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Der Bettelstudent
Operette von Friedrich Zell und Richard Genée
Musik von Carl Millöcker

Premiere am 13. Dezember 2003

Aufführungsdauer: ca. 2 1/2 Stunden (eine Pause)


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Theater Dortmund
(Homepage)
Krakauer Allerlei

Von Silvia Adler / Fotos von Klaus Baqué



Kerkermauern mit Reißverschluss - Picknick auf der Gefängniswiese: Mit Fidelios graugesichtigem Gefangenenchor haben die munteren Kerkerinsassen, die in Carl Millöckers "Bettelstudent" an die frische Luft strömen, nur wenig gemein. Operette kennt bekanntlich ihre eigenen Gesetze: Für ein paar Würste oder einen guten Tropfen Wein drückt Gefängniswärter Enterich gern ein Auge zu und entlässt seine Gefangenen ans Sonnenlicht. Beim Schäferstündchen mit den Ehefrauen schwelgt man in trautem Chorgesang. Im Gefängnisidyll scheint der Harmonie zwischen den Geschlechtern keine Grenze gesetzt.

Vergrößerung in neuem Fenster Der Bettelstudent und seine Comtesse.
Heike Susanne Daum (Laura) und Jeff Martin (Symon).

Klangbeispiel Klangbeispiel: Heike Susanne Daum (Laura) und Jeff Martin (Symon).
(MP3-Datei)


Ganz anders verhält es sich in den besseren Kreisen. Beim Versuch, die polnische Comtesse Nowalska auf die Schulter zu küssen, wird der sächsische Oberst Ollendorf, Gouverneur im besetzten Krakau, mit einem Fächerschlag kratzbürstig abserviert. Sein Rachefeldzug führt ihn geradewegs in Gefängnis, wo er unter den Insassen einen geeigneten Kavalier ausfindig machen will, um ihn der stolzen Polin als Milliarden schweren Heiratskandidaten zu präsentieren.

Durch eine Lappalie gerät der Stein in Millöckers 1882 entstandenem Erfolgsstück ins Rollen. In bester Operettenmanier löst der Schlag mit dem Fächer eine Lawine aus, die letztlich alles - inklusive der bestehenden Ordnung- mit sich fortreißt und den Racheplan launisch unter sich begräbt. Regisseur Pavel Fieber vertraut in seiner Dortmunder Inszenierung ganz dem Libretto von Friedrich Zell und Richard Genée: in sauber gearbeiteten, allerdings etwas altbacken wirkenden Dialogen erzählt er die Handlung so, wie sie im Textbuch steht.

Vergrößerung in neuem Fenster

Intrigenspiel ohne Grenzen.
Ks. Andreas Becker (Oberst Ollendorf)^und Jeff Martin (Symon).

Nur ab und zu wird dem Publikum eine aktuelle Anspielung (Autobahnmaut, Merkel-Schröder, Fernsehprogrammwüste) serviert. Moderne Akzente setzt dagegen das Bühnenbild (Susanne Thaler), das sich jedoch nicht wirklich zwischen einer zeitgemäßen oder historisch-korrekten Sichtweise entscheiden kann. In einer bunten Mischung werden die Stile durcheinander gewürfelt. Traditionelle Roben treffen auf Plateau-Schuhe, goldene Bilderrahmen mutieren zu Hotdog-Papptellern. Schlichte Volkstrachten werden mit leuchtenden Phantasieuniformen konfrontiert. Was fehlt ist eine klare ästhetische Linie. In der überbordenden, farblich wenig ausgegorenen Stilvielfalt verpufft die Wirkung der bewusst herbeigeführten Brüche.

