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BeBop & Chocolate (Bittersweet)

Zwei Choreographien von Marguerite Donlon

Premiere in der Alten Feuerwache Saarbrücken am 6. Juni 2003


Homepage des Staatstheaters Saarbrücken
(Homepage)

Show und Schokolade

Von Sebastian Hanusa / Fotos von Klaus Baqué


Auf wundersame Weise scheinen die Künste prophetische Kräfte zu haben. Da sucht ein ganzes Land wie elektrisiert und über Monate hinweg nach dem Superstar und seit Februar 2002 gibt es bereits einen ironischen Kommentar des sonderbaren Treibens – in Form von Marguerite Donlons Choreographie BeBob. Und wenngleich das Streben nach Bühnenruhm und Anerkennung ein zeitloses Thema ist, verwundert doch die Koinzidenz mit dem Zeitgeist. In BeBob, das nach seiner Uraufführung am Nederlands Dans Theater nun in der Saarbrücker Feuerwache zu sehen ist, streiten acht Tänzerinnen und Tänzer um die Gunst des Publikums, symbolisiert durch den Namen "Bob". Nur Bob darf ans Mikro, Bob ist der König des Tanzteppichs.

Vergrößerung Bob?


Das Medium des Wettstreits ist das des modernen Balletts, dem in komplexen, höchstgradig ästhetischen Einzeldarbietungen gehuldigt wird. Das ist aber nur eine Ebene der Choreographie. Auf verschiedene Weise wird das zentrale Geschehen des Wettbewerbs ironisiert und dessen schöner Schein gebrochen. Um den zentralen Tanzteppich herum finden sich auf der Bühne diverse Sitzmöbel – zumeist aufblasbare Fabrikate. Hier lagern die unbeschäftigten Teile des Ensembles und ergehen sich in geistvoll überzeichneten Nebenhandlungen, die wiederum bezugnehmend auf das zentrale Geschehen dem Stück eine immanente Mehrdimensionalität verleihen. Hinzu kommt ein Mikro am vorderen Bühnenrand, das den Tänzern ermöglicht, sich direkt an das Publikum zu richten und welches zugleich der Inbegriff aller "Bobheit" ist.

In den diversen Einlagen der Tänzer können diese nicht nur ihre beeindruckenden schauspielerischen Qualitäten ausspielen; wenn die "vierte Wand" durchbrochen und unmittelbar zum Publikum gesprochen wird, kippt das ganze Stück in eine Absurdität beckettscher Qualität. Zu nennen wären unter anderem die beiden Bob-Replikanten Toby Kassell und Harald Krytinar mit einem Auftritt, der stark an Bechmann schlimmste Stunden erinnerte oder den Bob-Witz, der von Miriam Parker auf Englisch erzählt und von Hitomi Kuhara ins Japanische übersetzt wird: "Zwei Fische schwimmen hintereinander in ihrem Glas. Wie heißt der erste Fisch? – Der Fisch heißt Bob. – Warum? - Der andere Fisch macht ständig "Bob – Bob – Bob."

Vergrößerung Poesie…

Von der Anlage her ähnlich, schafft das zweite Stück des Abends, die Uraufführung von Chocolate (Bittersweet), einen inhaltlichen Kontrast. Auch hier hat Donlon um einen thematischen Kern ein assoziatives Patchwork einzelner Szenen entworfen. Aber während BeBob den Starkult leicht poppig und dabei hochironisch aufs Korn nimmt, ist Chocolate ernster, poetischer. Szenisch wie thematisch ist der zartbittere Schokoladengenuß Ausgangspunkt: Im Publikum wird das braune Naschwerk verteilt, bevor das Ensemble zu Serge Gainsgourgs "Je T’Aime … Moi Non Plus" dessen Verzehr lustvoll zelebriert. Zugleich ist "Chocolate" mehrdeutige Chiffre für Eros und Tod, für süße Lust und klebrige Leiber, für die raffiniert kultivierte Lustdroge Kakao und das jeder Hingabe innewohnende Moment des Selbstverlusts und der Auflösung.

Vergrößerung …und Erotik in Chocolate (Bittersweet)

Auf einer minimalistischen Bühne findet Donlon zwischen schokobraun und stahlblau poetische Transgressions-Metaphern, inszeniert virtuos verträumte Momentaufnahme in einem komplexen Feld semantischer Bezüge. Herausragender Bestandteil der Ausstattung ist ein "Scherbenbett" aus Plexiglastrümmern. Wenn einzelne Tänzer die Scherben durchschreiten erinnert dies an indische Fakire - und zugleich beleuchtet das angestrahlte Plexiglas prismatisch die Bühne, wird zu einer Art Lichtskulptur.

Bei aller Ernsthaftigkeit findet Donlon aber auch in Chocolate zu ironischen Momenten, ohne dabei den atmosphärischen Rahmen zu sprengen. Besonders ist dies die Arbeit mit einer alten Clownsnummer: Man sieht den Oberkörper von Leo Mujic hinter einer Tafel und den von Yong-In Lee in einem langen Kleid - und irgendwo schauen dann noch die Beine der beiden heraus. Doch diese verselbständigen sich, so daß man einer grotesken Körperdehnung beizuwohnen scheint. In Wirklichkeit sind die Beine die eines zweiten, ansonsten verdeckten Tänzers, der sich hinter der Tafel bzw. unter der weiten Schleppe des Kleides befindet.

Unterstützt wird der runde und schlüssige Eindruck der beiden Arbeiten durch die Musik Sam Auingers in BeBob und Claas Willekes in Chocolate. Beide Musiker arbeiteten bereits zum wiederholten Male mit Donlon zusammen und die Entstehung ihrer Komposition war eng mit der der Choreographien verzahnt. Dies zahlt sich aus: Konsistent und dicht ist die Beziehung zwischen den komplexen Bewegungs-Strukturen der Tänzer und der mal lasziv-eleganten, mal morbid-brüchigen Copy-and-Past-Elektronik der beiden Komponisten.


FAZIT

Unbedingt sehenswert und vielleicht die bislang beste Arbeit Donlons in Saarbrücken.


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BeBop

Künstlerische Gesamtleitung
Marguerite Donlon

Musik
Sam Auinger, Randy Newman

Bühne und Kostüme
Jean-Marc Puisaant


Ensemble

Tilman O'Donnell, Ilka von Häfen,
Toby Kassell, Nicole Kohlmann,
Harald Krytniar, Hitomi Kuhara,
Miriam Parker, Ruben Renier

Chocolate (Bittersweet)

Künstlerische Gesamtleitung
Marguerite Donlon

Musik
Claas Willeke, Rinde Eckart,
Serge Gainsbourg

Bühne
Marguerite Donlon

Kostüme
Markus Maas


Ensemble

Merixtell Aumedes Molinero,
Stephen Delattre, Tilman O'Donnell,
Anna Hagermark, Yong-In Lee,
Ignacio Martinez, Leo Mujic,
Sarah Reynolds



Weitere Informationen
Staatstheater Saarbrücken (Homepage)



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