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"Schlösser, die im Monde liegen"
Von Thomas Tillmann
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Fotos von der Opéra Royal de Wallonie Es ist sicher eine der schwierigsten Aufgaben für einen Regisseur, Verdis musikalisches Meisterwerk Il Trovatore heutzutage überzeugend zu inszenieren - ich kann mich kaum an eine Produktion erinnern, die nicht entweder unerträglich hausbacken und traditionell daherkam oder aber bilderstürmerisch die in der Tat problematische Handlung der Oper der Lächerlichkeit preisgab. Insofern verdient Francesco Michelis bereits in Avignon vorgestellte, eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Werk erkennen lassende Idee wenigstens Respekt, das Geschehen auf den Mond zu verlegen, der auch in immer wieder neuen, stimmungsvollen (Video-)Projektionen im Hintergrund der von Edoardo Sanchi als weitgehend leerer Kasten mit hochfahrbaren Seitenwänden und ansteigender, wie ein vertrockneter, zerberstender Wüstenboden gestalteter Spielfläche zu bewundern war, auch wenn mir der tiefere Sinn nicht recht einleuchtete (dass eine der Hauptfiguren das italienische Wort "luna" im Titel trägt, wird doch nicht die Ursache gewesen sein!), Auch die reichlich hölzerne Choreografie, die stilisierten Gesten und das permanente Hinknien trugen nicht gerade dazu bei, dem Zuschauer die Gefühlslagen der von Elena Cicorella mit futuristisch angehauchten, edel-schlichten Kostümen und mancherlei Kopfbedeckungen ausstaffierten Personen näher zu bringen (ein Sonderlob verdienen die schicken roten Zigeuner-Outfits!) . Ferrandos Männer (Chor der Opéra Royal de Wallonie) lauschen dessen Erzählung von der Verbrennung des Bruders des Grafen Luna.
Neben einigen sehr gelungenen Szenen - ich denke etwa an das zweite Finale oder das Schlussbild, in dem der junge Italiener sehr berührend den Konflikt Manricos zwischen seiner Liebe zu Leonora einerseits und zu Azucena andererseits zu illustrieren versteht - bleiben auch manche überflüssige Einfälle im Gedächtnis, wie der permanente Einsatz des Loches in der Bühnenmitte, aus dem nicht nur die Protagonisten gern auftauchten, sondern Manrico und Leonora am Schluss gemeinsam verschwanden, was das Libretto nun gerade nicht vorsieht, und auch das Verbrennen der Miniaturversion des Lunaschen Schlosses an derselben Stelle trägt wenig zur Deutung des Stückes bei, verpestet aber für den Rest des Abends die Luft auf der grundsätzlich dunklen, von Roberto Tarasco sehr geschickt ausgeleuchteten Bühne und im Zuschauerraum. Der Conte di Luna (Carlos Almaguer, Mitte) kann nicht fassen, dass Leonora (Melania Isar, links) ausgerechnet seinen Rivalen Manrico (Miguel Olano, rechts) liebt.
Die vier besten Sänger der Welt, die man nach einem berühmten Dictum für eine angemessene Aufführung des Troubadour braucht, hatte die Intendanz der Opéra Royal de Wallonie freilich nicht aufbieten können. Die darstellerisch reichlich phlegmatische Melania Isar hat zwar eine ausreichend üppige, besonders in der Mittellage apart feminin timbrierte Stimme für die häufig unterbesetzte Leonora und bewältigte sowohl die nicht wenigen tiefer gelegenen als auch die verzierten Passagen durchaus anständig, aber leider musste sie bereits beim Erreichen von Tönen im Bereich der Vollhöhe derart forcieren, dass an Piani nicht einmal zu denken war und man sich mit metallisch-harten, markerschütternden, heftig vibrierenden, schlecht gestützten Fortetönen konfrontiert sah, die in der Mehrheit unter der vom Komponisten vorgesehenen Höhe blieben - ein akutes technisches Problem, das an alternde italienische Sopranistinnen der fünfziger Jahre denken ließ, durch die Arbeit mit einem versierten Gesangspädagogen aber sicher behoben werden kann. Wenig Freude kam auch angesichts des monoton-spröden, stumpfen und mancherlei Nebengeräusche aufweisenden, unruhigen Tenors des kurzatmigen Miguel Olano auf; zudem schmiss er die beiden zwar nicht notierten, aber doch vom Publikum stets begierig erwarteten Acuti im "Di quella pira", was an deutschen oder italienischen Opernhäusern zweifellos zu massiven Buhs geführt hätte. Leonora (Melania Isar, rechts) sucht Schutz bei ihrem geliebten Troubadour (Miguel Olano, links).
