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Kitsch, Kommerz und Katasteramt auf der Opernbühne
Von Heike Schumacher
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Fotos von Ludwig Koerfer
Hindemiths "lustige Oper" ist ein musikalisches und textliches Stilgemisch, das nur ein Ziel hat: die romantisch-kitschige, ernsthafte Oper zu parodieren. Da wird der wenig romantische Ehealltag inmitten von Bürokratie, Kunstbetrieb und Medienwelt zum Sujet gewählt. Dies ließ zur Entstehungszeit einen Sturm der Entrüstung losbrechen. Das bürgerlich-wohlanständige Publikum fühlte sich zu Recht auf den Arm genommen, wenn das Lob der Warmwasserversorgung von einer Sängerin in der Badewanne in schönsten Koloraturen besungen wird. Diese Provokation wird heute kaum mehr nachzuvollziehen sein, wo wir derartige Dinge ebenso ernstgemeint im zeitgenössischen Musiktheater ständig vorgeführt bekommen. So liegt der Reiz der Hindemith-Oper nicht in dieser Provokation, sondern zum einen in dem musikalischen Stilgemisch, der auch Formen des Jazz, der Salonmusik und der Songs Weill'scher Prägung mit einfliessen lässt und zum anderen im Wortwitz der flotten Texte vom damaligen Kabarettschreiber Marcellus Schiffer.
Die Aachener Inszenierung setzt auf Kontraste: Bühnenbild und Ausstattung sind betont nüchtern in einer Mischung aus Bauhaus und Post-Moderne gehalten, die Kostüme aber sind grellbunte Kreationen, die dem Personal das Aussehen von Comic-Figuren verleihen. Mit wenigen, gut beweglichen Wänden werden die raschen Szenenwechsel bewältigt und machen ein hohes Tempo der Inszenierung möglich. Der Schwerpunkt der Inbild-Setzung der Hindemith Oper liegt auf der Kritik an Bürokratismus, allzu oberflächlichem Bildungsgetue und vor allem dem Medienrummel (auf die "Wa(h)re Liebe" wird durch ein Herz-Sofa angespielt). So führt ein kafkaeskes Standesamt mit überdimensionalen Stempeln und dem Hauptbeamten in übermenschlicher Größe den alltäglichen Bürokratismus ad abdsurdum. Oder es schlurft ein Museumsführer über die Bühne, der im schleppenden Ton Kunstwerke nur auf die Äußerlichkeiten reduziert ("Die Venus von Milo, beachten Sie die fehlenden Arme, 5 Sterne im Baedecker) und so den Bildungsbetrieb der Lächerlichkeit preisgibt. Und so wurde mehr als einmal herzhaft gelacht oder geschmunzelt. Zu guter Letzt wird der Fernsehbetrieb à la Big Brother aufs Korn genommen und die Mechanismen, die lebendige Menschen auf Rollen festlegen, bloßgestellt. Gerade der letzte Aspekt ist es wohl, der dafür sorgte, dass diese lange vergessene Hindemith-Oper in neuerer Zeit immer wieder im Spielplan erscheint. So unlängst an den Bühnen der Stadt Köln, in einer Wiederaufnahme, bei der G. Krämer den Akzent auf Geschwindigkeit und raschen Situationswechsel legte.
Die Aachener Inszenierung von Interims-Intendanten Claus Schmitz, der auch eine hervorragende Elektra in Aachen zeigte, hebt geschickt die Stärken des Hindemith-Stückes hervor. Bewusst hatte Hindemith auf eine psychologische Wahrscheinlichkeit und Entwicklung seiner Figuren verzichtet. Es sind Posen, die die Figuren verkörpern, ohne dass dies langweilig würde. Die Ehepaare sind Abziehbilder, Chiffren für das Männliche und das Weibliche, die von Minute zu Minute ihre Gefühlsregister ändern, ohne dass dies irgendwie psychologisch motiviert wäre. Der Gatte, der eben noch eine Scheidung herbeisehnte, wird plötzlich zum grundlos eifersüchtigen Othello, der alles kurz und klein schlägt, um dann im Gefängnis sofort wieder froh zu sein, nun einen akzeptablen Scheidungsgrund zu haben.
Und so wird der schöne Herrmann, Chef des "Büros für Familienangelegenheiten G.m.b.H." engagiert. Er und seine Tipp-Fräuleins bieten Scheidungsgründe gegen Barzahlung, und man arrangiert ein Treffen im Museum. Hier im 4.Bild hat die Aachener Inszenierung ihren ersten Höhepunkt: Laura, die sich ihren Scheidungsgrund anders vorgestellt hatte, wird nun im gesamten Repertoire romantisch-schwülstiger Opernsprache und Gestik umgarnt - Parodie in der schönsten Form. Ihren besonderen Gag bekommt die Parodie durch das ständige "Aus-der-Rolle-Fallen" von Laura, die immer wieder fragt, ob denn der ganze Kitsch sein muss und daraufhin vom schönen Herrmann die stereotype Antwort erhält, es sei alles im Preis einbegriffen. Und schon verfallen Musik und Hermann wieder in hochtrabene Nonsens-Formulierungen im schwülstigen Gewabere. Gefühl wird ganz klar nur als Attitüde zitiert und ironisch gebrochen, hier nimmt sich nun die Oper selbst auf die Schippe, was man mancher ernstgemeinten Opern-Inszenierung auch einmal wünschen würde.
