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WUPPERTAL: Gräfin Mariza-Programmheft Gräfin Mariza
Operette in drei Akten
Libretto von Julius Brammer und
Alfred Grünwald
Musik von Emmerich Kálmán



Premiere des Schillertheaters NRW - Musiktheater
im Opernhaus Wuppertal
am 27. September 1998

Von Margot Leins / Fotos von Rudolf Finkes



Die gute Wahl: Die Mariza im Zeitalter des Klopfsaugers


Der Vorhang hebt sich und der Anblick des im 50er-Jahre-Design gestalteten Bühnenraumes ruft in mir Erinnerungen an ein kleinstädtisches Kurtheather-Foyer wach.
Genau in einem solchen Ambiente baut sich meine Erwartungshaltung in Richtung Operette auf - scheint mir speziell diese 'passend'. Gleich wird sich ein weiterer Vorhang öffnen, buntbebänderte Frauen und Männer in folkloristischen Kostümen und sehnsuchtsvolle Csárdásmelodien werden fiebrige Puszta-Phantasien heraufbeschwören. 'Mach Signal, Andi!', hauche ich, indem ich auch noch einen Gedanken an Piroschka verschwende... (Mehr als Klischees kann ich mit diesem Sujet - Probleme und Sehnsüchte des ungarischen Adels zu Beginn des Jahrhunderts, verpackt als "leichte, heitere, witzige, hübsch angezogene und nett klingende musikalische Komödie" (so der Anspruch Kálmáns) - nunmal nicht verbinden. Können Sie ?)
Doch es kommt - Gott sei Dank - anders !
In Wuppertal muß sich der Zuschauer nicht völlig von seiner Wirklichkeit lösen, sondern darf gleichzeitig in der eigenen Vergangenheit (vielleicht der Zeit früherer, ungebrochener Begegnungen mit der Gattung Operette ?) schwelgen. Die Puszta bleibt zwar 'draußen', geht aber - allein durch die Musik - nicht verloren. Durch diesen 'Trick' fühle ich mich dem - z.T. abstrusen - Geschehen auf der Bühne schon näher. Ist hier gar eine Neubelebung der Operette durch die kult-verdächtige 50er-Jahre-Brille parallel zum Schlager-Revival unter der 70er-Jahre-Optik intendiert ?

Die Mariza und ihre Gäste sind konsequent im Stil der 50er gekleidet; die Ausstattungsdetails (von den ebenso formschönen wie unbequemen Klappsitzen der alten Bundesbahn, über Cocktailsessel, Nierentisch bis zu den Übertöpfen der Zimmerpflanzen) lassen vermuten, daß die Kostüm- und Bühnenbildnerin Heidrun Schüler ihre Freude hatte bei den Recherchen.
Farblich wird dem Zuschauer da einiges zugemutet: Zu den gedämpften, eher dunklen Tönen der Wände trägt die Gräfin eine knallrote Satin-Robe, die Damen des Chores erscheinen in Pastelltönen und der in Neonfarben gehaltene Vorhang, der an die zeitgenössische amerikanische Farbfeldmalerei erinnert, treibt das Farbspiel an die Grenzen des Erträglichen. Schrill - aber passend !

Choreografische Elemente verstärken das augenzwinkernde Regie-Konzept: Anke Sieloff als hellsichtige Manja wagt etwa ein Tänzchen mit einem 'magisch' gesteuerten Hoover-Klopfsauger; die Mariza und ihr vermeintlicher Verlobter Zsupán halten gekonnt die Balance zwischen einem Tänzchen und Kampfringen.
Schade, daß der musikalisch erfreuliche, an entsprechenden Stellen stimmgewaltige Chor des Musiktheathers Geslsenkirchen meist nur dekorativ herumstehen oder -sitzen darf.
Thomas Piffka spielt den Tassilo mit komödiantischem Gespür. Sein Ohrwurm-Csárdás "Komm, Zigany" vermag nicht nur die Mariza zu betören.
Claudia Visca verkörpert die Gräfin sehr glaubwürdig: mal gibt sie sich zickig, mal charmant. Leider waren Forte-Stellen - zumal in den Höhen - durch ein metallisch-klingendes Vibrato nicht immer ein Genuß.
Florian Simson, der für den erkrankten Arthur Friesen als Baron Zsupán einsprang, bewies nicht nur komisches Talent, sondern vermochte durch seinen strahlenden Gesang sogar dem dubiosen Ort 'Varasdin' (nebst der Aussicht auf 18 000 Schweine) einen gewissen Reiz zu verleihen. Joi !
Simon Rekers führte das Wuppertaler Sinfonieorchester temperament- und gefühlvoll durch die Partitur: Aus dem Orchestergraben sprang eins ums andere Mal madjarisches Kolorit über.

Im letzten Akt lösen sich erwartungsgemäß alle Mißverständnisse und Probleme; damit sich die Richtigen 'kriegen', schwebt Tassilos Tante theaterwirksam als Dea ex machina auf einem überdimensionalen Porzellanteller ein.
Der Vorhang fällt, und ich finde mich stillvergnügt auf einem ebenso formschönen wie unbequemen Klapp-Sitz des Wuppertaler Opernhauses wieder. (Ähnlichkeiten mit 'lebenden' Objekten sind aber sicher rein zufällig...)



FAZIT:

Die Mariza im 50er Jahre Ambiente darf als ein gelungener Versuch angesehen werden, die Operette dem heutigen (auch jüngeren) Publikum näherzubringen. Unverdrossene Puszta-Puristen kommen dabei immer noch musikalisch auf ihre Kosten.

Logo: Schillertheater NRW

Musikalische Leitung
Simon Rekers

Inszenierung
Torsten Schröder

Bühne und Kostüme
Heidrun Schüler

Choreografische Mitarbeit
Bennie Voorhaar

Choreinstudierung
Nandor Ronay

Dramaturgie
Oda Mahnke

Solisten

Gräfin Mariza
Claudia Visca

Fürst Moritz Dragomir Populescu
Georg Hansen

Baron Koloman Zsupán
Florian Simson

Graf Tassilo Endrödy-Wittemburg
Thomas Piffka

Lisa, seine Schwester
Sabine Schnitzer

Tschekko, ein Diener Marizas
Waldemar Mauelshagen

Fürstin Bozena Cuddenstein zu Chlumetz
Juliane Meyerhoff

Penizek, ihr Kammerdiener
Walter Theil

Manja
Anke Sieloff

Ilona
Birgit Brusselmans



Chor und Extrachor
des Musiktheaters Gelsenkirchen

Sinfonieorchester Wuppertal




Weitere Aufführungen

November '98:
21.

Dezember '98:
6. (16.30 Uhr),
31. (15.30 und 20.00 Uhr)



Foto: WUPPERTAL/Gräfin Mariza

Ein Hauch von Glamour liegt
in der Luft um die Gräfin
und ihren Verwalter Tassilo.
Doch wo ist die Zigarettenspitze ?




Foto: WUPPERTAL/Gräfin Mariza

Beim Sesselballett kommt man
sich näher...




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