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Das Rheingold

Vorabend zum Bühnenfestspiel
Der Ring des Nibelungen

Musik und Dichtung
von Richard Wagner

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (keine Pause)

Halbszenische Aufführung im Konzerthaus Dortmund
am 17. Mai 2003



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Demut vor dem Werk statt Personenkult

Von Thomas Tillmann / Fotos von Klaus Rudolph



Ach, es gibt sie doch noch, diese Abende, an denen man tief beglückt die Heimreise antritt, weil man das Gefühl hat, an einem wirklich bedeutenden Ereignis teilgenommen zu haben. Seine Hommage an Hans Wallat zu dessen 75. Geburtstag am 18. Oktober 2004 begeht das Konzerthaus Dortmund mit einer halbszenischen Aufführung von Wagners Ring, dessen ersten Teil zu erleben dem Rezensenten bereits unvergesslich bleiben wird, zumal man mit wenigen Ausnahmen ein erfahrenes, kompetentes Ensemble hatte gewinnen können, das auch ohne Bühne und Kostüme echte Figuren zu kreieren verstand und den hohen Ansprüchen des musikalischen Leiters gerecht werden konnte ("Man muss heute schon lange suchen, bis man eine erstklassige Besetzung zusammenbekommt ... neben den stimmlichen Voraussetzungen muss ein guter Wagnersänger unbedingt auch die entsprechende Ausdruckskraft haben. Das fängt bei der reinen Textverständlichkeit an.").

Vergrößerung Die Riesen (Philip Kang und Jan-Hendrik Rootering, rechts) fordern ihren Lohn für den Bau Walhalls von den Göttern (von links nach rechts: Bodo Brinkmann als Donner, Jane Henschel als Fricka, Amanda Halgrimson als Freia, Kurt Schreibmayer als Froh, Albert Dohmen als Wotan und Bruce Rankin als Loge).

Albert Dohmen, dessen hervorragende Leistung als Wotan man auch anhand der preisgünstig zu erwerbenden CD der Firma Arte Nova Classics überprüfen kann (die Aufführungen des Rheingold von den Tiroler Festspielen Erl und aus dem Teatro di San Carlo in Neapel aus dem Sommer 1998 festhält) und der inzwischen zu einem der führenden Interpreten dieser Partie weltweit gehört, bestach an diesem Abend in erster Linie durch die große Autorität seines Vortrags; besonders die tiefe Lage seines üppigen, aber nie ungeschlacht, sondern häufig und mit Verstand piano eingesetzten Bassbaritons ist imposant, ohne dass damit Grenzen in der Höhe einhergingen. Unterschiedliche Aufnahme fand hingegen Bruce Rankins Rollendebüt als Loge, dessen Timbre vielleicht nicht das edelste ist und dessen s-Fehler eine harte Probe war, der aber in seine Gestaltung dieser häufig nur mit unschönem Sprechgesang und maßloser Übertreibung bewältigten Partie seine große Erfahrung auch im italienischen Fach einbringen konnte und mit viel Legato und seriösem Parlando wenigstens den Rezensenten überzeugte. Eine exzellente, ungemein differenzierte Fricka gab die in Dortmund nicht vergessene Jane Henschel, deren in allen Lagen kraftvoller, prächtig strömender, saftiger Mezzosopran auch den Schuss Zickigkeit und Strenge aufweist, der so gut zu Fricka passt. Eine Zumutung war dagegen der abgesungen-überreife, klirrend-schrille, erhebliche Nebengeräusche aufweisende Sopran der in einer mir nicht zugänglichen Sprache singenden Amanda Halgrimson als Freia (unangenehmste Erinnerungen an eine skandalöse Kaiserin in Essen kamen beim Rezensenten hoch).

Böse Vorahnungen hinsichtlich seines Engagements als Siegfried an der Opéra Royal de Wallonie in den nächsten Jahren ließen Kurt Schreibmayers unzureichende weil aus nicht viel mehr als unkontrolliert-derbem Gebrüll bestehende Bemühungen um die deutlich kleinere Partie des Froh aufkommen: Ein solch weit schwingendes Höhenvibrato hört man selten bei einem Tenor, bei dem man sich nur an einzelnen Tönen in der breiten Mittellage freuen kann, und so fragte man sich einmal mehr, ob inzwischen eine verbrauchte, laute, unfokussierte Stimme wirklich reicht, um Karriere im schwach besetzten Heldentenorfach zu machen (Beispiele dafür gibt es leider allzu viele). Bodo Brinkmann, früher häufig selber als Wotan an der Deutschen Oper am Rhein unter Wallat im Einsatz (der inzwischen achtzig, neunzig Ring-Zyklen dirigiert hat, besonders Ende der achtziger Jahre, als die Tetralogie in Düsseldorf, Duisburg und Köln auf dem Spielplan stand), tut gut daran, sich kleineren Partien wie der des Donner zuzuwenden. Mit Erstaunen las ich, dass Jan-Hendrik Rootering bereits 1999 seinen ersten Wotan in der Walküre in Stuttgart gesungen hat und von 2002 bis 2004 an der Bayerischen Staatsoper alle drei Partien übernimmt - die matte, wenig präsente Höhe an diesem Abend sprach nicht dafür, auch nicht die begrenzten interpretatorischen Möglichkeiten. Da hatte Philip Kang mit seinem körnig-düsteren, mitunter geradezu dröhnenden, rauen, schwarzen Bass mehr anzubieten. Weltklasseniveau hatte zweifellos Franz-Josef Kapellmanns Interpretation des Alberich, die nicht nur von der eine langjährige intensive Beschäftigung mit der Partie erkennen lassenden Textausdeutung, der atemberaubenden Rollenidentifikation und einer unbeschreiblichen Vielfalt von Farben und Nuancen lebt, sondern auch vokal keine Wünsche offen lässt, und über Helmut Pampuchs immer noch exzellenten Mime ist ohnehin alles gesagt - nicht umsonst hat der Tenor damit in der ganzen Welt reüssiert. Birgitta Svendén war einmal mehr mit pastos-körperreichem Alt eine Offenbarung als angemessen schlichte Erda, und auch die Interpretinnen der Rheintöchter hinterließen insgesamt einen guten Eindruck, namentlich Sylvia Hamvasi als leichtgewichtige, mir etwas zu soubrettige und zu sehr mit der deutschen Diktion kämpfende Woglinde, Cornelia Helfricht als vollmundige Wellgunde sowie die am deutlichsten artikulierende Annette Seiltgen mit metallisch-schlankem, leicht klingelnden und vielleicht etwas zu hellen Mezzosopran als Floßhilde.

