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Ariadne auf Naxos
Oper in einem Aufzug nebst einem Vorspiel von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss
Fassung von 1916


Premiere im Theater Bonn
am 23. Februar 2003


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Theater Bonn
(Homepage)
Per Gummistiefel durchs Nichtschwimmerbecken

Von Ralf Jochen Ehresmann / Fotos von Thilo Beu



Was hätte man nicht alles zaubern können, wenn man solch einen Rohdiamanten Strauss' Ariadne zu behandeln hat. Welche Bezüge zwischen "Vorspiel" und "Oper", zwischen den Beteiligten, doch davon sieht man eher wenig. Dennoch bleibt der kaum getrübte Eindruck eines gelungenen Opernvorhabens, das sich insbesondere dem exzellenten Bühnenpersonal verdankt. Ohne recht eigentlich progressiv zu inszenieren, liefert Altmeister Kurt Horres keine streng- konservative Interpretation, wobei man sich öfters etwas mehr verschmitzt-wienerisches Augenzwinkern gewünscht hätte, was zugleich der in der Sache angelegten Doppelbödigkeit deutlicher gerecht geworden wäre.


Vergrößerung in neuem Fenster Rings um Zerbinetta geht alles wie am Schnürchen.

Schon im Prolog erkennt man eine spielerische Studie auf die täglichen Absurditäten des ganz gewöhnlichen Theaterbetriebes mit seinen Eitelkeiten und Intrigen, doch wenn man es dabei belässt, kommen die wichtigen Nebenlinien als eigentliche Träger der Bedeutung zu kurz. Was der Komponist zunächst mit seinem Musiklehrer, später mit Zerbinetta diskutiert, legt beredtes Zeugnis ab von der ästhetischen Grundlagensicherung und der Verständigung darüber zwischen Strauss und Hofmannsthal. Hier wird die entscheidende Rechnung aufgemacht, die Synthesefähigkeit grundverschiedener Kunstbegriffe in einer außergewöhnlichen Belastungsprobe zu ermitteln, indem leichte und schwere Muse und ihre personifizierten Statthalter einander sich annähern dürfen, bis der Komponist feststellt, was trefflicherweise als Motto in großen Textfahnen am Bonner Opernhause flattert: "Ich sehe jetzt alles mit anderen Augen", und deshalb darf hier ein gewichtiger Akzent nicht fehlen, den Kurt Horres ruhig noch etwas deutlicher hätte setzen dürfen. Den unentschiedenen Wettstreit des Vorspiels um die Vorrangstellung in der Musik entscheidet er vermittelst seiner Deutung der Dinge klar zugunsten der seria, auf deren bereits bei Hofmannsthal präformiertes Übergewicht die Mitwirkenden der buffa sich nur unselbständig beziehen können, indem sie vom Rande des Nichtschwimmerbeckens Kommentare einstreuen und während ihres längerem ungebrochenen Blockes einige so dümmliche Späße aufführen, dass Ariadne gut daran tut, sich diesen Klamauk gar nicht erst anzutun und sich stattdessen samt Escorte zu verziehen.


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Bilderbuch-Diva in der Soda-Pforte.

Genau dadurch wird aber jene Interaktion verunmöglicht, die dem Tanzmeister noch "nichts leichter als das" erschienen war: Die postulierte Synthesefähigkeit wird so nicht eingelöst. Dabei wäre, was Hofmannsthal schon nicht zwingend vorgegeben hat, durch eine entsprechende Inszenierung erreichbar gewesen, sei es, indem das Personal des Vorspiels durch schweigend-beredte Anwesenheit zu dem einer "Rahmenhandlung" gemacht und dadurch zugleich der Charakter der Aufführung als einer quasi vorgeführten Metaoper ausgestaltet worden wäre, sei es dass Gesten oder ergänzende Textzeilen eine konkrete Bezugnahme der Parteien aufeinander erkennbar gemacht hätte...

Dass dergleichen funktionieren kann, zeigt Horres selbst im Vorspiel, wenn des Tanzmeisters Mimik explizit bezugnimmt auf die hysterisch überzogene Weltuntergangslyrik seines Kompositionskollegen oder im angeregten Flirt seines Komparsen Brighella mit der Primadonna.


