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Ein Gastspiel mit Pannen
Von Angela Mense
Peinlich, wenn man erst vor vollem Saal merkt, dass der Konzertflügel
verstimmt ist. Und das, obwohl der Klavierstimmer das gute Stück kurz vor
Konzertbeginn nochmal durch seinen absoluten Gehörgang gepresst hat. Naja,
kann ja mal passieren. War sicher ein böser Luftzug. Nur gab es aus
Anlass des letzten Kammermusik-Abends der Forbacher Bühne Le Carreau kein
Klavier, sondern ein Cembalo zu stimmen – es stand mit Purcells Dido und
Aeneas die Lieblingsoper aller Alte-Musik-Fans auf dem Programm. Die
instrumentale Verstimmung schien jedoch der Auftakt zu einer Serie von Pleiten,
Pech und Pannen zu sein.
Da war zum einen der Umstand, daß die Oper konzertant aufgeführt
wurde, was die Ankündigung verschwieg. Hätte man doch vorher mal eben
im Opernführer nachgeschaut, um zu verstehen, was denn da jetzt genau
geliebt, verhext, betrogen, gelitten und gestorben wird. Denn weder die
spärlichen Andeutungen im Programmheft noch die peinlich verzagte Mimik
und Gestik der Sänger halfen, einen hochdramatischen, auf eine Stunde
kondensierten Plot zu verstehen. Und – ein dramaturgischer Kunstgriff ins
Klo: Man schob zur Verlängerung des Abends einige Highlights aus Purcells
The Fairy Queen
zwischen den 1. und 2. Akt. Dido und Aeneas hatten sich gerade das Ja-Wort
gegeben, da ertönten die wunderbaren Einschlaf-Arien der Feen für
ihre Königin. Das Programmheft schweigt, das Publikum denkt sich seinen
Teil – oder auch nicht.
Mit Sicherheit wurde es um hohe Dramatik und echte Gefühle betrogen. Dabei
hätte man so gerne mitgelitten: Auf dem Heimweg von Troja begegnet Aeneas
der Karthager-Königin Dido. Er verliebt sich in sie und muß schwer
um sie werben, denn sie fühlt das Schicksal nicht auf ihrer Seite. Und als
hätte sie´s geahnt, verschwören sich Hexen gegen sie, die ihnen
das junge Glück nicht gönnen. Die Oberzauberin nimmt als Merkur
verkleidet Aeneas den Schwur ab, Dido zu verlassen. Dido macht Aeneas eine
Szene. Als er sieht, was er angerichtet hat, will er den Schwur brechen und
bleiben. Doch sie schickt ihn weg mit der Drohung, sich sonst umzubringen. Kaum
ist er gegangen, muß sie sich eingestehen, da§ sie ohne ihn auch nicht
kann, singt das berühmte Lamento "When I am laid in earth" und stirbt.
Insgesamt folgte die Aufführung unter der Leitung Jérôme
Correas´ einem strengen Minimalismus, der sich rein äußerlich
gut in die Intimität des Auditoriums Burghof fügte. Das
Kammerorchester war mit dem Ensemble Les Paladins auf fünf
Instrumentalisten inklusive Continuo-Gruppe und Konzertmeister geschrumpft.
Rätsel gab die Besetzung der acht Chor- und Solo-Sänger auf. So
mußte Stéphanie Revidat ihr lyrisch-dramatisches Potenzial
zurückstecken, um der hellen, leichten Sopranpartie der Belinda gerecht zu
werden – was nur streckenweise gelang. Da brach ein klares, vollmundiges
Timbre und eine souverän beherrschte Dramatik hervor, die man bei Claire
Brua als Dido schmerzlich vermisste. Die Stimme war nödelig belegt –
aber vielleicht hatte sie ja einen Frosch im Hals. Steife Körperhaltung
und ein Minenspiel, das zwischen ausdruckslos und hoch leidend keine Nuancen
bereit hielt – ein Hexenschuss?
Bezaubernd dagegen war der Vortrag der übrigen Sänger, nicht nur in
den Hexen- und Matrosenszenen, die sowohl Publikum als auch Chor erheiterten.
Pascal Bertin gab mit glattem Alto-Timbre einen würdigen Oberhexer.
Caroline Pelon ließ ihren Charme als Gefolgsdame und Hexe nicht nur durch
Präsenz und Ausstrahlung, sondern auch durch eine ganz eigene stimmliche
Brillanz spielen. Matthieu Lecroart interpretierte seinen Aeneas als
schwächlichen, leidenden Helden mit sanfter Baritonstimme.
Professionalität bewiesen die Sänger auch in den Ensemble-Partien, in
denen Chor- und Solostimmen in einen satten, schlanken Chorklang aufgingen.
Entzaubert wurde die musikalische Performance nicht nur durch verstimmte
Instrumente. Der ordnenden Hand Jérôme Correas´ entglitt
mehr als einmal die Autorität über die dynamische und virtuose
Prägnanz und Harmonienfülle, die Purcells Musik zu bieten hat.
Streckenweise langweilte eine etwas müde Interpretation, das
Ensemble-Spiel schien wenig aufeinander abgestimmt. Zudem sollte der Einsatz
des Orgelpositivs den Orchesterklang dort aufpeppen, wo das Streichquartett der
elegischen Intensität nicht gerecht wurde. Dann wurde dem "heidnischen"
Mythos plötzlich die sakrale Schwere eines christlichen Gottesdientes
aufgepfropft. Aber das war sicher ein Versehen...
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
SolistenDido Claire Brua
Aeneas
Belinda
Zauberin
2. Gefolgsdame / 1. Hexe
2. Hexe
1. Seemann
2. Seemann
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