problem im Orchestergraben und eigentlich immer zu laut, fügte sich hervorragend in das musikalische Gesamtbild ein. Mit Singender Säge und „Wachtelrealisator“ hatten wir hier nicht gerade eine klassische Besetzung, was der Musik des Stückes jedoch sehr gut tat.

MÜNSTER:  The Black Rider Durch häufig komische Einfälle wurde das Publikum trotz der leicht esoterischen Handlung immer bei der Stange gehalten. Die Inszenierung hebt sich deutlich von der Gelsenkirchener Version ab, indem die Handlung trotz skurriler Gestalten und Szenen stets verständlich bleibt. Das Bühnenbild ist schnell aus einer großen Rückenwand und drei Särgen aufgebaut, die sehr gut in den Verlauf der Geschichte integriert sind. Während ein Sarg als Schreibpult dient, sorgt ein zweiter für Verwirrung, und der dritte ist die Heimat von Kuno, dem Urahn, der vor vielen Jahren auch einen Pakt dem Teufel eingegangen war und erst Frieden finden kann, wenn ein anderer Mann dem Teufel verfällt.

Gunnar Schmidt führte das bunt gemischte Publikum in hervorragender Weise durch die Handlung, in dem er die Figuren auf der Bühne dirigierte, zu lange Sentenzen mit einem barschen „Thank you!“ unterband. So stand er häufig im Mittelpunkt der Handlung und sammelte letztendlich auch den meisten Beifall.

Der Teufel Stelzfuß, dargestellt von Timo Tank, wirkte zwar verdorben, aber niemals unsympathisch, und auch – zur Freude des Publikums – geistig nicht immer ganz auf der Höhe, besonders dann wenn der Erzähler mit ihm umsprang.

Wolfgang Theis als Wilhelm brachte das Publikum in seinen Ausbrüchen schierer Verzweiflung ganz auf seine Seite, Dominique Lepeudry als Käthchen spielte ihre Rolle ebenso gut, allerdings mit dem Unterschied, daß diese Rolle letztendlich doch nicht mehr als eine Nebenrolle ist. Gleiches gilt auch für Jürgen Wink und Marina Schütz als Försterehepaar, das der Handlung Fülle und Umrahmung gab. Ulrike Rehbein als Brautjungfer und Oliver Fröbe als Urahn Kuno, sorgten mit ihren Auftritten besonders für fröhliche Unterhaltung. Burkhart Siedhoff als Wilhelms Nebenbühler Robert fügte sich ebenso reibungslos in das Geschehen ein.

The Devil’s Creatures bestachen in ihren Tanzeinlagen. Aber auch die Band war in die Dramaturgie des Black Rider eingebunden. Sie hatte direkt am Anfang ihren Auftritt, als sie den Orchestergraben in besonderer Weise über die Bühne betrat und auch als Hasen das Ziel für Wilhelm darstellten.

Das Publikum ging so nach zweieinhalb Stunden Aufführung und lang anhaltenden, frenetischen Beifall begeistert nach Hause.


FAZIT:

In dieser Form dürfte dem Black Rider ein langes und erfolgreiches Leben auf den deutschen Bühnen beschieden sein. Wenn ich bei der Gelsenkirchener Aufführung empfehlen konnte, dieses Stück zu besuchen, so ist der Besuch der Münsteraner Städtischen Bühnen eine absolute Pflichtveranstaltung. So wurde ich schon seit langem nicht mehr unterhalten und verstanden habe ich überdies auch noch alles. Also: Hingehen und anschließend Hände waschen!


Logo: Städtische Bühnen Münster

Musikalische Leitung
Udo Herbst

Regie
Donald Berkenhoff

Ausstattung
Alois Gallé

Choreographie
Paula Lansley

Dramaturgie
Franz Huber, André Meyer


Solisten

Stelzfuß / Georg Schmidt
Timo Tank

Bertram, der Förster
Jürgen Wink

Anne, die Mutter
Marina Schütz

Käthchen, deren Tochter
Dominique Lepeudry

Wilhelm
Wolfgang Theis

Brautjungfer
Ulrike Rehbein

Kuno, der Urahn
Oliver Fröbe

Erzähler / Wilhelms Onkel
Gunnar Schmidt

Robert
Burkhart Siedhoff

The Devil’s Creatures
Melanie Baumanns
/ Reina Waissi
Florenza Ellis-Pizanis
Hilton Ellis
Andreas Schnitz



The Devil’s Rubato Band

Saxophon / Klarinette
Christoph Böing

Posaune
Helmut Buntjer

Piano
Johannes Dolzenich

Gitarre
Udo Herbst

Bratsche / Singende Säge / Vocals
Almuth Hischemöller

Wachtelrealisator
Bernd Kortenkamp

Marimbaphon / Orchesterpercussion
Altfrid M. Sicking

E-Baß
Michael Soll










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