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Der holländischer Kapitän geht in Rente
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Eduard Straub
Wenn sich der Vorhang zur Ouvertüre hebt, sieht man ein Prospekt mit einem Schiff, das dramatisch im Sturm an einer Klippe zerschellt, eingerahmt von einem Kranz geheimnisvoll grün leuchtender Glühbirnen. Glutrot leuchten später die zerfetzten Segel des Holländer- Schiffes, und zum guten Schluß leuchtet der Himmel feurig auf und ein weißer Strahl verkündet die vollzogene Erlösung. Mit plakativer Bildsprache (Bühne und Kostüme: Wolf Münzner) versucht Regisseur Adolf Dresen dem fliegenden Holländer nahe zu kommen, erzählt im Stile einer Moritat die Schauergeschichte in plastischen Bildern nach, die den Voyeurismus des Publikums bedienen. Die Legende vom Fliegenden Holländer gehört zum Kulturgut des Spätbürgertums; sie stellt für Senta einen geheimnisvollen Gegenpol zur biederen Wirklichkeit dar. Diesen Traum läßt der Regisseur schnell platzen: Der Holländer entpuppt sich als seniler Grufti, dem man höchstens noch das seemännische Geschick zutraut, das zum Lenken eines Tretbootes erforderlich ist. Mit der Figur, die Senta in ihrer Ballade besingt, hat er nichts gemein. Lohn einer langen Seefahrerkarriere: Der Holländer und allerlei Perlenketten
Was sich bis hierhin noch ganz interessant anhört, entpuppt sich leider schnell als Mogelpackung. Dresens Grundgedanken sind dem Programmheft zu entnehmen, denn die auf wenige konventionelle Gesten und Bewegungsabläufe reduzierten Arrangements lassen Personenregie bestenfalls erahnen. Ein paar Requisiten verweisen auf das 19. Jahrhundert, aber ei! wie lustig muss es damals in den Spinnereien zugegangen sein! Neben der Dampfmaschine treiben die Mädchen derartig munteren Scherz, dass der moderne Büroalltag dagegen der Hölle gleich kommt. Man darf sich also an den schönen Bühnenbildern erfreuen sollte die allesamt wohlgenährten und nicht mehr ganz jungen Darsteller der Hauptrollen nicht zu genau anschauen, und ansonsten einfach genießen. Große Teile des Publikums quittierten dieses minimalistische Konzept beim recht spärlichen Schlußapplaus mit Unmut. Die Frühstückspause in der Spinnerei nutzt Senta, um eine Moritat zu singen
Dresens Konzept scheitert auch an der Musik: In der gesamten Opernliteratur gibt es wohl kein zweites Werk, indem zwei unterschiedliche Sphären - die konventionelle, biedermeierliche, melodische Welt Dalands und die Musik des Holländers, die deutlich das Musikdrama ankündigt und alles Alte in Frage stellt - mit solcher Wucht aufeinander prallen. Den vermeintlichen Moritatenton, den Dresen ausgemacht haben will, findet man mit viel Phantasie vielleicht noch im Libretto (aber ist der nicht im Freischütz oder im Rigoletto deutlich näher als im von deutlich komplexeren Gedankengängen durchzogenen Holländer?), aber in der Musik sicher nicht. Und ein solcher Ansatz, wenn man ihn denn vertritt, müsste sehr viel prägnanter inszeniert sein. Hochzeit in der Fabrik: Der Holländer (links), Senta und Daland sowie in strenger Anordnung die Damen des Chores
An guten Tagen braucht sich die Rheinoper hinter keiner Wagner-Bühne der Welt zu verstecken. Diese Premiere war leider kein guter Tag, im Gegenteil: Ob sie nicht wollten, konnten oder durften sei dahingestellt, aber Wicus Slabbert als Holländer und Artur Korn als Daland spulten ihre Partien ohne erkennbaren Gestaltungswillen und mit nicht mehr als solider Stimme herunter. Rebecca Turner hat leider ein Vibrato, das einen Ton wie den anderen klingen lässt, wodurch ihre an sich sehr kultiviert gesungene Senta konturlos blieb. Den besten Eindruck hinterließ Frank van Aken als Erik, der, clownesk ausstaffiert, wohl den Trottel mimen sollte, aber mit zwar nicht strahlendem, aber kontrolliert geführtem und höhensicherem Tenor zumindest die musikalischen Argumente für sich hatte. Erlösung: Senta springt ins Hafenbecken, der Holländer staunt, und blutrot leuchten die Segel
Zoltán Peskó feuerte die Düsseldorfer Symphoniker an, als gelte es, dem Getöse aller Weltmeere zu trotzen, und stürzte das Publikum in ein Wechselbad der Gefühle. Den dramatisch voran stürmenden Gestus der Holländer-Musik nahm er beinahe übertrieben auf, verdeckte manche Feinheit der Partitur, entwickelte aber auch fesselnde Spannungsbögen. Einige Szenen gelangen brilliant. Auf der anderen Seite gab es etliche Patzer, manche Holzbläser wirkten hilflos desorientiert, und Sänger und Orchester waren sich nur in Ausnahmefällen über das Tempo einig. Mitunter war es richtig komisch, wie sich in burlesk anmutender Art rhythmische Verschiebungen zwischen Orchester und dem (an sich ausgezeichneten) Chor ergaben. Hier besteht noch erheblicher Nachbesserungsbedarf.
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ProduktionsteamRegieAdolf Dresen
Musikalische Leitung
Bühne und Kostüme
Regiemitarbeit
Choreographische Mitarbeit
Licht
Choreinstudierung
Solisten* Besetzung der PremiereDer Holländer Wicus Slabbert
Daland
Senta
Erik
Mary
Steuermann
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- Fine -