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Die Spieldose
Oper in zwei Akten
Nach dem Schauspiel von Georg Kaiser
Musik von Robert Hanell

Premiere im Staatstheater Saarbrücken am 2. Februar 2001



Homepage des Staatstheaters Saarbrücken
(Homepage)



Vergebens!
Sänger unterliegen Kammeroper


Von Sebastian Hanusa / Fotos von Klaus Baqué


Das Saarländische Staatstheater hat sich mit der "westdeutschen" Erstaufführung der 1950 entstandenen und 1957 uraufgeführten Oper Die Spieldose von Robert Hanell eines Komponisten aus der ehemaligen DDR angenommen, der im Westen der Republik so gut wie unbekannt ist. Ein nobles Vorhaben, sind in vierzig Jahren doch unzählige Werke des Musiktheaters hinter dem eisernen Vorhang der Aufmerksamkeit und somit dem Repertoire-Betrieb der alten BRD verborgen geblieben, die eine Wiederaufnahme allemal verdient hätten. Leider kann man dies allerdings von Hanells Spieldose nicht sagen.

Szenenfoto Pierre (Jóhann Smári Saeversson)
und Noelle (Stefanie Krahnenfeld) hat der vermeintliche Tod Pauls zusammengeführt.

Hanell selber wurde 1925 in Teplitz-Schönau - böhmisches Riesengebirge - geboren und durchlief nach Kriegsdienst und Gefangenschaft zuerst eine Kapellmeisterlaufbahn durch mehrere ostdeutsche Bühnen, bevor er 1955 von Walter Felsenstein als erster Kapellmeister an die Komische Oper berufen wurde. Neben seiner fortlaufenden Dirigententätigkeit entstanden mehrere Kompositionen für das Musiktheater, unter anderem Die Spieldose nach dem gleichnamigen Drama von Georg Kaiser. Dieses war 1942/43 in Kaisers Schweizer Exil entstanden und 1943 in den Baseler Kammerspielen uraufgeführt worden.


Szenenfoto Paul (Stefan Röttig) und der von ihm nicht erkannte Vater
(Jóhann Smári Saeversson).

Das Stück spielt in einem Dorf an der bretonischen Küste in den ersten beiden Weltkriegsjahren: Paul Chaudraz liegt an der Front, während seine Verlobte Noelle bei seinem Vater Pierre wohnt. Durch ein Erinnerungsritual - Briefeverlesen und das Abspielen der Spieldose - gedenken die beiden regelmäßig des abwesendenden Paul. Der Bürgermeister Parmelin überbringt die Nachricht vom Tode Pierres, die Trauer verbindet Pierre und Noelle, sie heiraten und Noelle gebiert ein Kind. Doch Pauls Todesnachricht war falsch, er hat lediglich sein Gedächtnis verloren, kehrt im zweiten Akt, nachdem ein Jahr vergangen ist, heim und wird bei Pierre und Noelle aufgenommen. Durch die Spieldose erlangt Paul sein Gedächtnis wieder, stürzt im Streit seinen Vater von den Klippen. "Um sich noch ins Auge sehen zu können" liefert er sich den deutschen Besatzern als Schuldiger aus, als der Mörder eines Wehrmachtssoldaten gesucht wird und die Erschießung von zehn französischen Geiseln droht.

Szenenfoto Das Drama hat seinen Lauf genommen:
Paul und Noelle.

Hanell bediente sich bei der Vertonung einer spätromantischen, teilweise impressionistisch anmutenden Tonsprache, einige der Orchesterfarben erinnerten ein wenig an Bergs Lulu. Den einzelnen Personen, wie auch bestimmten Situationen sind Leitmotive zugeordnet. Wenn Hanell hiermit jedoch eine zweite, musikalische Handlungsschicht im Sinne von psychologischer Ausdeutung oder Kommentar zu der Bühnenhandlung setzen wollte, so ist dies gänzlich misslungen. Einzelne musikalische Bauteile stehen scheinbar beziehungslos nebeneinander, es ergibt sich keine innermusikalische Strukturbildung, das Drama auf der Bühne findet keine wie auch immer geartete Entsprechung in der Musik. Selbst im direkten Affekt der handelnden Personen macht die Musik wenig Sinn. Sie erschöft sich in oberflächlichen Gesten - der Bürgermeister klopft und der Schlagzeuger schlägt dreimal auf den Woodblock, Noelle schreckt auf und im Orchester macht es ein wenig plingpling - sofern sie sich nicht in - auch 1950 schon extrem abgegriffene - Klischees flüchtet: Man liebt sich und die Geigen spielen in Terzen... Die Leitmotive werden keiner erkennbaren Transformation unterworfen, die in einer wie auch immer gearteten Beziehung zur Entwicklung der Handlung stehen könnte, es kommt kein wirklicher musikalischer Fluss zustande. Verantwortlich hierfür ist unter anderem der häufige Wechsel zwischen gesungenen und gesprochenen Partien, diese teilweise sogar unbegleitet. Eine dramaturgische Notwendigkeit hierfür wird nicht ersichtlich. Das unangenehme Gefühl stellt sich ein, dass dem Komponisten keine adäquate Fortführung seiner ohnehin meist monodisch-rezitativischen Gesangslinien gelungen ist, gerade in Momenten dichtester Dramatik vertraut er lieber auf die Aussagekraft des ausschließlich gesprochenen Wortes.

