Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum



Un ballo in maschera

Oper in drei Akten (fünf Bildern)
Musik von Giuseppe Verdi
Dichtung von Antonio Somma
nach Eugène Scribes Drama
Gustave III. ou le bal masqué

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere am 20. November 1999
Rezensierte Aufführung am 25. November 1999


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)

Masken im Spiel der Macht -
Verdis Maskenball diesmal in Neapel



Von Meike Nordmeyer / Fotos von Thilo Beul



Auf Anordnung der zuständigen Zensurbehörden hatte Verdi bekanntermaßen die Handlung seines Maskenballs ins ferne Amerika verlegen müssen. Regisseur Hilsdorf verpflanzt die Handlung der Oper 140 Jahre später ein weiteres Mal. Er läßt sie im 19. Jahrhundert am Hof von Neapel, am Hofe des Königs Riccardo spielen. Die Übertragung des Stoffes ist möglich, damals wie heute, sowohl bei der allgemeingültigen Aussage, die Verdi anstrebte als auch bei der, die Hilsdorf uns vorführen will. In der Essener Aufführung geht es um die Inszenierungen der Macht, auf die jedes Regiment beruht und die am Beispiel eines exzentrischen Herrschers um so deutlicher aufzuzeigen sind.


Foto: Essen: Maskenball Der König (Mitte, Mikhail Dawidoff) läßt sich feiern.
Links neben ihm Oscar (Silvia Colombini).

Hilsdorf nimmt für seine Erzählung des Maskenballs die Übertitel zuhilfe. Dieses Mittel, die Übertitel zu Regiezwecken einzusetzen, hatte Hildorf schon mit seiner Essener Fidelio-Inszenierung entdeckt. Gezeigt wird die Geschichte, wie sie sich am Hofe in Neapel begeben könnte. König Riccardo ist der Inbegriff von willkürlicher, dekadenter Herrschaft. Die Vorgänge dort werden von der Regie dicht in Szene gesetzt und humorvoll, ja sehr ironisch kommentiert durch den Text, der in den Übertiteln angezeigt wird.

Was vom Hofe ausgeht sind gewisse Darstellungen und Vorführungen der Macht, und sie müssen sich als solche verstehen, denn nur mit ihrer Hilfe funktioniert Herrschaft. Um die Macht zu erhalten, um immer wieder den Anspruch der Herrschaft zu sichern sind demonstrative Akte von performativem Charakter, sind immer wieder Inszenierungen nötig. Aber diese Vorführungen sind eben auch Spielchen zum Vergnügen, zur gesellschaftlichen Unterhaltung. Man sonnt sich auch an der Macht, denn sonst ist es zu langweilig am Hof. Der Übergang von Machterhalt und Zeitvertreib ist fließend, das zeigt die Regie meisterhaft. Daß das Libretto der Verdi-Oper umgedeutet werde, wäre zuviel gesagt, es wird auserzählt, abgeklopft auf die zu beobachtenden Mechanismen der Macht. Hilsdorf führt mit seiner Geschichte am Hofe von Neapel eine mögliche, neu entwickelte Spielart des Maskenballs vor und zeigt damit den modernen Subtext des Librettos auf.

Foto: Essen: Maskenball Riccardo (Mikhail Dawidoff) und Amelia (Iano Tamar )
bei der vermeintlichen Wahrsagerin.

Die Ulrica beispielsweise wird von König Riccardo nur der Show wegen, die man sich erhofft, in die Rolle der Wahrsagerin gezwungen. So weiß man auch nicht, was sind das für Wahrsagesprüche, die sie nun produziert? Hat die arme Frau sie sich in ihrer Not schnell ausgedacht, oder sieht diese einfache Person plötzlich etwas von direkter, treffender Wahrheit, oder will sie sich einfach rächen? Niemand ist sich mehr sicher, daher auch die Frage an sie: "Ist deine Prophezeiung Witz oder Wahnsinn?"

Foto: Essen: Maskenball Károly Szilágyi als Minister
und bester Freund des Königs
und Iano Tamar als Amelia

Erhöht wird in Hilsdorfs Inszenierung das Spiel der Inszenierungen sogar dann, wenn es im Libretto bereits direkt zu finden ist. Man nehme da die kleine Episode mit dem Matrosen Silvano, dem der König das gewahrsagte Geld zusteckt, um die Illusion der Wahrsagung zu erhalten. Das paßt hervorragend in das Regiekonzept, doch damit nicht genug, Hilsdorf steigert es: bei ihm steckt der König nicht heimlich, sondern absichtlich für alle sichtbar dem Matrosen das Geld zu, um die Wahrsagerin bloßzustellen, um die Damen damit zu amüsieren, und um diesen Effekt, sich als Inszenator erkannt zu wissen, obendrein zu genießen.

