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Gelungener Werther am Pfalztheater
Von Sebastian Hanusa
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Fotos vom Pfalztheater Kaiserslautern
Während in Goethes Briefroman der Leser über das Geschehen nicht nur aus der Innenperspektive Werthers mitsamt dessen ganzem Welt- und Lebensgefühl über die Geschehnisse informiert wird, sondern überdies zum imaginierten Adressaten der intimen Gefühlsäusserungen Werthers durch die Gattung des Briefromans wird, sitzt der Zuschauer in der Oper vor einem Orchestergraben, hinter dem sich eine Bühne befindet. Massenets Librettisten haben in Konzession an diesen Perspektivwechsel die Ereignisse des Romans auf lediglich drei Begegnungen Werther Lotte zusammengezogen, dafür aber die Bühne in den beiden ersten Akten mit etwas mitteldeutschen Lokalkolorit belebt. Lottes Familie erfährt eine genauere Ausgestaltung: Bailli als verwitweter Amtmann, der mit seinen zahlreichen Kindern Weihnachtslieder übt und von der zweiten Tochter Sophie zum Wirtshausbesuch überredet wird (diese selbst ist heiterer Gegenpart zu ihrer älteren Schwester Charlotte angelegt). Der größte Eingriff betrifft die Person Charlottens, die in der Oper nicht aus Liebe, sondern ob eines Versprechens am Totenbett der Mutter die Ehe mit Albert eingeht: Aus dem Seelendrama Werthers wird die Geschichte einer verhinderten Liebe einer Liebe, die sich Lotte selber erst im dritten Akt und Werther gegenüber erst in dessen Sterbestunde - die den vierten Akt ausfüllt - eingestehen kann.
Carin Marquardts Bühnenbildner Manfred Kaderk hat auf der leicht nach hinten ansteigenden Bühne einen trapezförmigen Raum aus pastell-grünem Stoff geschaffen, dessen sonst undurchsichtige Wände mitunter zu halbtransparenten Projektionsflächen für Naturszenarien werden. Dies geschieht im ersten großen Liebesduett und auch in der Dorffest-Szene des zweiten Aktes, die Momente einer "Frühlingsfeier der Natur" beinhaltet. Auf optischer Ebene gelingt es, Werthers Entgrenzungs-Erleben einer pantheistischen Welterfahrung darzustellen. Im dritten Akt bleiben die Wände hingegen undurchsichtig, im vierten Akt sind die Wände gefallen, der Blick fällt auf den dunklen Bühnenhintergrund das Schattenreich des Todes. Diese vergleichsweise einfachen, aber in der konsequenten Anwendung wirkungsvollen Mittel seien stellvertretend für den Charakter des ganzen Abends genannt. Auch Massenets Musik kommt ohne den ganz großen Ausbruch aus, hat aber auch keine manieristischen Züge; sie wirkt eher aus einer formalen Geschlossenheit heraus, der es gelingt, die sehr heterogenen Materialien und Formmodelle innerhalb der Oper - vom Leitmotiv über Anklänge an Nummernopern bis zu Akkompagnato-Rezitativen - zu einer geschlossenen Struktur zusammenzuführen, aus deren Gefüge die Dramaturgie der Bühnenhandlung erwächst.
An erster Stelle wäre aus dem Ensembles Anke Sieloff als Lotte zu nennen, die ihre Rolle nicht nur mit ihrem schönen lyrischen Sopran ausfüllte, sondern im Laufe des Stückes überdies eine ungeheure darstellerische Intensität erreichte. Leider kann man dies von Thomas Piffka als Werther nicht sagen; zwar sang er, wenn man von einigen Spitzentönen, die etwas gepresst klangen, absieht, ebenfalls sehr gut, doch ließ sein szenisches Spiel einiges zu wünschen übrig. Große Gesten gerieten zu groß und z.B. in der Sterbeszene verriet einzig der rote Fleck am Bauch, dass es nicht sehr gut um ihn bestellt sei, während seine ganze Körpersprache Ausgeglichenheit, wenn nicht sogar Wohlbefinden verriet. Dagegen boten die Sänger in den drei "kleineren" Rollen Albert, Sophie und Bailli eine geglückte Leistung, indem sie - neben ihren stimmlichen Qualitäten bestens die Verbindung von Stück und Regie mittels schlüssiger Charakterzeichnungen umsetzten. Viel Positives ist über das Orchester des Pfalztheaters unter der Leitung von Uwe Sandner zu sagen. Nachdem die Ouvertüre eher missraten war und sich bezüglich des restlichen Abends erste Befürchtungen ausbreiteten, belehrte das Orchester einen schon im ersten Akt eines Besseren. Es waren vor allem die Musikalität im Zusammenspiel und die Selbstverständlichkeit, den Ton der massenetschen Musik zu treffen, die einen positiven Eindruck hinterließen. Hinsichtlich der Regie bleibt eine Frage offen: Während auf allen Ebenen der beschriebene klare Stil in konsequenter Umsetzung zu erleben war, erscheint es rätselhaft, warum die Tänzer auf dem Ball am Ende des ersten Aktes blaue und gelbe Luftballons mit sich führen mussten. Dies passte weder stilistisch zum Rest der Austatttung, noch war eine hierdurch symbolisierte Bedeutung ersichtlich. Hat es etwa mit den anstehenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz zu tun?
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ProduktionsteamMusikalische LeitungUwe Sandner
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Kinderchoreinstudierung
Dramaturgie
Regieassistenz und Abendspielleitung
Solisten*Besetzung der rezensierten AufführungWerther Gilbert Mata / Thomas Piffka*
Charlotte
Albert
Sophie
Le Bailli, Amtmann
Schmidt
Johann
Kinder von Le Bailli
Julia Diehl Caroline Friedewald Katharina Greß-Heister Laura Hunsinger Bianca Stiefenhöfer Judith Weber Anika Werner Phillp Diehl Tim Schreiber Dominik Thienes Felix Urbanczyk Dominik Weber
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- Fine -