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Schwarz-weiße Unverbindlichkeit
Von Ina Schabbon
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Fotos von Sebastian Hoppe Ein schräg nach hinten gekipptes Spiegelportal, dahinter ein Kubus mit zentralem Durchgang, aus dem ein Laufsteg nach vorne führt - in dieser kargen, nach Bedarf leicht veränderbaren Ausstattung (Bühne: Hugo Gretler) spielt sich, fast gänzlich in schwarz-weiß gehalten (Kostüme: Ines Rastig) Verdis subtiles Seelendrama um Liebe, Verzicht und Tod ab. Eigentlich die beste Voraussetzung für Frank Hilbrich (Regie), die Geschichte aller Zeitverhaftung zu entkleiden und ganz ohne den immer noch so oft anzutreffenden verstaubten Ausstattungskitsch die grundlegenden Strukturen, die Beziehungskonstellationen und Charaktere um so plastischer herauszuarbeiten. Leider bleibt es an vielen Stellen beim bloßen, modernistischen Versuch und gleitet gelegentlich in reinen Klamauk ab, etwa, wenn Alfredo im ersten Akt eine Pistole auf sich richtet, aus der, als er dann abdrückt, die Kamelie hervor kommt. Die Traviata auf dem Laufsteg: Schwarz-weiße Gesellschaft in Violettas Haus Eine interessante Lesart bietet die Charakterzeichnung von Vater und Sohn Germont: Alfredo als selbstbezogener Gefühlsmensch, noch ganz in seinem Kinder-Ich gefangen, Vater Giorgio als allmächtiger Übervater, der seinem Sohn nichts gönnt, sich beim Versuch, Violetta zum Verzicht zu überreden, über sie her macht und auch noch ihre Silberpantolette als Fetisch einsteckt. Geschmacklos allerdings und auch weder aus dem Textbuch, noch aus der Partitur, ja nicht einmal aus Hilbrichs Anlage der Figur heraus schlüssig, dass Violetta zunächst auf sein Tun eingeht. In dem auf diese Weise von Hilbrich konstruierten Dreieck tritt die Liebesbeziehung zwischen Violetta und Alfredo hinter die Vater-Sohn-Beziehung zurück. Selbst im letzten Akt findet wirkliche Interaktion eigentlich nur zwischen Alfredo und Germont statt, Violetta bleibt das zwischen den beiden stehende Objekt und wird nach ihrem Sterben - ihrer Bedeutung beraubt - allein gelassen. Verzweifelt, allein. Der Laufsteg hat sich als schiefe Bahn erwiesen.
Die großen Momente des Abends gehören fast alle Maya Boog, die mit überzeugendem Spiel und ihrem oft fast überirdisch schönen Sopran eine Idealbesetzung der Traviata ist. Die paar Stellen, an denen man sich, etwa gleich in der ersten Szene, etwas mehr "Metall" in der Stimme gewünscht hätte: geschenkt! Die große Scena ed Aria im ersten Akt, bei der sich in diesem kargen Bühnenbild alle Aufmerksamkeit ganz auf die Figur konzentriert, nichts von ihr ablenken kann, lässt sich überzeugender kaum denken. Alexandru Badea singt seinen Alfredo mit stimmkräftigem, in der Höhe leider engem und oft zum Forcieren neigenden Tenor, macht die stimmlichen Mängel aber durch sein engagiertes Spiel wett. Bjørn Waag ist mit seinem markigen Bariton eine gute Besetzung von Vater Germont. Unter den Nebenfiguren ist Karl-Heinz Brandt als Gaston hervorzuheben, dessen heller, gut geführter Tenor auf mehr hoffen lässt. Von Vater Germont nicht aus den Augen gelassen: Ein seltener Moment der Zweisamkeit. Exzellent wieder einmal Chor und Orchester unter der Leitung des neuen Chefdirigenten Marko Letonja. Er gestaltet ein ungeheuer dichtes Vorspiel zum ersten und dritten Akt, hat ein Händchen für das Auf- und vor allem auch für das unglaublich genau auf den (End-)punkt gebrachte Abschwingen der Spannungsbögen in Verdis Musik. Einzig die Koordination zwischen Graben und Bühne will an einigen Stellen nicht gelingen.
Eine durchaus ambivalente Traviata, die sich vor allem der Titelheldin wegen lohnt!
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Produktionsteam* Besetzung der Premiere
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Chorleitung
Dramaturgie
Studienleitung
SolistenVioletta Valéry* Maya Boog / Noëmi Nadelmann
Flora Bervoix
Annina
Alfredo Germont
Giorgio Germont
Gaston
Baron Douphol
Marquis von Obigny
Doktor Grenvil
Giuseppe
Commissario
Servo
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