Foto: Essen: Maskenball Amelia wird von den Männern,
den großen Lenkern und Leitern,
gestraft und gezwungen.

Das Spiel gipfelt schließlich in der Ermordung des Königs. Die Warnungen vor einer Verschwörung schlägt dieser zuvor in den Wind, denn er will sich gerade als Opfer betrauert wissen, nur damit erreicht seine Vorführung den Höhepunkt; er spielt sie bis zum Schluß. Der Maskenball wird als Jagd-Szene gezeigt. Die Meute, das sind die Damen und Herren der Festgesellschaft, sie sind alle als Männer gekleidet auf Wunsch des Königs. Nur der König selbst tritt als Dame auf. Crossdressing ist eine ganz naheliegende Spielart der Inszenierung, so wie sie auch der Oper traditionell als selbstverständliches Mittel dient. Die Meute jagt ihre Opfer und hat höllischen Spaß dabei. Die Männer gefallen sich als Spieler von Intrigen. Sie sind es gewohnt, sich wie selbstverständlich mindestens als Götter aufzufassen, denn sie lenken und leiten doch alles so schön - ironisch kommentieren hier die Übertitel. Der König von Neapel, er will nicht gerettet werden, von niemanden, und er genießt seinen Untergang in vollen Zügen. Das Finale bietet dann noch besondere Überraschungen, dem Spiel der Inszenierung wird mehrfach, wenn man es gerade für beendet hält, noch eins draufgesetzt. Der ganz große Spieler der Inszenierungen, der dann das letzte Wort behält, bleibt eben der Regisseur Hilsdorf.

Eine überaus intelligente Inszenierung wurde hier konsequent durch freies, inspiriertes Erzählen entwickelt. Als absolut schlüssig erweist sich das Spiel, das Hilsdorf aus seiner aufmerksamen Lektüre des Librettos gewinnen konnte. Es gelingt dem Regisseur damit, die aktuellen Themen der modernen Philosophie ins Bild zu setzen. Man denkt da vor allem an die vieldiskutierten Werke von Michel Foucault. Mit sicherer, leichter Hand wird in Essen auf die Bühne gebracht, was moderne Theorien erarbeiten. Das ist Regietheater at its best.

Ermöglicht wurde das anspruchsvolle Regievorhaben durch ein absolut herausragendes Ensemble. Mikhail Dawidoff als König beeindruckt in seiner Rolle, großartig verkörpert er die Figur des exzentrischen Königs. Die Partie wird bestens von ihm gesungen, und gerade am Schluß ist er auch bereit, gesanglich in die Tragik-Komik zu gehen und unter Verzicht auf die Gestaltung einer Glanz-Sterbe-Arie das Regiekonzept ausgezeichnet umzusetzen. Überaus konzentriert agieren und singen auch alle anderen Solisten, allen voran Iano Tamar als Amelia, die mit sicherem Gesang glänzend ihre Rolle gestaltet. Auch Silvia Colombini als Oscar und Károly Szilágyi als Minister stellen sehr zufrieden. Das Essener Orchester entwickelt unter der kompetenten Leitung von Stefan Sotzesz engagiert und absolut genau die Verdi-Oper. Mit nachdrücklichen Einwürfen wird die Spannung vorangetrieben. Soltesz arbeitet zudem intensiv mit den Stimmen auf der Bühne zusammen, beeindruckend, wie er die Ensemble-Stellen zu höchster Konzentration führt.




FAZIT
Das Aalto-Theater in Essen zeigt eine überragende Inszenierung des Maskenballs, der moderne Subtext des Librettos wird von Regisseur Hilsdorf konsequent zu Tage gefördert. Dazu erklingt eine erstklassige musikalische Ausführung - besser geht es nicht!




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Regie
Dietrich Hilsdorf

Bühne und Kostüme
Johannes Leiacker

Chor
Alexander Eberle

Licht
Hartmut Litzinger

Dramaturgie
Norbert Grote



Die Essener Philharmoniker
Der Opernchor des Aalto-Theaters
Der Extrachor des Aalto-Theaters



Solisten

Riccardo, König von Neapel
Mikhail Dawidoff

Oscar
Silvia Colombini

Renato Fogazzaro
Károly Szilágyi

Amelia
Iano Tamar

Andrea, beider Sohn
Maximilian Hagemeyer

Erster Richter
Herbert Hechenberger

Silvano, ein Matrose
Armin Kolarczyk

Ein Diener Amelias
Kyung-Guk Kim

Sam
Almas Svilpa

Tom
Marcel Rosca

Ulrica
Ildiko Szönyi

Il divino con la palla (Tänzer)
Cyrille Dauboin






Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Essen (Homepage)




Da capo al Fine

Zur Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-mail Impressum

©1999 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -