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I Masnadieri
(Die Räuber)


Melodramma tragico in vier Akten

Libretto von Andrea Maffei
nach dem Schauspiel Die Räuber
von Friedrich Schiller

Musik von Giuseppe Verdi


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere der Konzertanten Aufführung
im Nationaltheater Mannheim am 24. Juni 2003

Besuchte Aufführung: 11. Juli 2003
(2. Aufführung seit der Premiere)


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Nationaltheater Mannheim
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Die Räuber sind zurück

Von Thomas Tillmann


Anlässlich der 12. Internationalen Schillertage stellte das Nationaltheater Verdis I Masnadieri in einer konzertanten Produktion erneut zur Diskussion, an historischem Ort also, denn Schillers Schauspiel war 1781 in Mannheim uraufgeführt worden war - die Synopse der Inhaltsangaben im Programmheft zeichnet die solide, die Ästhetik des italienischen Librettos der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts berücksichtigende Adaption des Dramas durch Andrea Maffei hilfreich nach, der sowohl die dramatische wie die dramaturgische Struktur der Vorlage beibehalten und den Originaltext eher eingestrichen als bearbeitet hat, sieht man von dem wirklich neu gedichteten Beginn des dritten Aufzugs ab (die Zusammenführung von Amalia und Carlo, die Sopran und Tenor die Möglichkeit eines Duetts verschafft). Verdi und seinen Textdichter interessierten dabei besonders die starken Charaktere und die Konflikte zwischen dem Vater und seinen Söhnen einerseits und zwischen den Brüdern andererseits.

Das insgesamt kompetente, hervorragend einstudierte und gerade auch mit dem Text und seinem Gehalt hörbar vertraute Ensemble führte in der vertrackten Jenny-Lind-Partie der Amalia Ludmila Slepneva mit ihrem interessanten, zum Zuhören zwingenden Sopran an, der trotz grundsätzlich lyrisch-heller Färbung und nicht wirklich liebenswürdigem, mitunter auch etwas drahtigen und schrillen, besonders in der Höhe "klingelnden" Timbre durchaus richtig ist fürs dramatische Koloraturfach, zumal die Stimme auch in der unforcierten Mittellage und Tiefe ausreichendes Volumen aufweist. Die Russin meistert zudem die virtuosen Anforderungen mehr als anständig, pflegt eine hohe, nie einzig um des Effekts willen vorgeführte Pianokultur und entwickelt besonders im zweiten Teil wesentlich mehr Temperament und elektrisierende Risikofreude (das beeindruckende hohe Des des letzten Finale ist da nur ein Beispiel) als es etwa Montserrat Caballé oder Joan Sutherland in den Studio-Referenzaufnahmen tun. Dem Ideal nah kam auch Michail Agafonov als charismatischer Carlo, dessen glanz- und kraftvoller, aber nie unkontrolliert eingesetzter, sondern sehr wohl zu zarten, tragfähigen Pianotönen und einer funktional eingesetzten messa di voce zu bewegender, nicht zu schwerer, mitunter aufregend vibrierender und die nötige metallische Färbung besitzender Tenor nicht nur in der Schwurszene am Ende des dritten Aktes einen glänzenden Eindruck hinterließ - man darf gespannt sein auf seinen Enée in der nächsten Spielzeit, und man fragt sich, warum so viele schlechtere Kollegen größere Karrieren machen. Einen zwiespältigen Eindruck hinterließ dagegen der zweifellos engagierte, sehr präsente Thomas Berau bei seinem Rollendebüt als schurkischer Francesco: Die lyrische Vergangenheit ist seinem besonders höhenstarken Bariton (das As am Ende von "Tremate o miseri" etwa bleibt in Erinnerung) ebenso deutlich anzuhören wie die harte Arbeit für tiefere Töne, und der Preis für die wahrlich nicht geringe Dramatik seines Vortrags war ein bald Ermüdungserscheinungen auftreten lassendes, riskantes Forcieren, so dass man dem Künstler bei aller Wertschätzung von der Übernahme noch dramatischerer Partien abraten möchte.

Mihail Mihaylov, seit 1986 Ensemblemitglied in Mannheim, brachte seine ganze Erfahrung, Autorität und positive Routine im schweren Bassfach in eine berührende Interpretation des Massimiliano ein, wobei das Material angemessen reif, aber keineswegs verbraucht klang. Uwe Eikötter assistierte charaktervoll als Arminio, Ivaylo Guberov und Jürgen Theil auf akzeptablen Niveau als Moser und Rolla, während der Herrenchor sich in der Einstudierung von Bernhard Schneider in skandalöser Verfassung präsentierte, sich selten auf gemeinsame Einsätze einigen konnte und zudem die Solisten in nicht zu entschuldigender Weise irritierte - da muss dringend nachgebessert werden für die letzte Vorstellung am 24. Juli.

Enrico Dovico betonte am Pult eher den die späteren Meisterwerke erahnen lassenden Charakter des Melodramma tragico als die Oper als späte Vollendung des romantischen Belcanto aufzufassen - eine diskutable Entscheidung sicherlich, aber natürlich keine falsche. Manche Passage hätte man sich allerdings weniger bedeutungsschwanger ausgedehnt gewünscht, sondern flüssiger, transparenter, rhythmisch prägnanter und vor allem - besonders von den Streichern - sauberer musiziert (es ist natürlich ein Fehler, mehr als zwei Wochen zwischen der ersten und zweiten Vorstellung verstreichen zu lassen). Erst nach der Pause entfaltete sich das Spiel des an sich über einen schönen Klang verfügenden Nationaltheater-Orchesters mitreißender und glutvoller, wenn auch punktuell ein wenig derb.


FAZIT

Trotz der dargelegten Schwachpunkte freute man sich grundsätzlich über eine inspirierte und inspirierende, bedeutende Wiedergabe des zu Unrecht wenig bekannten und geringgeschätzten Werkes, das auch szenisch eine echte Alternative zur hundersten Nabucco- oder Macbeth-Neuinszenierung darstellt, wenn ein Haus über ein kompetentes (!) Produktionsteam und Sänger verfügt, die die immensen Anforderungen erfüllen können (an beidem scheiterten etwa die Gelsenkirchener Bemühungen, vgl. unseren Bericht).


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Dovico

Chor
Bernhard Schneider



Chor des National-
theaters Mannheim

Nationaltheater-
Orchester Mannheim


Solisten

* Abendbesetzung

Massimiliano,
Graf von Moor
Mihail Mihaylov

Carlo Moor
Michail Agafonov

Francesco Moor
Thomas Berau */
Mikel Dean

Amalia, Weise,
Nichte des Grafen

Ludmila Slepneva

Arminio, Kammerdiener
der fürstlichen Familie

Uwe Eikötter

Moser, Pastor
Ivaylo Guberov */
Tomasz Konieczny

Rolla, Gefährte
Carlo Moors

Jun-Ho Lee/
Jürgen Theil *



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Mannheim

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