Nun tritt der Ehemann wie geplant hinzu und wird - o Wunder - tatsächlich eifersüchtig. Im Zorn zerschlägt er die Statue und landet im Gefängnis. Laura mietet sich im Hotel Savoy ein, und will sich in der warmen Wanne von den ganzen Aufregungen erholen, als unversehens zunächst der schöne Hermann auftaucht, der sich nun wirklich in Laura verliebt hat, und danach Frau M., die die Badewanne für sich beansprucht. Sie ruft das ganze Hotelpersonal als Zeugen dafür herbei, dass ihr die Wanne gehöre und alle verfallen in einen Oratorien-artigen Chor mit dem Text "Wie peinlich, oh wie peinlich". Sensationslüstern kosten natürlich alle die Situation aus.
Im nächsten Bild lesen Laura und Edaurd ihre jeweiligen Skandale in der Zeitung nach: "Frau im Bad vom Hotelpersonal überrascht" und "Mann schlägt alles kurz und klein". Eduard ist pleite, doch da kommt die Rettung durch eine Gruppe von Managern: sie wollen die Geschichte von Eduard und Laura vermarkten.
Und so finden die beiden sich vor einem Publikum im ausverkauftem Haus. Der schöne Hermann dagegen ist traurig im Büro für Familienangelegenheiten: er will nun künftig sein Herz aus dem Spiel lassen, nur noch das Geschäft soll zählen. Laura und Eduard präsentieren dem Millionenpublikum ihre Geschichte, ein Riesenerfolg.
Im letzten Bild stehen sie im Studio und fragen sich, warum sie sich noch scheiden lassen sollen - aber jetzt dürfen sie nicht mehr zurück, denn ihr Leben ist verkauft "Ihr seid keine Menschen mehr", macht ihnen der Chor klar. Die schablonenartigen Figuren werden durch die Kostüme gut herausgestrichen - wie Comic-Helden in grell bunten "United Coulors of Benetton" heben sie sich vom nüchtern-geometrischen Hintergrund in Weiß-Grau ab. Die Geschäftsleute des Ehebruchs in knallgrün vom Filzhut bis zur Socke, die Ehepaare in Blau und Rot, die vielen Vetreter der Öffentlichkeit, die Thaterbesucher, das Hotelpersonal, die Museumsbesucher dagegen in Grau, weiß oder schwarz. Die Farbensymboluik macht klar, dass die gezeigten Figuren nur Spielfiguren in einem Spiel sind, das letztlich vom Publikumsgeschmack abhängt und dadurch auch im Privaten schon unecht, eben erstarrte Attitüde, ist.
Claus Schmitz hatte 100%ig besetzt: die quirlige, spielfreudige und hinreißend komische Maja Tabadaze als Laura hätte man besser nicht spielen können - gesanglich ist das bei ihr sowieso keine Frage - auch im modernen Fach ist sie souverän und überzeugend. Axel Herrig an ihrer Seite als Eduard wies die gleichen Qualitäten auf, er spielte darüber hinaus noch sein tänzerisches Können aus und entwickelte sich zum Entertainer, der den einzigen Szenenappalus provozierte und bis zur Neige auskostete. Auch er stimmlich, sowohl im Parlando als auch in den gesanglicheren Partien, einwandfrei. Robert Woroniecki als schöner Herrmann forcierte wie meistens in den Höhen, was aber der Figur des schmalzigen Opernsängers durchaus angemessen war. Auch hier hatte Claus Schmitz den richtigen Griff getan. Beim zweiten Ehepaar gefiel besonders Maria Kowollik als Frau M. Nicht zu vergessen Wolfgang Biebuyk, der in vielen Rollen (besonders als Museumsführer) gekonnt sein komödiantisches Talent ausspielte. Wie immer waren Chor und Extrachor beeindruckend in schauspielerischer Leistung wie im Gesang. Das einzige, was gegenüber der professionellen Aufführung etwas abfiel, war die Tanzgruppe der Ballettwerkstatt Brettschneider. Die jungen Tänzerinnen waren als Revuegirls zwar ein netter Anblick, aber eben nicht immer synchron und im ganzen etwas laienhaft. Das Orchester in ungewöhnlicher Besetzung (fast schon Big Band Besetzung) unter Leitung von Kappellmeister Jeremy Hulin erwies sich als virtuoser und flotter Begleiter durch die völlig verschiedenen musikalischen Stile.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühnenbild
Kostüme
Choreinstudierung
Choreographie "Revuegirls"
Choreographie "Manager"
Dramaturgie
Sinfonie Orchester Aachen Statisterie des Theaters Aachen
Tänzerinnen der Tanzwerkstatt
SolistenLauraMaja Tabatadze
Eduard
Der schöne Hermann
Frau M.
Herr M.
Ein Hoteldirektor
Ein Standesbeamter
Ein Fremdenführer
Ein Zimmermädchen
Ein Oberkellner
Erster Manager
Zweiter Manager
Dritter Manager
Vierter Manager
Fünfter Manager
Sechster Manager
Eine Moderatorin
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- Fine -