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Weniger ist mehrSchlichte aber höchst eindrucksvolle Ausgestaltung des Rings fand sein umjubeltes Finale
Von Meike Nordmeyer
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Fotos von Michael Hörnschemeyer
Nun hat auch Münster seinen Ring komplett - allein das ist eine reife Leistung für das relativ kleine Haus, einen vollständigen Aufführungszyklus des Rings anbieten zu können, wie er im Mai erstmals stattfinden wird. Und was für einen Ring hat man da vorzuweisen! Die bisher bereits viel gelobte Produktion fand nun einen grandiosen Abschluss mit der Götterdämmerung. Wieder gab es beste musikalische Ausführung, die vom Publikum auch enthusiastisch gefeiert wurde. Ein großes Paar mit Christian Franz und Evelyn Herlitzius als Siegfried und Brünhilde konnte da in Münster verpflichtet werden. Glänzend eingerahmt wurde die Leistung der Gäste durch den Einsatz der eigenen Ensemblemitglieder. Die Mannen Hagens bauen sich hinter Siegfried (Christian Franz) auf.
Auch die Regiearbeit von Peter Beat Wyrsch hatte bereits für große Beachtung gesorgt und zog nun nach erheblichen Nachlassen der Spannung im Siegfried (siehe unsere Rezension) wieder an und wurde konsequent und trefflich zu Ende geführt. Das gelungen schlichte, reduzierte Konzept in abstrakter, wirkungsvoller Bühne mit wenigen aber markanten Requisiten verdichtet am letzten Abend noch einmal mehr das Bildmaterial, seine zeichenhaften Bilder, die zugleich zurückbedeuten sowie neue Konstellationen ergeben. Das Grundmaterial der Bühnenausstattung sind die Schräge und der Bogen, bzw. der Kreis, dazu der Gaze-Vorhang sowie der halbrunde Gang, der dem Orchestergraben vorgelagert ist und der die Sänger in unmittelbare Nähe zum Publikum bringt. So ergibt sich für das Publikum der Eindruck einer Nahaufnahme der Szenerie im Kontrast zum weiten Prospekt, der hinten auf der Bühne in den großen Bögen vor und hinter Gaze aufgebaut wird. In nächster Nähe zeigt sich da - dem Orchester geschickt vorgelagert - die entzauberte aber doch außerordentliche Familientragödie. Gezeigt wird dies unter Verzicht auf Pathos und Mystifizierung und auch ohne eine irgendwie belehrend vorgehaltene Modernisierung. Das Spiel ist frei und lenkt direkt auf die Figuren, ihr Begehren und Leiden im Strudel des Machtspiels. "Wo sind meine Bücher, wo sind meine Runen?", fragt sich Brünhilde (Evelyn Herlitzius) in höchster Verzweiflung.
Überwältigend vor allem, wenn da Evelyn Herlitzius als Brünnhilde dem Publikum nahe kommt oder hinten über die Bühne stürmt - jugendlich aufbegehrend, kraftvoll, dabei offen leidend. Eindringlich gelang auch die Darstellung von Allen Evans als ein Hagen, der den Wotan mimt in Würde und Weihe, dabei wähnend dessen Rolle nun zu übernehmen, umschlagend schließlich zu finsteren Ausbrüchen. Eher schmalspurig in der Zeichnung gerät dagegen der Siegfried von Christian Franz: er ist und bleibt einfach nur der kraftstrotzende Siegfried, das allerdings gelingt ihm gut. Packend gestaltet finden sich auch die Chorszenen zu gleichsam großen Tableus. Der Chor zeigt sich auf dunkler, spärlich aber sorgsam ausgeleuchteter Bühne. Nur der Schattenriss der Leute ist zu sehen und baut sich mächtig im hinteren Teil der Bühne auf, zieht mitunter in wohlgelenkten Bahnen davon. Sorgsam einstudiert wurden die Chorpartien von den verschiedentlich zusammengestellten Chören, und sie ergänzten aufs Beste den anspruchsvollen Gesang des Ensembles. Allen Evans als Hagen und Renatus Mészár als Alberich.
Unumstittener Glanzpunkt das Sängerensembles war wie schon an den vorangegangenen Abenden Evelyn Herlitzius als Brühnhilde, mit schier grenzenloser Energie. Sie bietet einen im jugendlichen Gestus vorgetragenen Gesang, der den Schmerz kraftvoll und dabei inspiriert tönen lässt, aber auch ein großes Spektrum an Zwischentönen bereithält. Nachteilig bleibt allein das recht umfangreiche Vibrato, das die Stimme mitunter unruhig flackern lässt - dies fiel allerdings diesmal weniger unangenehm auf als zuvor in der Walküre (siehe unsere Rezension), es konnte offenbar besser gehändelt werden. Von außergewöhnlicher Stimmkraft mit metallischem Glanz zeigte sich wieder Christian Franz als idealer Siegfried. Er müsste allerdings - nicht selten ein Problem bei unbändiger Energie - noch mehr Mut und Einsicht auch zur Zurückhaltung bekommen, um häufiger empfindsamere Passagen entwickeln zu können, die aber mitunter durchaus auch zu hören waren. Gemessene Töne mit warmer Tiefe setzte Allen Evans als Hagen zunächst ein, bis er auch starke Ausdruckskraft für den abgründigen Charakter fand. Stark auch von beiden Sängern die Auseinandersetzung Hagens mit Alberich (Renatus Mészár). Ralf Lukas erwies sich zudem als ein anspruchsvoller Gunther, mit leichten Einschränkung erklang auch Caroline Thomas als Gutrune gut. Beachtlich besetzt werden konnten auch die Nornen und die Rheintöchter sowie die Waltraute mit Suzanne McLeod. Ein starkes Sängerteam kam da zusammen. Von hoher Qualität war wiederum die Leitung des Orchesters unter Will Humburg. Der Dirigent führte seine sehr genaue, pointierte und durchstrukturierte dabei höchst energievolle Ausarbeitung der Partitur fort. Zu starker Dynamik und zum Aufbau von intensiven Klangfeldern hielt er sein Orchester an, sich diesem Rausch aber niemals ergebend. Vielmehr gab es das gemessene Zurückhalten kurz vor der Ekstase, das den Ausdruck noch stärker zu steigern vermochte als die letzte Steigerung selbst. Humburg entwickelte einen gehaltvollen, zwingenden Duktus mit dem Münsteraner Orchester, nur vereinzelt gab es da Unsicherheiten in den Einzelstimmen zu hören. Bemerkenswert auch das Atmen und Innehalten der Musik gemeinsam mit dem Geschehen auf der Bühne, Musik und Gestus der Darstellenden konnten zusammenfinden zu höchster Konzentration.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chöre
Produktionsdramaturgie
SolistenSiegfriedChristian Franz
Gunther
Bodo Brinkmann
Hagen
Alberich
Brünnhilde
Gutrune
Waltraute
Janet Collins
1. Norn
2. Norn
3. Norn
Woglinde
Wellgunde
Flosshilde
* Premierenbesetzung
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- Fine -