Vergrößerung Das Finale: Die Götter (von links nach rechts: Kurt Schreibmayer als Froh, Amanda Halgrimson als Freia, Albert Dohmen als Wotan, Jane Henschel als Fricka und Bodo Brinkmann als Donner) ziehen in Walhall ein, Loge (Bruce Rankin) distanziert sich, die Rheintöchter (unten: Cornelia Helfricht, Annette Seiltgen und Sylvia Hamvasi) beklagen den Verlust des Goldes (im Vordergrund: das Philharmonische Orchester Dortmund unter Hans Wallat).

Doch das eigentliche Ereignis war natürlich die Werkinterpretation Hans Wallats, dieser "lange Atem, diese organischen Steigerungen", die er, befragt nach seinen Eindrücken von den wichtigen Ring-Einspielungen, bei Solti bei aller Bewunderung ein wenig vermisst und selber so wunderbar beherrscht, diese großen Bögen, von denen einige erst in anderthalb Jahren bei der Götterdämmerung enden werden, die gekonnten Übergänge, die "richtigen" Tempi, die Ruhe, die aber anders als bei manchem Kollegen eine erfüllte ist und keinen Stillstand bedeutet, dieser volle, runde, mitunter auch wuchtige, aber nie eitler Lautstärkedemonstration verpflichtete, süchtig machende Klang, die Ausgewogenheit zwischen den Gruppen im Philharmonischen Orchester, die Höhepunkte, die ebenso wie die präzis herausgearbeiteten zentralen Leitmotive eben nicht isoliert vorgeführt werden, sondern vorbildlich in das Gesamtkonzept eingebettet sind, die Bescheidenheit und Demut (wie es ein Konzertbesucher während der Premierenfeier formulierte) des Interpreten, der nicht sich, sondern den Komponisten in den Vordergrund stellt und in einem erhellenden Interview mit Thomas Voigt, das im Programmheft abgedruckt ist und nicht zuletzt wunderbare Fotos enthält, auf denen der gebürtige Berliner mit bedeutenden Weggefährten wie Karl Böhm, Wolfgang Wagner, August Everding, Ioan Holender, Bernd Weikl, Gösta Winbergh, Maria Jeritza oder Montserrat Caballé zu sehen ist, manche seiner künstlerischen Überzeugungen preisgibt.

Die szenische Realisation von Gudrun Hartmann schließlich (sie ist Mitarbeiterin Jürgen Flimms bei seiner aktuellen Bayreuther Produktion der Tetralogie) legte im Verbund mit der superben Lichtdramaturgie von Andreas Fuchs dezent, aber Sinn stiftend die dramaturgische Struktur des komplexen Werkes und das Beziehungsgeflecht zwischen den Personen offen, ohne den Raum für eigene Assoziationen des Betrachters allzu sehr einzuschränken oder eine eindeutige Antwort auf die Frage zu geben, der sich jede szenische Deutung stellen muss, nämlich was diese spezielle Produktion mit dem zugrunde gelegten Stück sagen will - eine Frage, die manche Deutungen der letzten Jahre freilich ebenfalls unbeantwortet ließ.


FAZIT

Mit standing ovations bedankte sich das Publikum bei Hans Wallat für diese unerhörte Wiedergabe des Rheingold, die als Hommage auf einen der letzten wirklichen "Kapellmeister" (so die liebste Berufsbezeichnung des Berliners) gedacht war, vom Geehrten aber in seiner bekannt bescheidenen Art zu einer Hommage auf das einzigartige Oeuvre Richard Wagners umfunktioniert wurde - vielen seiner (jüngeren) Kollegen scheint mir mitunter ein solcher Respekt vor der Musik zu fehlen und mehr an eitler Selbstinszenierung gelegen zu sein. Freuen wir uns also auf die Fortsetzungen am 23. 11., 4. 4. und 17. 10. 2004!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hans Wallat

Szenische Realisation
Gudrun Hartmann

Lichtdesign
Andreas Fuchs



Kinderchor der Chorakademie
am Konzerthaus Dortmund

Philharmonisches Orchester
Dortmund


Solisten

Wotan
Albert Dohmen

Donner
Bodo Brinkmann

Froh
Kurt Schreibmayer

Loge
Bruce Rankin

Alberich
Franz-Josef Kapellmann

Mime
Helmut Pampuch

Fasolt
Jan-Hendrik Rootering

Fafner
Philip Kang

Fricka
Jane Henschel

Freia
Amanda Halgrimson

Erda
Birgitta Svendén

Woglinde
Sylvia Hamvasi

Wellgunde
Cornelia Helfricht

Floßhilde
Annette Seiltgen



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Konzerthaus Dortmund
(Homepage)



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