Explosives Tanzgeschehen
Von Sebastian Hanusa
Können Körper erzählen? Oder verglüht die Geschichte im Feuer der Leidenschaft? Shakespeares Othello, reduziert auf die Glut der Gefühle - die brennende Liebe, den selbstzerstörerischen Zweifel und die blinde Wut ist Sujet von Bernardo Montets Choreographie "O.More".
Ausgehend von einem Tanzprojekt im marokkanischen Marrakesch bilden Tänzer aus Marokko und dem Senegal zusammen mit Montet die ausschließlich aus Männern bestehende Compagnie. Begleitet von drei marokkanischen Musikern wird vom Lieben und Leiden des Mohrs in veneziansichem Dienst erzählt. Der Fokus richtet sich ganz auf die Person Othellos und dessen Gefühlsleben. Eine lineare Erzählung weicht motivischen Fragmenten, die durch das getanzte Psychogramm treiben: Das Brautkleid Desdomonas oder umschlungene Körper, die einen leidenschaftlichen Liebesakt wie auch die Qual der Einflüsterungen symbolisieren. Die sechs Tänzer sind abwechselnd oder gemeinsam Othello selber und dessen Projektionen und Wahnfiguren.
Die Energie des Tanzes ist frappierend, aufsehenerregend ist die ungewöhnliche Körpersprache: Elemente "klassischen" Ausdruckstanzes werden mit den verschiedenen traditionellen Formen der afrikanischen Ensemble-Mitglieder zu einer originären Tanzsprache verschmolzen. Was dabei ein wenig auf der Strecke bleibt, ist das narrative Moment gerade jener traditionellen Formen. Einzelne Momente einer Geschichte bleiben vage, verschwimmen im Nebel der intendierten Psychogrammatik des Stückes.
An Form bleibt lediglich der Rahmen eines Rituals; beginnend mit dem festlichen Einzug der Tänzer im Gefolge der trommelnden Musiker wird der Ablauf des Stückes vom Wechsel zwischen Gruppen-Aktivität und solistischen Szenen bestimmt. Innerhalb dieses Rahmens herrscht indes die fast schmerzende Intensität des Gefühls vor, auf der Kippe zwischen Orgie und Aufschrei.
Die physische Intensität erschlägt, kann aber nicht den Mangel an formaler Gestaltung ersetzen, so daß sich trotz der tänzerischen Höchstleistungen mit der Zeit ein Gefühl der Ermüdung einstellt. Erwähnung verdienen die drei marokkanischen Musiker, die mit Einsatz minimaler Mittel Trommeln, ein Baßinstrument, ein Paar Rasseln sowie Stimme und Händeklatschen , und nur stellenweise von einer zurückhaltenden Elektronik unterstützt, eine dichte und spannende Begleitung des Bühnengeschehens liefern.
FAZIT
Eine frappierende Körperlichkeit und die ungewöhnliche Tanzsprache dominieren vor eher schwacher formaler Gestalt.
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Produktionsteam
Choreographie Bernardo Montet
Bühne Gilles Touyard
Kostüme Rose-Marie Melka
Musik-Montage Alain L'Helgoual'ch
Licht Laurent Matignon
Ensemble
Herwann Asseh, Mani Asumani,
Taoufiq Izzeddiou, Bernardo Montet,
Dimitri Tsiapkinis, Marc Veh
Musiker
Zine El Abidine Bassis
Adil Amim, Lahsen Mhidi
Weitere Informationen
Le Carreau (Homepage)
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