Carlos Almaguer war vor einigen Jahren im MECC Maastricht mit seinem kraftvollen, in der Höhe manche Rauheit aufweisenden Bariton ein imposanter Amonasro, aber für den Conte di Luna fehlte es der Stimme nicht nur im "Il balen" an der klanglichen Schönheit, Geschmeidigkeit und Phrasierungseleganz, die sein Fachkollege Marcel Vanaud in so hohem Maße mitbringt. Und so war es die verdiente Stefania Toczyska, der als Azucena die Palme des Abends gebührte: Auch nach vielen Karrierejahren an den größten Bühnen der Welt hört man ihrem in allen Lagen präsenten, stets erfreulich schlank geführten Mezzosopran so gut wie keine Verschleißerscheinungen an, und anders als viele Kolleginnen kam sie ohne all die außermusikalischen Mittel aus, die Connaisseurs so auf die Nerven gehen, sondern entwickelte enormen Ausdruck und Differenzierung aus der vokalen Linie heraus. Daneben war Paul Gay ein engagierter, mit seinem beweglichen Bass auch die schnelleren Passagen ohne Probleme bewältigender Ferrando, Christine Solhosse eine mehr als bemühte, aktive Inès, und auch der Rest der Besetzung lieferte keinen Anlass zur Klage. Einen exzellenten Job machte auch der Chor der Königlichen Oper, der bald kraftvoll, bald sensibel wie mit einer Stimme sang und sich auch durch manche darstellerische Aufgabe nicht aus dem Takt bringen ließ. Leonora (Melanie Isar, Mitte) zwischen den Männern, die sie lieben: Graf Luna (Carlos Almaguer, links) und Troubadour Manrico (Miguel Olano, rechts).
Einen spannenden Verdi-Abend der flotten, vorwärtsdrängenden Tempi, präzisen Rhythmik, größter Transparenz und delikater Farben verantwortete schließlich Patrick Davin am Pult des glänzend aufgelegten Orchesters, das großen Anteil am Gelingen der heftig akklamierten Premiere hatte, für mein Empfinden aber etwas süffiger und glutvoller hätte musizieren dürfen.
Keine wirklich bedeutende, aber eine allemal werkgerechte Aufführung von Il Trovatore, die mit einer bewegenden Schweigeminute begann: Nachdem Léon Giet, der im Jahre 1990 die Gesellschaft der Freunde der Opéra Royal de Wallonie gegründet hatte, nach der Generalprobe den "Grétry de cristal", einen Preis für den beliebtesten Künstler der vergangenen Saison, an den Bariton Marcel Vanaud überreicht hatte, war er einem Herzanfall erlegen - Intendant Jean-Louis Grinda würdigte die enormen Verdienste des Präsidenten des Freundeskreis, ohne den die Königliche Oper angesichts auch im Nachbarland leerer Kassen vermutlich nicht mehr würde existieren können. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Assistenz
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Choreografie
Einstudierung
Choreinstudierung
Eine Koproduktion mit der
Solisten* PremierenbesetzungLeonora Melania Isar*/ Marcela de Loa
Azucena
Inès
Manrico
Il conte di Luna
Ferrando
Ruiz
Ein alter Zigeuner
Ein Bote
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