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Stehspiel statt Singspiel
Von Sebastian Hanusa
Es ist das passende Stück zur Weltlage und dies gleich an jeder zweiten deutschen Bühne. Man mag es prophetisch nennen, wenn pünktlich zum Golfkrieg und dem drohenden Kampf der Kulturen Mozarts Entführung auf dem Gros der Spielpläne zu finden ist. Doch hiermit tut man dem Stück wohl unrecht: Die Türken vor Wien waren nicht die al Quaida und das fast volkstümliche Aufklärung-Pathos des Stückes "Hingegen menschlich gütig sein und ohne Eigennutz verzeihn" taugt bestenfalls für Fox-TV, weniger für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema "Interkulturalität". Letztlich ist Mozerts Türkei wohl mehr Dekor als Thema, während es eher um das Konzept aufgeklärten Herrschertums im Europa vor der großen Revolution geht: Bassa Selim als die Projektion des guten Herrschers im Sinne Josephs II. Und hinzu kommt dann das Dauerthema Mozarts, die in Frage gestellte Liebe, die Verwirrung der Gefühle: Empfindet Konstanze wirklich nur Achtung für den Bassa und ist das Hasch-mich-Spiel mit Osmin nicht zumindest reizvoll. Charakterlich überzeugend ist Belmonte nun auch nicht gerade zumindest wirkt er etwas unreif. Dem Werben des Bassa nachgeben ... Das Tagesgeschehen stellt trotz allem Ansprüche an das Stück unabhängig davon, ob es diese erfüllen kann und die konkurrierenden Interpretation der benachbarten Bühnen tuen ein übriges. Rebecca Rosenthal in Kaiserslautern wählt den einfachsten Weg, die Flucht ins musikdramatische Niemandsland des pseudo-verklärten Gestern. Ein naiv-naturalistischer Bühnenorient mit Krummsäbeln und zwiebelturmgekröntem Sandstein Marke "brutal" tötet alle Ambitionen und schließt die Gefahr einer politischen Aktualisierung von vornherein aus. Die Türkei ist ein verkitschtes Niemandsland, das sie selbst in Wien anno 1782 angesichts plünernder Horden hundert Jahre zuvor auch auf der Singspiel-Bühne noch nicht war. oder dem fernen Geliebten treu sein?
Statt der aufklärerischen Stellungsnahme ist vielleicht die psychologische Sicht interessanter. Die Oper als das ironisches Spiel mit dem Feuer der Liebe mit der Frage nach Treue, Größe und dem Punkt, wer eigentlich zu wem gehört. Leider ist hiervon genauso wenig bemerkbar. wird nur an wenigen Stellen bemerkbar. In Konstanzes großer Arien "Martern aller Arten" oder im Finale des zweite Aktes reißt die Kraft der Musik mit, dominiert die Szene. Aber gerade in den eher spröden Passagen des ersten Aktes und abseits der absoluten musikalischen Höhepunkte versagt die Regie. Sie kommt über ein sprödes Rampenstehen und szenische Klischees nicht hinaus, bestenfalls komödiantische Gemeinplätze wie das Duett Osmin-Pedrillo rufen ein entspanntes Lächeln hervor. Ist es die Ohnmacht des Anspruchs, die eigene Langeweile oder gar das Korsett der Provinz Rebecca Rosental ergänzt die Reihe unausgegorener Opernproduktionen der letzten Jahre um ein weiteres Kapitel. Dessen befreiendes Eintreffen bringt keine endgültige Lösung. Dabei hatte es vielversprechend angefangen. Cortis Begeisterung am Dirigentenpult quillt aus dem Graben, das Pfalzorchester spielt mit Schwung, Temperament und Geist. Tempi und Phrasierung stimmen, die Koordination mit den Sängern klappt bestens und auch die kniffeligen Passagen des mozartischen Satzes werden von den Musikern souverän gemeistert. Die Besetzung der Sänger ist eher vermischt. Erwin Feith als Belmonte hat eine sehr schöne Tenor-Stimme, die aber eine leichte Tendenz zum Knödel hat, so daß die Phrasierung mitunter gesteigertem Kraftaufwand zum Opfer fällt. Reinhard Sannemann als "stummer" Bassa ist väterlich edel, aber eben auch nicht mehr. Hier war Martin Leutgebs Interpretation im benachbarten Saarbrücken überzeugender, indem er Bassa Selim als komplexen und interessanten Charakter zu gestalten vermochte, dessen Werben auszuschlagen Konstanze letztlich auch ein wenig leid tut. Adelheid Fink schien Anfangs mit der Partie der Konstanze noch etwas überfordert, gerade in der Höhe wurde ihre Stimme leicht spitz und etwas unsicher. Im Lauf der Aufführung hat sie sich indes warmgesungen, letztlich mit einer guten Mischung aus Geläufigkeit und dramatischer Schärfe überzeugt. Auf jeden Fall wird sie an ihrer Rolle wachsen, so daß man gespannt in die Zukunft blicken kann. Letzteres ließe sich von Carmen Acosta als Blondes und Mario Podrecnik als Pedrillos sagen, die beide eine sichere und erfrischend jugendliche Interpretation präsentierten. Besonders erstere war zudem eine Offenbarung an szenischem Spielwitz und Beweglichkeit. Bei Hidekazu Tsumaya in der Rolle des Osmin war augenfällig, daß nicht nur eine sonore Tiefe einen guten Baß ausmacht und daß gerade im Frequenzbereich der großen Oktave Volumen nicht alles ist. Beweglichkeit, Reinheit der Intonation und klare Diktion wurden dem Klangvolumen geopfert.. Er konnte noch so laut singen ohne eine Diktion war auch die geforderte Intensität nicht zu erreichen.
Es bleibt zu hoffen, daß sich wenigsten die Sänger noch etwas warmspielen, um somit die Schwäche der Regie mit individueller Spielfreude kompensieren.
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ProduktionsteamMusikalische LeitungFrancesco Corti
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreinstudierung
Dramaturgie
Chor und Statisterie des Pfalztheaters Kaiserslautern Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung Bassa Selim
Konstanze
Blonde
Belmonte
Pedrillo
Osmin
Chorsoli Elena Gerasimova / Sora Lee / Shin Nishino / Jung-Baik Seok / Dan Cioroianu / Dmitri Oussar
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- Fine -