Vergrößerung in neuem Fenster "... ein so jämmerlicher Schauplatz wie eine wüste Insel".

Ähnliches gilt für die Interpretation der Zerbinetta als eines durchaus sehr jugendlichen Wesens, nur wenig erotisch oder gar zwielichtig und keineswegs so abgebrüht und von perfekt einstudierter Rollenverinnerlichung wie man sie sonst häufiger sieht, worüber sie selbst einsichtsvoll reflektiert: "Auf dem Theater spiele ich die Kokette, wer sagt, dass mein Herz dabei im Spiele ist? Ich scheine munter und bin doch traurig, gelte für gesellig und bin doch einsam". An diese Sichtweise muss man sich vielleicht erst gewöhnen, doch lohnt der neue Blick durchaus. Sei es nun Zufall oder absichtsvolle Parallele, trägt hier der Komponist auffällig feminine Züge, nicht im Westenanzug, aber sonst in allem. Der Intention, hier einen 17jährigen zu imaginieren, der tiefsinnsträchtig herum pubertiert ("Ich habe nichts mit dieser Welt gemein"), kommt das nicht unbedingt zugute, wenngleich es der späteren Annäherung an Zerbinetta eine neue Note verleiht, die Hofmannsthal gewiss gut gefallen hätte.


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Die flachwassertaugliche Maskerade vermag die Untröstliche nicht zu erheitern.

Doch zugleich gibt das Bühnenbild auch manche Rätsel auf, die sich bis zum Schlussapplaus - den das Bonner Premierenpublikum auch noch mal üben sollte - leider nicht auflösen: Der Sinn jener surreal proportionierten Soda-Pforten des Vorspiels, dieweil sie nur "so da"-stehen und nirgendwohin geleiten, da es kein Drinnen und Draußen gibt, hat sich mir bis jetzt noch nicht erschlossen, zumal man auf die Wiederaufnahme des Symbols in der Oper vergeblich wartet. Dort scheint vielmehr die Intendanz Meister Sparnolds, wie Chefintendant Arnold Petersen angesichts der verordneten Sparauflagen öfters betitelt wird, darauf hingewirkt zu haben, die Pfützen des "Altbauwasserschadens" aus dem Fliegenden Holländer zu recyceln. Zwar gewinnt man so als Standort der Ariadne gleich einer "Statue auf ihrer eigenen Gruft" tatsächlich eine reale Insel, wodurch sich ihr Aktionsradius auf etwa 10 m² und der aller anderen Mitwirkenden ebenfalls erheblich einschränkt, sofern diese nicht zufällig Gummistiefel dabei haben. Und da die Nymphen, selbst Najade, nun mal keine schwimmtauglichen Rheintöchter sind, resultiert daraus wiederum eine gewisse Starre, die man umso stärker empfindet, als dass Horres hier den gesamten Raum in seiner vollen Bühnentiefe nutzt, ohne ihn mit Inventar zu verstopfen oder auch nur ansatzweise auszustatten, nachdem das Vorspiel äußerst beengt auf der vorderen Bühnenrampe ausgetragen werden musste, das prächtige "Stadtpalais des reichsten Mannes von Wien" also in schmaler Schlitzbauweise errichtet worden zu sein scheint.


Vergrößerung in neuem Fenster "Das Geheimnis des Lebens tritt an sie heran".

Freilich bleiben auch einige Defizite, die allerdings den Gesamteindruck nicht trüben. Das Wienerische, hier wie so oft bei R.Strauss kein bloßes Accidens sondern kaum entbehrlicher Bestandteil der Substanz, zudem ideal konzentrierbar in der Person des Haushofmeister, wird weder geleugnet noch sinnvoll ausgestaltet. Ohne künstlich gedehnte Sprechweise mit entsprechende Betonungspausen kommt die herrlich herablassende Überheblichkeit aber nicht voll zum Vorschein.

