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Musiktheater
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La finta giardiniera

Dramma giocoso in drei Akten
Text von Giuseppe Petrosellini (?)
nach Francesco Bussani
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere am 11. Mai 2003

Homepage Staatstheater Stuttgart

(Homepage)


Entdeckung eines Meisterwerks

Von Christoph Wurzel


Die komplizierte Handlung dieser Oper spiegelt sich schon in der umständlichen Auflistung ihres Personals. Es geht darin kurzgefasst um die schier endlosen Irrungen und Wirrungen der Liebe, die die Protagonisten in die extremsten Gefühlswallungen bis hin zum Wahnsinn stürzen. Nicht alle handelnden Personen sehen die Sache wie die - wie so oft bei Mozart - realistisch-kluge Zofe Serpetta:" Ich nehme es, wie es kommt". Die anderen werden geplagt von Ungeduld oder Eifersucht, Prahlerei und Selbstüberschätzung oder Verzweiflung und, was am Schlimmsten ist, Rachegefühlen bis zur Gewalt. Eine solche Gewalttat, der vermeintliche Eifersuchtsmord des Grafen Belfiore an seiner Geliebten Violante ist denn auch der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Handlung. Mit diesem als pantomimische Szene hinter einem die ganze Hinterbühne abdeckenden transparenten Fächer markierten Vorspiel beginnen die turbulenten Verwirrungen dieses dramma giocoso, eines allerdings überaus ernsten Scherzes, noch bevor die Musik mit der Ouvertüre einsetzt.

Keine wirklichen Figuren gebe es in dieser Oper, so bemängelte Alfred Einstein und konstatierte es als einen Grundfehler Mozarts, dass er dieses Libretto vertont habe, um hinzuzufügen, dass man allerdings davon, wie er es getan habe, nur entzückt sein könne. Diesem Diktum kann man insoweit folgen, als in der Tat das Personal -mit zwei Ausnahmen- eher typisiert erscheint: Der Podestà ist eine echte Bufforolle ebenso wie die Kammerzofe, der Adlige Ramiro als Hosenrolle stammt direkt aus der Opera Seria, die exaltierte Arminda erscheint ebenfalls als Relikt aus dem barocken Opernpersonal. Das zentrale Paar aber dieser Oper, die verstellte Gärtnerin, die eigentlich eine junge Adlige ist und ihr Geliebter Belfiore, der noch nicht recht erwachsen zu sein scheint, sind so facettenreich, dass ihnen als einzigen eine Entwicklung gegönnt wird, die eine gewisse psychologische Plausibilität besitzt. Es ist aber wohl gerade diese Mischung der Charaktere, die vor allem musikalisch den ungeheuren Reiz dieses Frühwerks des 19jährigen Mozart ausmacht. Es kann daher mit Fug und Recht als ein erster Höhepunkt seiner musikalischen Charakterisierungskunst angesehen werden und weist damit überdeutlich auf die großen Meisterwerke der Da - Ponte - Opern voraus.

Dieser Eindruck wird in Stuttgart beglaubigt durch eine eminent subtil durchgearbeitete musikalische Gestaltung durch das Staatsorchester ( in mittelgroßer Besetzung im etwas erhöhten Graben spielend) unter Lothar Zagrosek, der den dramatischen Gehalt der Musik zur vollen Wirkung bringt. Was ist da nicht zu hören an musikalischem Humor - etwa in der Arie des Podestà, in der er seine wechselnden Gefühle mit den Klangfarben des Orchesters vergleicht oder in der Karikatur einer musikalischen Haupt- und Staatsaktion in der Arie des Belfiore, in der er seine berühmte Ahnengalerie musikalisch aufmarschieren lässt. Zu einem Kabinettstück musikalischer Charakterisierung wird die Arie des Nardo, in der er parodistisch im unterschiedlichen Geschmack der Zeit um seine geliebte Serpetta wirbt: auf zarte italienische Weise, in der galanten französischen Art oder einfach etwas cool und arrogant in englischer Manier. Empfindsam anmutig und ins pianissimo zurückgenommen ist die Begleitung der Kavatine der Sandrina, in der sie sich mit einer von ihrem Schatz entfernten Turteltaube vergleicht. Und - wohl der Höhepunkt überhaupt - die Szene zwischen Sandrina/Violante und Belfiore, in der sie ihre Liebe wiederfinden, die musikalisch in ungeheurer Spannung zwischen Bangen, Hoffen und glückseligem Jubel changiert.

