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Lohengrin

Romantische Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner
Dichtung vom Komponisten

Premiere im Landestheater Detmold am 22. September 2002




Landestheater Detmold
(Homepage)

Keine Frage!

Von Mariko Jacoby / Fotos von Bettina Scherzer


Es ist schon ein Wagnis, in einem kleinen Theater wie Detmold ein so großes Stück auf die Beine zu stellen. Aber Intendant Ulf Reiher, der neue Generalmusikdirektor Erich Wächter und Regisseur Jan-Richard Kehl ließen sich nicht abschrecken. Und es ist auch gut so. Mit diesem Lohengrin ist ihnen und den Mitwirkenden nämlich ein glänzender Anfang der neuen Spielzeit gelungen.



Vergrößerung Verliebt: Lohengrin und Elsa

Anstatt auf pompöse Effekte oder dergleichen zu setzen, hat Jan-Richard Kehl das persönliche Drama zwischen den Hauptpersonen herausgearbeitet. Im Zentrum steht bei ihm das Motiv "Fragen", das er schon beim inszenierten Vorspiel aufgreift. Während Elsa über ihrem Buch eingeschlafen ist, bringt Ortrud Gottfried (mittels Anschreiben mit Kreide) dazu, sie nach ihrem Vater zu fragen. Als sie dann mit "Dein Vater hat ihn umgebracht" antwortet, kommt Lohengrin mit einem Gehilfen und verwandelt ihn in den Schwan. Während der Besucher noch über die Bedeutung dieser Dinge nachdenkt, geht der Vorhang auf und man sieht auf die Bühne mit weiß verhüllten Wänden (Bünenbild: Michael Engel). Alle Männer und Ortrud sind in schwarz, Elsa und die Frauen in weiß gehalten. Lohengrin ist interessanterweise auch in schwarz, doch zur Kennzeichnung in einen glänzenden Anzug gekleidet. Bei seinem Auftritt werden die Vorhänge heruntergelassen und es wird eine weiße, zweistöckige Säulenhalle sichtbar. Laut Programmheft symbolisiert diese die Wunsch- und Heilsvorstellung der Menschen, die während der "Heils"-Beschwörung aufgebaut wird, als Sinnbild für die Weltsicht der Menschen, die sich in der Architektur zeigt, so wie Wolkenkratzer für Kapitalismus oder Globalisierung stehen.

Vergrößerung

Das Unheil naht in Gestalt der Ortrud

In diesen Rahmen kam das Persönliche. Jan-Richard Kehl schaffte es während des fast vierstündigen Werkes, die Zuschauer an das Geschehen zu fesseln. Er hat auch versucht, das Prinzip "Masse" in sein Konzept einzubringen. Es erfolgt eine strikte Trennung zwischen den Brabantern und den Mannen des Königs. Sie bewegen sich harmonisch, fast ohne Individualität. Zum Beispiel schauen alle bis auf Ortrud und Telramund diskret in eine andere Richtung, als Lohengrin und Elsa im ersten Akt das erste Mal miteinander sprechen. Es entstand eine spannende Intimität zwischen den Protagonisten, ein persönliches Drama: Elsa ist nicht nur die Reine, Weiße, sondern ein junges, naives Mädchen, das viel liest und sehr verträumt ist, vielleicht sogar in einer eigenen Welt lebt. Lohengrin ist schwarz gekleidet, so ist er auch weniger ein gottgesandter Held, sondern in erster Linie ein normaler Mann, der sich nach Liebe und Zuneigung von Elsa sehnt. Die Entwicklung der Beziehung der beiden Personen ist in der Brautgemachszene im dritten Akt detailliert herausgearbeitet. Sie benehmen sich wie verliebte Teenager, die nicht wissen, wie sie miteinander umgehen sollen. Als Lohengrin versucht, ihr näherzukommen, entzieht sie sich ihm und singt verträumt ins Publikum: "Doch ich zuvor schon hatte dich gesehen, in sel'gem Traume warst du mir genaht.".



Vergrößerung Ortrud, Lohengrin und der Heerrufer

Die mächtige Gegenspielerin Ortrud ist die einzige Person in Farbe. Zunächst mit einem schwarzen Mantel bedeckt, kommt im zweiten Akt ein knallrotes Kleid zum Vorschein. Sie wird dadurch oft in den Mittelpunkt gerückt. Sie besitzt die Macht, Elsa zu der verbotenen Frage zu bringen. - Am Ende des zweiten Aktes schaut Elsa, während sie in die Kathedrale schreitet, beim Fragemotiv zu ihr zurück. In der Szene im Brautgemach ist sie immer im Hintergrund anwesend.
Kehl zeigte sich als Meister im Herausarbeiten von Atmosphäre, jedoch nicht konsequent und unpassend erschien es mir, als Elsa am Ende des zweiten Aktes im völligen Dunkel mit neonblau strahlenden "Nicht fragen"-Aufschriften konfrontiert wurde. Etwas merkwürdig erschienen mir auch Dinge wie zum Beispiel die Darstellung des "Marsches" des Chores durch rythmisches Hin- und Herwiegen. Dies erinnerte eher an Oktoberfest und war nicht überzeugend. Oder als die Brabanter unter lautem Scheppern ihre Schilder fallen lassen, als Lohengrin ankündigt, nicht mit ihnen in den Krieg ziehen zu können.