Das Orchester der Beethovenhalle präsentierte sich in Topform, spannungsvoll bei der Sache, ausgewogen im Gesamtklang und mit forte nicht geizig. Im Tempo angenehm ungehetzt mit 43:83 min Spieldauer brauchte Marc Soustrot in seiner letzten Bonner Premiere nicht lange, um das zu entwickeln, was Strauss in dieser Klangrauschpartitur für Kammerensemble an Köstlichkeiten angelegt hat. Ihn unterstützte ein personenreiches Ensemble, das bis auf die zur Generalprobe eingesprungene Gritt Gnauck als Dryade überwiegend aus heimischen Kräften assembliert werden konnte. Wichtigste Ausnahme wäre Wolfgang Schmidt mit einem überragenden Bacchus voller Stahlkraft und Glanz, dessen Artikulation sicher noch in den hintersten Reihen verständlich angekommen sein dürfte; gänzlich unverständlich vereinzelte Buhrufe bei seinem Einzelapplaus. Gestattete ihm sein Mantelkostüm mit Lederschärpe und Baumstumpfzubehör nur geringe Bewegungsfreiheit, so war in Elena Pankratova als Ariadne eine parallele Idealbesetzung gefunden, die v.a. im Vorspiel keinen Gelegenheit ausließ, sich auch schauspielerisch als rollenbewusste und bestens bedünkelte Primadonna zu gerieren. Klar in der Höhe und ermüdungsfrei gelang ihrer Darstellung ein Radius, der den ihrer Insel unmessbar überstieg. Julia Kamenik (Najade) lag in Artikulation und Bühnenpräsenz vor ihrer Nymphkollegin Dryade, für die Gritt Gnauck anstelle der erkrankten Anja Vincken zur Generalprobe eingesprungen war.


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Dieser Sternenhimmel dürfte selbst den verdrießten Mäzen versöhnt haben.

Für Ingrid Bartz als Komponist, Victor Sawaley als Tanzmeister und Thomas Möwes als Musiklehrer wurde das Rollenverständnis parallel zur Zerbinetta eher zurückhaltend und weniger affektiert angelegt, was allen 3en gut zugesichte stand. Shooting-star Möwes hat hiermit eine weitere Partie erworben, der wiederum vollauf gewachsen ist.

Für Sirgún Pálmadóttir als Zerbinetta ist mit diesem Auftritt viel gewonnen. In bravoureuser Geschmeidigkeit bewältigte sie ihre Coloratur, und wer danach noch weiterhin Edita Gruberowas - für sich gewiss eine bewahrenswerte Erinnerung - Ausdeutung der Partie aus verflossenen und gottlob überwundenen Zeiten des bundeshauptdörflichen Stehrampentheaters ausgeliehener Weltstars nachtrauert, versündigt sich an der Gegenwart.


FAZIT

Auffällig zurückhaltend im Bemühen um Aktualität gelingt trotz teilweise unbefriedigender Details und einer leichten Tendenz zum Kitsch ein insgeamt doch überzeugender Eindruck, der sich primär den rundweg guten Stimmen - mit einigen Ausreißern nach oben - verdankt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Soustrot

Inszenierung
Kurt Horres

Bühne und Kostüme
Andreas Reinhardt



Orchester der
Beethovenhalle Bonn


Solisten

* Alternativbesetzung

Der Haushofmeister
Justus Fritzsche

Ein Musiklehrer
Thomas Möwes

Der Komponist
Ingrid Bartz
/ Asta Zubaite *

Der Tenor (Bacchus)
Wolfgang Schmidt
/ Alfons Eberz *

Ein Offizier
Reinhard Dingel
/ Josef Michael Linnek *

Ein Tanzmeister
Viktor Sawaley

Ein Perückenmacher
Johannes Mertes

Ein Lakai
Egbert Herold

Zerbinetta
Sirgún Pálmadóttir

Primadonna (Ariadne)
Elena Pankratova
/ Rachel Gettler *

Harlekin
Mark Morouse
/ Reuben Willcox *

Scaramuccio
Mark Rosenthal

Truffaldin
Martin Tzonev

Brighella
Patrick Henckens

Najade
Julia Kamenik

Dryade
Daniela Strothmann

Echo
Anja Vincken



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