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Die Antwort der Oper auf das Kultur-Sparprogramm
Von Anne - Kathrin Koch
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Fotos von Rudolf Majer-Finkes
Damit hatte keiner gerechnet: wir erlebten keine fertige Oper, sondern gerieten mitten in die Vorbereitungen für das Stück. Beim Betreten des Zuschauerraums sahen wir hektisches Treiben auf der Bühne. Waren wir zu früh? Ein Blick auf die Uhr zeigte uns unsere Pünktlichkeit: 19.30 Uhr, genau richtig. Eigentlich hatten wir mit einem Stoff aus dem 18. Jahrhundert gerechnet, aber irgendwie kam uns alles so bekannt vor, wir befanden uns im Hier und Jetzt. Die Kulissen wurden gerade vom LKW geladen, der Komponist saß am Klavier und änderte irgendetwas an der Partitur, die Tänzer machten sich warm. Als der Dirigent kam, konnte die Probe beginnen, doch wo waren die Sänger? Ah, der Chor trudelte unter lautem Stimmengewirr ein, in Freizeitkleidung, das Strickzeug unterm Arm und immer wieder die neuesten Klatschgeschichten parat. Das Orchester probt schon? Macht nichts, wir sind schließlich wichtiger! Die Solisten lassen auf sich warten, aber es sind ja auch die Solisten, die dürfen das.
Dieser Stil zog sich durch die gesamte Aufführung. Immer wieder genau auf den Punkt getroffen, kein Klischee wurde ausgelassen. Das Ganze mit einer so treffenden Komik, daß nicht nur die jüngeren Zuschauer vor Lachen auf dem Boden lagen. Bis ins kleinste Detail stimmte alles. Sei es der schwule Maskenbildner, der später im Chor einen römischen Soldaten wenig männlich spielte, oder das eindeutig schlechteste Chormitglied, das sich immer wieder in den Vordergrund drängte. Was ich mache, ist doch egal, hauptsache man sieht mich! Vor lauter Hintergrundgeschehen übersah bzw. überhörte man schon mal die eigentliche Handlung. Selbstverständlich brillierten die Solisten in ihren komischen Rollen hauptsächlich mit ihren schauspielerischen Fähigkeiten, aber auch gesangstechnisch blieb keiner auf der Strecke. Doch zu lange weilte der Blick nicht auf den Hauptrollen im Vordergrund, denn man wollte keine witzige Szene dahinter verpassen. Und trotz Augapfeljogging haben wir das Gefühl nicht alles mitgekriegt zu haben.
Trotz allem sollten die Solisten nicht ganz unerwähnt bleiben: Judy Berry alias Corilla als arrogante Primadonna, ganz in rosé, singt sich erstmal in Ruhe ein, bis sie sich mal bequemt ihre Arie mit einer selbstausgebauten Koloratur zu singen. Währenddessen verteilt der Startenor, treffend gespielt von Arturo Valencia, noch Autogrammkarten. Beide mit einer traumhaften Stimme ausgestattet, die in ihren Rollen jedoch leider auf Kosten der Komik stark verfremdet wurden. Und dann ist da noch MAMMA AGATA. Ohne sie wäre die Aufführung nur halb so gelungen gewesen, die Rolle schreibt es vor, doch die Wirklichkeit übertrumpft es noch. Gespielt von Hartmut Bauer - die Besetzung ansich schon ein Knüller - überzeugte sie uns alle mit ihrer herben-männlichen Art und einer wahnsinnig kräftigen Stimme. Allein ihre Präsenz auf der Bühne wurde zum Lacherfolg.
Der Kampf ums Publikum blieb nicht ohne Erfolg. Die immer wiederkehrenden Anspielungen auf die Wuppertaler Kulturszene und Aussagen wie " das können Sie vielleicht in Gelsenkirchen so machen", kamen gut an. Überhaupt ließen sich die Zuschauer von der Atmosphäre anstecken und brachten sich mit Zwischenrufen und häufigen Lachausbrüchen in das Stück mit ein. Auch die Technik kam nicht zu kurz, der Vorhang machte sich schon mal selbstständig und die Beleuchtung funktionierte auch nicht immer so wie gewollt.
Nicht auszuschließen war das Orchester, unter der Leitung von Simon Rekers, auch die Musiker hatten ihren Part zu spielen und zu sprechen: Murren bei der Tonartänderung, gewollt falsches Einsetzen und Stimmen während des Stücks sind nur einige Beispiele der zahlreichen Gags. Bewundernswert, und das gilt für alle Teilnehmer der Aufführung, ist die Präzision des schlechten Spielens. Man muß wirklich in jeder Hinsicht sehr gut sein, um sich mit Überzeugung selbst auf den Arm zu nehmen. Alle Achtung! Riesen-Beifall, Jubel und stehende Ovationen können die Begeisterung nicht in vollem Umfang wiedergeben. Wirklich jeder verließ den Saal mit einem Schmunzeln, vielmehr einem Lachen in Erinnerung einer der vielen komischen Szenen. Leider waren viele Plätze im Opernhaus leer geblieben. Eine Folge von Fußball und schönem Wetter?
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreinstudierung
Licht
SolistenCorilla Sartinecchi, die Primadonna Judy Berry
Stefano, ihr Ehemann
Luigia Boschi, 2. Sängerin
Agata, ihre Mutter
Dorotea Gaccini, Mezzosopranistin
Manuel de Carriera, 1. Tenor
Vincenzo Biscroma, Komponist
Orazio Prospero, Librettist
Der Impresario
Der alte Inspizient
Der junge Inspizient
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- Fine -