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"Sagt, ob ich ihn mit Recht erschlug?"

Klasse die musikalische Leistung des Landestheaters. Chor und Orchester waren hervorragend, es wurde mit brillianten Solisten mit außerordentlicher Sing- und Spielfreude aufgewartet: Brigitte Bauma bestach durch ihre meisterliche gesangliche Charakterisierung der Elsa. Mit vielen verschiedenen Nuancen drückte sie die verschiedenen Stimmungen und Emotionen der Elsa differenziert aus, ebenso vereinnahmend war ihre schauspielerische Leistung. Ivar Gilhuus als Lohengrin besitzt eine schöne Heldentenorstimme, mit der er mit kleinen Unsicherheiten und Unsauberkeiten die Partie meisterte. Obwohl er zwischendurch Schwierigkeiten hatte, die Tücken seiner anspruchsvollen Partie mit der detailfreudigen Regie zu verbinden, verkörperte er überzeugend den einsamen Ritter. Margo Weiskam gestaltete Ortrud mit ihrer mächtigen und ausdrucksstarken Stimme, wobei die Artikulation leider unter der vokalen Kraftmeierei litt. Mit wunderschöner, sonorer Stimme sang Ulf Paulsen den Telramund. Sein dunkles Timbre erwies sich als ideal passend zu dessen finsteren Charakter. Er hat jedoch erkennbare Tendenz zur festen Höhe, die wohl zum größten Teil durch Premierennervosität zu erklären ist. Hans-Otto Weiß als König Heinrich und Rainer Weiss als Heerrufer vervollständigten das Ensemble.

Noch nie hörte man Chor und Orchester des Landestheaters so gut. Im Laufe des Vorspieles entwickelten sich unter der souveränen Leitung von Erich Wächter ein beeindruckender Wagner-Klang, der für den Rest des Abends anhielt. Der mächtige Chor (er erhielt Unterstützung vom Coruso e.V.) zeigte sich erstaunlich sauber und klangschön. Das Streicherensemble musizierte differenziert, sicher in der Intonation und im Ausdruck. An dieser Stelle ist Wächters hervorragende Leistung hervorzuheben: Er entlockte ihnen wunderschöne Zwischenspiele, die die Zuschauer in Atem hielten, wie zum Beispiel jenes nach der Elsa-Ortrud-Szene im zweiten Akt. Natürlich konnten auch die Blechbläser ihr Bestes geben und beeindrucken. Im Zusammenspiel aller entstand eine spannende Dynamik, die Ensembles waren mächtig und mitreißend, eine rundum gelungene musikalische Darbietung, die den Raum vollends ausfüllte.


FAZIT

Dies sollte man sich nicht entgehen lassen! Das Detmolder Landestheater hat eine Mammutproduktion auf die Beine gestellt, auch als Vollblutwagnerianer wird man seine Freude haben an der tollen musikalischen Gestaltung und der interessanten, perfekt mit der Musik harmonierenden Inszenierung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Erich Wächter

Inszenierung
Jan-Richard Kehl

Bühne
Michael Engel

Kostüme
Claudia Heinrig

Dramaturgie
Elisabeth Wirtz



Orchester, Chor und Extrachor
des Landestheaters Detmold,
Mitglieder von Coruso e.V.-
Erster Deutscher freier Opernchor e.V.


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Heinrich der Vogler
Vladimir Miakotine /
Hans-Otto Weiß*

Lohengrin
Ivar Gilhuus* /
Alexei N. Vavilov

Elsa von Brabant
Brigitte Bauma

Fiedrich von Telramund
Elmar Andree /
Ulf Paulsen*

Ortrud, seine Gemahlin
Dorothea Geipel /
Margo Weiskam*

Der Heerrufer des Königs
Yoo-Chang Nah /
Rainer Weiss*

Vier brabantische Edle
Bruno Gebauer* /
Francesco Nemeo
Michael Klein* /
Fabian Rabsch
Matthias Nenner
Ulf Bunde* /
Joachim Goltz

Vier Edelknaben
Nina Feldmann* /
Sigrid Heidemann
Melanie Hirsch
Kirsten Höner zu Siederdissen
Simone Tschöke

Herzog Gottfried, Elsas Bruder
Vladimir Karadjov /
David Niggemann*


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Landestheater Detmold
(Homepage)




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