Das in kleiner symphonischer Besetzung spielende Staatsorchester unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel trug nicht wesentlich zu einem Gelingen des Abends bei. Es hatte augenscheinlich nicht nur seine Probleme, den Duktus der hanellschen Musiksprache zu finden, auch einige technische Unachtsamkeiten waren nicht zu überhören - dies betraf sowohl Unsicherheiten im Zusammenspiel als auch mitunter die Intonation und die Klanggebung, wobei die Aufstellung der Musiker rechts neben der Bühne und die hiermit verbundene schwierige Kommunikation zwischen Dirigent und Bühne nicht als Entschuldigung angeführt werden darf. Andererseits ermöglichte das Fehlen eines Orchestergrabens zwischen Bühne und Publikum einen beeindruckend direkten Kontakt zum Agieren der Sänger.

Szenenfoto Bürgermeister Parmelin (Manfred Bertram ) als Überbringer schlechter Botschaften.

Helen Malkowskys Inszenierung bot ein intensives Spiel der Personen, in dem neben Jóhann Smári Saevarsson als Pierre Chaudraz und Stefan Röttig als dessen Sohn Paul besonders Stefanie Kranefeld in der Rolle der Noelle hervortrat. Während die Oper den Sängern musikalisch wenig Entfaltungsmöglichkeiten bot, erlebte man gleichzeitig ein intensives Kammerspiel, in dem die Sänger zu einer Ausdrucksstärke, auch zu einer Verdichtung von Aggressionen - wie in der Szene, als Paul Noelle den Mord an seinem Vater gesteht - finden, wie sie sonst nur aus dem Sprechtheater bekannt ist. Demgemäß waren die stärksten Momenten oft die gesprochenen Partien. Manfred Bertram fiel in der Rolle des Bürgermeisters Parmelin etwas zurück, zu seiner Entschuldigung sei die Parallele zu seiner Rolle angeführt: Parmelin erleidet ungewollt das Schicksal dessen, der stets schlechte Nachricht zu bringen hat, mehr als diese Feststellung gibt die Rolle in der Ausgestalltung innerhalb der Oper auch nicht her. Ein kleiner Kritikpunkt an der sonst guten Regie: Als der unter Amnesie leidende Paul zum ersten Mal die Bühne betritt, wirft er sich rücklings an einen der Pfähle des Bühnenbildes, um darauf wie im Kinderspiel mit den Händen eine Pistole nachzumachen. Gerade in der intimen Bühnensituation benötigt man nicht eine derart platte Symbolik, um zu zeigen, dass einer aufgrund von Kriegserlebnissen geistig krank geworden ist.


FAZIT
Die Liste der Kammeropern, die eine Produktion durch ein Opernhaus mit den dort zur Verfügung stehenden Mitteln verdient hätten, ist lang - die der im Westen zu Unrecht übersehenen DDR-Komponisten ebenso. Die Spieldose gehört hierzu nicht, da können auch vier engagierte Sänger und eine gute Regie nichts mehr ausrichten.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel

Inszenierung
Helen Malkowsky

Bühne und Kostüme
Michael Bachmann

Dramaturgie
Alexander Jansen

Regieassistenz
Sonja Lang

Studienleitung
Anne Champert

Musikalische Einstudierung
Hans-Jörg Neuner

Souffleuse
Katharina Scholtz

Inspizienz
Andreas Tangermann



Das Saarländische
Staatsorchester


Solisten

Pierre Chaudraz
Jóhann Smári Saeversson

Noelle
Stefanie Krahnenfeld

Paul Chaudraz
Stefan Röttig

Parmelin
Manfred Bertram





Weitere Informationen
Staatstheater Saarbrücken
(Homepage)




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