Im zweiten Bild beherrscht ein rotes Karussell die Bühne. Es kreist um eine meterhohe, kurvenreiche Frauenskulptur in eng geschnürter Korsage. Im Takt der Musik ziehen die Holzpferdchen ihre Runden: ein bestimmtes Ziel haben sie nicht - Hauptsache es dreht sich! Der gleichen Divise folgt von nun an leider auch die Inszenierung. In knallbunten Bildern hangelt sich der Regisseur von Pointe zu Pointe. Ein klares Konzept ist nicht erkennbar. Geschlechterkampf, Gesellschaftskritik und Militarismusparodie - alle Kernthemen des Stückes werden nur oberflächlich gestreift, ohne konsequent weiter verfolgt zu werden. Die allzu seichte Deutung der Operette mindert ihren Unterhaltungswert erheblich. Ohne rechten Biss bleibt das Stück aus der goldenen Operettenära erstaunlich glanzlos. Dabei wirkte die Personenregie durchaus überzeugend: Der seit 1972 dem Dortmunder Opernensemble angehörende

Andreas Becker ist ein überheblich polternder Oberst: stimmgewaltig auftrumpfend mit dem nötigen Schuss Ironie. Umtriebige Bühnenpräsenz zeigte auch Jeffrey Treganza als Jan Janicki, der in höheren Lagen stimmlich allerdings hörbar an seine Grenzen stieß. Glaubhafte Emotionen vermittelte Jeff Martin als Bettelstudent, der mit seinem volltönend metallischem - leider zu wenig fokussiertem Tenor - zum Publikumsliebling avancierte. Hinreißend sächselnd, zeigte auch Hannes Brock in der Rolle des Kerkermeisters Enterich vollen komödiantischen Einsatz.

Vergrößerung in neuem Fenster "Ach, ich hab sie ja nur auf die Schulter geküsst."
Heike Susanne Daum (Laura) und Ks. Andreas Becker (Oberst Ollendorf).

Klangbeispiel Klangbeispiel: Ks. Andreas Becker (Oberst Ollendorf).
(MP3-Datei)


Deutlich schwerer hatten es dagegen die Frauen. Viel von ihrem Spielwitz wurde von den aufgeplusterten Kostümen im Keim erstickt. Auch gegen die mit jedem Akt in die Höhe wachsenden Kopfbedeckungen und die ausgesprochen geschmacklosen Perücken waren die Akteurinnen machtlos. Heike Susanne Daum sang die Comtesse Nowalska mit flexiblem, schlankgeführtem Sopran, dem aber nicht nur in der stecknadelartigen Höhe die nötige Wärme fehlte. Mit einer etwas zu abgedunkelten Stimmgebung gestaltete Zoya Zheleva die Partie der Bronislawa. Ihr künstlich gefärbtes Timbre war einem Mezzo zum Verwechseln ähnlich.

Trotz einiger Koordinationsprobleme mit den Sängern klang es aus dem Orchestergraben ausgewogen und solide. Allerdings ließen die Dortmunder Philharmoniker unter Timor Oliver Chadik der Operette auch keine Flügel wachsen.


FAZIT

Statt Farbe zu bekennen, präsentiert die Inszenierung einen Kessel Buntes. Musikalisch solide, bleibt die goldene Operette ohne rechten Glanz.


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Produktionsteam


Musikalische Leitung
Timor Oliver Chadik

Inszenierung
Pavel Fieber

Bühne und Kostüme
Susanne Thaler

Licht
Jürgen Nase

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Oliver Binder



Chor des
Theater Dortmund

Statisterie des Theater Dortmund

Philharmonisches
Orchester Dortmund


Solisten

* Besetzung der Premiere


Palmatica Gräfin Nowalska
Ks. Elisabeth Lachmann

Laura, ihre Tochter
Heike Susanne Daum

Bronislawa, ihre Tochter
Zoya Zheleva

Oberst Ollendorf,
Gouverneur von Krakau
Ks. Andreas Becker

von Wangenheim, Major
Bernhard Modes

von Richthoffen, Rittmeister
Thomas Günzler

von Schweinitz, Leutnant
Johannes Knecht

Jan Janicki
Jeffrey Treganza

Symon Rymanowicz
Jeff Martin

Enterich, Kerkermeister
Hannes Brock

Graf Bogumil, Palmaticas Vater
Georg Kirketerp

Eva, dessen Gattin
Johanna Schoppa

Rej, ein Wirt
Lothar Becher

Onuphrie, Palmaticas Leibeigener
Ralph Schulze



Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



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