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Verdi und Schiller von Bodygards ausgesperrtVon Gerhard Menzel / Fotos von Eduard Straub
Christoph Loy, der an der Deutschen Oper am Rhein zuvor mit seinen Inszenierungen von Manon, La finta giardiniera und Lucia di Lammermoor für Furore sorgte, versucht in seiner Inszenierung von Anfang an, den gut organisierten Mechanismus eines Machtapparates so haut- und zeitnah wie möglich zu demonstrieren. So weit es allein um die Macht und die davon betroffenen Menschen geht, funktioniert sein Konzept wirklich gut. Leider haben Verdi und Schiller im Don Carlos eine zeitlich ganz spezifische Epoche gewählt, in der der Konflikt zwischen weltlicher und kirchlicher Macht eine ungemein brisante Angelegenheit war und eine "eigene Meinung" über Leben und Tod entscheiden konnte. Diese Konstellation ist heute nun einmal nicht mehr gegeben, so dass die zentrale Szene zwischen Philipp (weltliche Mach) und dem Großinquisitor (Kirche) sinnentleert und spannungslos dahinvegetierte.
Dabei fing alles ganz spannend an: die dieser Produktion zu Grunde liegende Don Carlos-Fassung für Modena von 1886 stellt im ersten, dem Fontainebleau-Akt, das zunächst füreinander bestimmte Paar Don Carlos und Élisabeth ins Zentrum der Handlung. Dass Élisabeth schließlich doch den Vater statt des Sohnes heiratet, ist nur auf deren Mitleid dem geschundenen Volk gegenüber zurückzuführen.
Herbert Murauer (der auch die "zeitgemäßen" Kostüme entwarf) gliedert dafür den Spielraum in eine "aktive" Vorderbühne, auf der sich die ganze Handlung abspielt, und eine hintere "kommentierende" Hinterbühne, die sich immer wieder - ähnlich einem Zauberkasten, in dem, hebt man den Deckel ab, jedes Mal etwas anderes zum Vorschein kommt - öffnet, und z. B. "dekorative" Chorszenen ermöglicht. Die Vorderbühne ist dabei zum Teil über den Orchestergraben gebaut, was einen direkten Kontakt zum Publikum schafft und akustisch für die Protagonisten äußerst vorteilhaft ist. Ansonsten dominiert im ersten Teil (bis zum Ende des ersten Bildes des dritten Aktes) eine schwarze, leere Bühne, die geschickt mit wenigen Requisiten auskommt und vor allem von der Lichtgestaltung Volker Weinharts dominiert wird.
Mit dem Autodafé kippt dann die Inszenierung. Das große Finale dieses dritten Aktes, das sich unmittelbar an die "Erkennungsszene" zwischen Don Carlos, Eboli und Posa anschließt, findet erst nach einer langwierigen Umbaupause statt. So "eindrucksvoll" und akustisch vorteilhaft der Bühnenaufbau des Autodafés auch sein mag, zerstört diese Lösung jedoch jeglichen Zusammenhang der beiden Szenen. Damit noch nicht genug, findet die Szene des Philipp, sein Zwiegespräch mit dem Großinquisitor und die Auseinandersetzungen mit Élisabeth und Eboli auch in dieser Szenerie statt, um dann den vierten Akt ebenfalls zwischen dem ersten und zweiten Bild noch einmal mit einer ausgiebigen Umbaupause zu unterbrechen. Es wirkt so, als habe man vermeiden wollen, das Publikum nach dem nur ca. 20 Minuten dauernden Autodafé schon wieder in die Pause zu schicken. Die restlichen beiden Bilder erreichen weder die Spannung noch die Qualität der ausgeprägten Personenführung des ersten Teiles. Die musiktheatralische Einheit ist dahin und überlässt in erster Linie der Musik das Finale.
Was man zu hören bekam war allerdings auch in der Tat bemerkenswert. John Fiore am Pult der Duisburger Philharmoniker ließ Verdis Musik von den ersten Tönen an in allen Farben leuchten und forderte den Philharmonikern die letzten Reserven ab. Dass dabei nicht alle Töne "rein" waren, konnte man ob der ungeheuren Dramatik und Intensität leicht verschmerzen. Aber nicht nur die ungeheuren Klangballungen, zu denen der fabelhafte und von Gerhard Michalski vorzüglich einstudierte Chor der Deutschen Oper am Rhein einen großen Beitrag leistete, sondern auch die leisen und lyrischen Passagen wurden immer schön ausmusiziert und in großen Bögen gestaltet. Hervorgehoben ist auch die perfekte Abstimmung mit der von Franz Klee geleiteten Bühnenmusik.
Auch die Sängerbesetzung ließ keine Wünsche offen. Neben dem französischen Gast Valerie Millot als Élisabeth glänzte Sergej Khomov als Don Carlos. Zu den musikalisch stärksten und eindrucksvollsten Augenblicken gehörten dabei seine Szenen mit dem fabelhaften Boris Statsenko als Posa. Obwohl Gustav Andreassen optisch eher dem Biest aus Die Schöne und das Biest glich, überzeugte er stimmlich durch sein markiges Timbre. Ein unglaublich fulminantes Debüt konnte Jeanne Piland durch ihre - auch darstellerisch - faszinierende Interpretation der Princesse Eboli feiern. In den - ebenfalls rollendeckend besetzten - kleineren Partien gefielen vor allem Anke Krabbe als Thibault und Sami Luttinen als Mönch.
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ProduktionsteamMusikalische LeitungJohn Fiore
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Bühnenmusik
SolistenDon CarlosSergej Khomov
Élisabeth de Valois
Mata Katsuli *
Philipp II.
La Princesse Eboli
Rodrigue, Marquis de Posa
Tassis Christoyannis *
Le Grand Inquisiteur
Un Moine
Thibault, Page
La Comtesse d'Aremberg
Le Comte de Lerme
Un Héraut royal
Une Voix d'en haut
Députés flamands
Moines
* Alternativbesetzung
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