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Elektra
Tragödie in einem Aufzug
Musik von Richard Strauss
Dichtung von Hugo von Hofmannsthal

Premiere am 22. Januar 2000
im Aalto-Theater Essen

1 3/4 Std. (keine Pause)


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)

Gut gemacht, Sportsfreunde!

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu



Mit der Frau ohne Schatten hat sich die Essener Oper in der vergangenen Spielzeit in der Rangliste der Richard-Strauss-Bühnen weit nach oben gespielt, mit Daphne konnte diese Position sogar noch ausgebaut werden: In der Aalto-Oper, da wird Strauss Ereignis. Jetzt wird die Erfolgsstory mit Elektra fortgesetzt. Angesichts der Fangemeinde, die Essens Chefdirigent Stefan Soltesz hinter sich weiß und die ihr Idol fast wie einen Pop-Star bejubelt, war die Aufführung fast Nebensache.


Szenenfoto Sanfte Gewalt: Elektra (hinten) möchte mit Chrysosthemis einen Muttermord begehen.

Bühnenbildner Hans Dieter Schaal mischt in einheitlichem Beton-grau abstrakte und konkrete Elemente: Eine Spielfläche verdrängt rudimentär erhaltene Gebäudereste wie Klytämnestra die Vergangenheit. Ein Irrenhaus, dieser Familiensitz, das machen (wem die Musik und die Story an sich nicht ausreichen, dies zu erahnen) die Irrenärzte am Bühnenrand deutlich.

Elektra hat vorne eine "Erinnerungsecke" mit Sitzbank und vielen Fotos: Nur wer die Geschichte nicht vergisst, der findet seine Identität, so könnte vereinfacht die Botschaft lauten. Aegisth gelingt das nicht, denn er wirft tolpatschig ein Iphigenie-Portrait um (erinnere: Elektras Vater Agamemnon ließ seine Tochter Iphigenie opfern), und Elektra winkt gleich einer Todesgöttin von einer Pseudo-venezianischen Gondel aus dem verhassten Stiefvater zu. Der blutet unmittelbar danach an den Füßen aufgehängt aus wie zuvor ein Widder - dazu öffnet sich geheimnisvoll in Science-Fiction-Manier ein Tor im Hintergrund der Bühne. Gelegentlich streift die symbolfreudige Ästhetik des Regieteams mehr als nur den Rand des Kitsches.


Szenenfoto Klytämnestra und die Damen des Kaffekränzchens auf gefährlichen Wegen

Die Atriden verlieren sich in den Trümmern ihrer Geschichte, und das wird im Bühnenbild überzeugend sichtbar. Leider verliert aber auch Regisseur Nicolas Brieger seine Akteure aus den Augen. Es gelingt kaum einmal einem der Sänger, sich gegen die übermächtige Kulisse zu behaupten. Die Bewegungsabläufe sehen so aus, als sei intensiv geprobt worden, aber ohne das die Sänger so recht verstanden hätten, was zu tun sei - und vor allem warum.

Besonders Luana DeVol hat in der Titelrolle mit solchen Problemen zu kämpfen, und das scheint sich auch im Musikalischen niederzuschlagen. Sie singt zwar durchaus schön und auch dramatisch (leider verausgabt sie sich in vielen Phrasen zu früh und hat dann nicht mehr die Kraft, Akzente an den dramatisch "richtigen" Stellen zu setzen), aber die ganz große Ausstrahlung fehlt ihr. In den vergangenen Jahren war an Häusern wie Dortmund oder Krefeld/Mönchengladbach zu erleben, wie Sängerinnen mit eher weniger Stimmaterial mehr aus der Rolle machen.


Szenenfoto Endlich ist ein Muttermörder gefunden: Orest (links) tut, was Elektra will

Silvana Dussmann als Chrysosthemis und Ildiko Szönyi als Klytämnestra, beide musikalisch sehr überzeugend, haben es mit ihren vergleichsweise kurzen Auftritten da einfacher als die ständig präsente Titelheldin. Klytämnestra trägt ein weißes Kleid, das mit roten Edelsteinen besetzt ist als wären es Blutspuren. Schleppenträgerin und Vertraute sind in dieser Inszenierung besonders durchgeknallte Vertreterinnen des Damenkränzchens - von solchen mehr oder weniger originellen Details abgesehen bewegt sich die Inszenierung im konventionellen Rahmen, ohne besondere Akzente zusetzen. Mitunter ist es sogar ein wenig langweilig.


Szenenfoto Elektra auf dem Weg in die innere Emigration: Chrysosthemis schaut ratlos zu

Die Essener Philharmoniker sind unter Soltesz' Leitung ein hervorragender Klangkörper geworden, das beweisen sie auch jetzt wieder. Dennoch schleichen sich in das vielleicht allzu siegessichere Spiel kleine, aber störende Ungenauigkeiten ein. Und bei den vorgehenden Strauss-Opern hat auch Soltesz die große Linie überzeugender gefunden als in der Elektra, wo er oft sehr kurzgliedrig von einem Höhepunkt zum nächsten eilt.

So sportlich wie das Ensemble die Ovationen entgegen nimmt, hat die Applausordnung etwas von einer Siegerehrung. Souverän die Olympianorm erreicht, möchte man sagen. Ohne Frage ist die Aufführung von sehr ordentlichem Niveau, aber gemessen an den hohen Erwartungen bleibt doch eine leise Enttäuschung.


FAZIT
Fassen wir es (passend zum Bühnenbild) mit pathetischen Worten zusammen: Trotz hohem Niveau bleibt das Ringen um letzte künstlerische Wahrheit nicht erkennbar.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Nicolas Brieger

Bühne
Hans Dieter Schaal

Kostüme
Uta Winkelsen

Choreinstudierung
Alexander Eberle

Licht
Wolfgang Göbbel



Die Essener Philharmoniker

Opernchor des Aalto-Theaters

Statisterie



Solisten

* Besetzung der Premiere

Klytämnestra
Ildiko Szönyi *

Elektra
Luana DeVol *

Chrysothemis
Silvana Dussmann *

Ägisth
Rainer Maria Röhr *

Orest
Karl-Heinz Lehner *
Almas Svilpa

Der Pfleger des Orest
Richard Medenbach *

Die Vertraute Klytämnestras
Michaela Cenkier *
Sabina Wehlte

Die Schleppträgerin
Susanne Kohnke *

Ein junger Diener
John Cogram *

Ein alter Diener
Thomas Sehrbrock *

Aufseherin
Margarita Turner *

Erste Magd
Marion Thienel *

Zweite Magd
Marie-Helen Joël *

Dritte Magd
Gritt Gnauck *

Vierte Magd
Galina Simkina *

Fünfte Magd
Zsuzsanna Bazsinka *
Silvia Colombini


Weitere Informationen
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