Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Leichtes Spiel mit Gott und Schlange
Von Heike Schumacher
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Fotos von Ludwig Koerfer
Der Aachener Aufführung kann man ansonsten nichts vorwerfen, sie hat aus dem Stück herausgeholt, was zu holen war. Das Bühnenbild ist einfach und stimmungsvoll und kommt ohne aufwendige Umbauten aus: Eine Pappmaché-Schlange windet sich als Laufsteg um die Bühne und der Schlangenkopf hängt zischelnd über dem Publikum, im Hintergrund die Silhouette von Rio. Das Meer wird angedeutet durch einen knisternden, transparenten Vorhang, Innenräume kommen als kleine Stellwände vom Bühnenhimmel, bei den großen Tanzszenen wird die beleuchtbare Showtreppe herein gefahren. Nur die Lichtregie von Eduard Joebges ist wenig differenziert und ließ kaum die Tageszeiten erahnen. Dagegen waren die Kostüme (Heike Betz und Gabriele Jacobi-Sliwinski) phantasievoll kunterbunt oder elegant, die Abendroben der Nachtclubdame Rosa ebenso wie die opulenten Karnevalskostüme - man denke nur an die Tortendamen oder die Schlangentänzer. Louis Lay als Adam und Nadine Hammer als Eva sind ein Musical-Paar, das noch viele Möglichkeiten hat und hier auf die naive Rolle beschränkt wurde. Etwas Probleme bereitet ihnen noch das saubere Duett-Singen, ansonsten füllten sie ihre Rollen gut aus. Das Euregio Tanz Forum begeisterte ebenso wie im letztjährigen Musical des Theaters Aachen. Jochen Ulrich hatte für seine choreografische Arbeit in diesem Musical auch mehr Raum, den er gut zu nutzen verstand. Auch der Musical Band Julian Sieben ist der fehlende musikalische Pep nicht anzulasten, sie spielte präzise und schwungvoll. Bis zur Pause geht es aufwärts, von seichter Sommerstimmung am Strand von Rio zum ersten großen Höhepunkt, dem Auftritt des Joachim Schweizzer als Alvarez. Im gekonnt satirisch-bissigem Spiel präsentiert er seine Weltsicht als Lebemann im aparten Wechsel mit dem skurillen Diener Pepito (Miklós Horváth). Hier haben die Worte Biss und ihren richtigen Ausdruck. Der zweite Höhepunkt ist dann der Auftritt von Martin Moss als Gabriel, Partner des Alvarez, der nach einer langen Europareise die Wiederkehr ins heimatliche Rio mit einem großen Performance-Auftritt feiert ("Warm, endlich warm"). Witzig und leicht auch seine Tändelei mit seiner neuen Liebe Konrad (Norbert Conrads), dem Milkshake-süffelnden Riesenbaby, ebenso stark wie schön und bibelfest wie einfältig. Hier läuft das Musical zu einer großen Satire auf die eigene Form auf. Die Schlussszene vor der Pause, in der Alvarez als Gott, den er nun im Karneval verkörpern will, Adam und Eva aus dem Paradies wirft, ist hinreißend witzig und schmissig. Der Teil nach der Pause dagegen hat zwar vereinzelt gute Szenen, ist aber insgesamt dramaturgisch wenig gelungen und übertrieben um Tiefgang bemüht, den er doch nicht erreicht. Gut werden die Szenen durch die Leistung der Darsteller: Gott Alvarez und die Schlange Rosa. Annika Bruhns als Miss Gomorra, das ist Musical, Revue, Zarah Leander und West Side Story zugleich - umwerfend. Der Weltuntergangssong "Auf der Arche ist was los" und die dazugehörige Arche-Noah Besatzung im Titanic-Outfit ebenfalls eine glänzend satirische Szene, die das Motto: "ein Weltuntergang ist doch mit Hummer am besten zu ertragen" gekonnt in Szene setzt. Aber: Die Bekenntnisse, die nun Alvarez und Rosa abverlangt werden, ihre gemeinsame Schuld, die darin besteht, ihren idealistischen Sohn nicht von seinem Weg der Weltverbessserung auf den eigenen Weg der Mafia gebracht zu haben - dies alles verknüpft mit Erklärungen aus Jesu Passion, das ist einfach nur peinlich und wenig schlüssig. Annika Bruhns ist zwar großartig in ihrer Verzweiflungsarie, aber auch hier fragt man sich, was diese Parallele zum Kreuzigungsgeschehen mit flapsigem Text ("Erde drüber und basta") für einen weitergehenden Sinn haben soll. Auch Alvarez bekommt die Rolle des einsichtigen Sünders nicht, wäre der Bericht über sein Schlüsselerlebnis nur einer anderen Figur in den Mund gelegt, wäre sie schon wesentlich besser zu ertragen. So glaubt man ihm, dem Satiriker, nicht diese Rolle des aufrichtig Bekennenden und die ganze Szene verliert an Glaubwürdigkeit. Die Lichtblicke neben diesen dramaturgischen Fehlgriffen sind die Tanzszenen und die oben erwähnten großen satirischen Szenen. Die Weltuntergangsparty ist auch im Text schmissig ("Auf der Arche ist was los/Es gibt keine Schranken./Kulinarisch feiern auf den Wellen der Sintflut/bis die Planken schwanken...") und witzig inszeniert, die Schlußgala mit dem Song "Hundert Prozent" ebenfalls mitreißend und gut gemacht. So muss man einfach über die Songs, die dem Liebespaar in den Mund gelegt werden ("Wir lassen uns von Anderen/doch nicht frustrieren...Wir werden es besser machen/Wir schaffen es bestimmt) und die Tränenstory über den verlorenen Sohn hinweg sehen - und dann hat man ein ausreichend schwungvolles Sommer-Musical, das auf jeden Fall dem Anspruch gerecht wird, Auge und Ohr etwas zu bieten.
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ProduktionsteamRegieJochen Ulrich und Angelika Mönning
Choreographie
Musikalische Leitung
Bühne
Kostüme
Licht
SolistenAdamLuis Lay
Eva
Alvarez
Rosa
Gabriel
Konrad
Pepito/Affe
Gitarrist/Junkie
Armand
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- Fine -