Allein die musikalische Seite also dieser Produktion kann mit Fug und Recht als Entdeckung bezeichnet werden. Dazu trägt ein homogenes Mozart - Ensemble bei, das in jeder Rolle (mit einigen Abstrichen, die der Spielfreude geschuldet sind) gleichermaßen den komischen wie den ernsten Kern der Musik transportieren kann. Allen voran als Neuentdeckung für Stuttgart die feinnervig lyrische Alexandra Reinprecht in der Titelrolle. Die übrigen Sängerdarsteller, zumeist bewährt in Stuttgart schon in großen und größten Rollen (Rudolf Rosen als Don Giovanni, Caterina Costea als Figaro-Grafin oder Norman Shankle als Ottavio und Helene Schneiderman bereits als eine Stuttgarter Sängerinnen-Institution), dazu Irena Bespavolaite und Daniel Ohlmann zeigen sich Mozarts großer Musik als überaus würdig und wurden am Schluss mit vollem Recht lange frenetisch gefeiert.

In einem abstrakten Bühnenbild aus beweglichen Wandelementen, farbsymbolisch unterschieden und in dezent historisierenden Kostümen im Stil des 18. Jahrhunderts (beides Entwürfe von Marc Lammert) hat der Regisseur Jean Jourdheuil eine klar konzipierte moderne Bühnensprache für die in der Stuttgarter Fassung gekürzte und zugleich stringent geordnete Handlung gefunden. Ohne überhaupt den Versuch zu machen, der Geschichte irgendeine Realistik überzustülpen, konzentriert sich seine Personenführung auf die Ausstellung von Haltungen, von Emotionen, die durch die Musik vermittelt werden. Vor allem in den zahlreichen Arien (wirkliche Ensembles gibt es in dieser Oper nur wenige) charakterisiert die Regie die Figuren durch eine intensive Körpersprache, die teilweise - allerdings zumeist überflüssig - durch Dingsymbole verdoppelt wird. Auch die beweglichen Bühnenelemente spiegeln die innere Befindlichkeit der Protagonisten wider: Ist ihre innere Fassung aus den Fugen, so geraten auch die symmetrischen Bühnenelemente in Unordnung. Aber so sehr mit dem Finger gezeigt wirkt das alles während der Vorstellung nicht, sondern ist eingebettet in ein fein und unaufdringlich bewegtes Bühnengeschehen, das auch genügend Raum lässt für leise und bisweilen etwas lautere Komik.

Dass man, um die Ursachen der Verrücktheiten der Leute zu ergründen, auf den Messmerismus des 18. Jahrhunderts zurückgegriffen hat, der menschliche Verwirrungen mit falschen magnetischen Einflüssen zu erklären suchte und dieses ins Bühnengeschehen einflocht, indem große geometrische Elemente (Pyramiden, Kegel oder Quader) aus Metall anscheinend auf die Figuren einwirken, war entbehrlich, aber gut zugleich, dass man im 2. Teil sich allein auf die psychologisierende Ebene verlassen hat.


FAZIT

Mit dieser Produktion hat Stuttgart seinem Repertoire einen musikalischen Edelstein in einer modernen und in seiner Klarheit eindrucksvollen Fassung hinzugefügt.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lothar Zagrosek

Inszenierung
Jean Jourdheuil

Bühnenraum und Kostüme
Marc Lammert

Licht
Klaus E. Zimmermann

Dramaturgie
Juliane Votteler




Staatsorchester Stuttgart



Solisten

Don Anchise, Podestà von Lagonero
und Liebhaber der Sandrina
Daniel Ohlmann

Marchesa Violante Onesti,
Geliebte des Grafen Belfiore,
für tot gehalten, unter dem Namen
Sandrina als Gärtnerin verkleidet
Alexandra Reinprecht

Contino Belfiore,
zunächst Liebhaber der Violante
und jetzt der Arminda
Norman Shankle

Arminda,
vornehme Dame aus Mailand,
zunächst Liebhaberin des Cavaliere Ramiro
und jetzt dem Grafen Belfiore
als Braut versprochen
Caterina Costea

Cavaliere Ramiro,
Liebhaber der Arminda,
von dieser verlassen
Helene Schneiderman

Serpetta,
Kammerzofe des Podestà,
in diesen verliebt
Irena Bespalovaite

Robert,
Diener der Violante,
der sich unter dem Namen Nardo als
ihr Vetter ausgibt, als Gärtner verkleidet,
Liebhaber der Serpetta,
von ihr nicht beachtet.
Rudolf Rosen




Weitere Informationen
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Staatstheater Stuttgart
(Homepage)



Da capo al Fine

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