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Alles andere als "sediziose voci" ...
Von Thomas Tillmann
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Fotos von Eduard Straub Nicht die ursprünglich angekündigte Alexandra von der Weth sang bei der Übernahme der wenig überzeugenden, langweilig-bizarren Norma-Produktion von Werner Schroeter und seinen Ausstatterinnen Barbara Rückert und Alberte Barsacq die diffizile Titelpartie (bereits bei der Januar-Serie in der Landeshauptstadt waren Sängerinnen wie die in Stuttgart so erfolgreiche Catherine Naglestad, die arge Höhenprobleme erkennen lassende Elena Pankratova und die erfahrene Cynthia Makris eingesprungen), sondern die dem Vernehmen nach in Ulm als Druidenpriesterin gefeierte Elvira Khokhlova, die an ihrem Moskauer Stammhaus, der "Novaja Opera" in Partien wie Gilda, Violetta oder in Tschaikowskis Violanta aufgetreten ist (an der Oper von Monte Carlo sang sie 2001 übrigens keineswegs die Titelpartie, wie die Kurzbiografie im Programmheft glauben machen will, sondern nur die Brigitta!). Von einem kurzfristigen Einspringen und besonderen Umständen kann übrigens nicht die Rede sein: Bereits am 16. 1. verbreitete die Pressestelle, die sich zum Befinden von Frau von der Weth nicht recht äußern mag, dass die Russin den nach wie vor absenten Star des Hauses ersetzen würde, was man angesichts ihrer desaströsen Leistung nur bedauern konnte. Nicht nur, dass es der darstellerisch mehr als eindimensionalen und einfältigen Sopranistin eklatant an Persönlichkeit und Charisma fehlt, um dieser vielschichtigen Figur bewegendes Bühnenleben einzuhauchen, nicht nur, dass sie keinerlei Gespür für eine expressive Rezitativgestaltung und textliche Nuancen hatte (ehrlich gesagt war ich die längste Zeit des Abends nicht sicher, ob die Russin überhaupt verstand, was sie sang, und in welches Stück man sie gestellt hatte) und eine beängstigende stilistische Ignoranz erkennen ließ. Auch unter rein gesanglichen Gesichtspunkten kann ich es nur als Chuzpe bezeichnen, sich mit einer so kleinen, wenn auch mitunter erstaunlichen lauten Soubrettenstimme (die allenfalls für eine Gianetta im Elisir d'amore reichen dürfte, nicht aber für Adina!) an eine der schwierigsten und dramatischsten Partien der gesamten Literatur zu wagen und sie sich unverfroren den eigenen Möglichkeiten anzubequemen, gar nicht zu reden von den unsauberen, verschmierten Fiorituren, den Intonationsungenauigkeiten, dem reichlich dünnen, vor allem bei hohen Tönen keineswegs souveränen Piano oder dem ausgelassenen, vom Komponisten notierten C am Ende von "Sì, fino al l'ore". Kopfschüttelnd fragte sich nicht nur der Rezensent, ob niemand diese Sängerin angehört hat. Und auch das muss einmal gesagt werden: Es gab Zeiten, in denen es einen Unterschied gab zwischen dem Theater Ulm und der Deutschen Oper am Rhein. Adalgisa (Annette Seiltgen, links) und Norma (Elvira Khokhlova, rechts) schwören sich ewige Freundschaft.
Annette Seiltgen ist natürlich eine weitaus angemessenere Besetzung für die Adalgisa als ihre Vorgängerin in Düsseldorf (und in jeder Hinsicht seriöser als Viktoria Vizin, die sich in der Januar-Serie in der Landeshauptstadt einmal mehr an der Partie vergriff): Die Künstlerin verzehrte sich darstellerisch geradezu, rang permanent und beinahe etwas aufdringlich um Expressivität und führte begeistert vor, dass sie an den richtigen Stellen Piano singen kann und vom messa di voce gehört hat, aber ihrem Mezzosopran fehlt nun wirklich die italienische Färbung. Mein Fall waren das sehr "deutsche", drahtig-metallische, leicht klirrende Timbre und die eher geschrieenen als gesungenen Cs in alto nicht, aber eine solide Hausbesetzung für Repertoirevorstellungen des Werks ist Frau Seiltgen allemal. Steven Neil Harrison hatte zwar alle (hohen) Töne für die zweifellos schwierige Partie des Pollione, aber er stemmte sich dermaßen durch die Partie, dass es einem als Zuhörer weh tat. Dass eine so unter Druck stehende Stimme nicht mehr zu einer korrekten Ausführung schnellerer Notenwerte, Verzierungen und ausgewogener Linien zu bewegen ist, dass bei so massiven vokalen Problemen keine Kapazität mehr frei ist für eine durchdachte Textgestaltung und interpretatorische Nuancen, leuchtet unmittelbar ein. Wie angesichts eines so spröden, im selten versuchten Piano nur noch stumpf und verbraucht klingenden Timbres sein Alfredo klingt, den er zur Zeit in Mönchengladbach singt, mag man sich nicht vorstellen. Christophoros Stamboglis wiederholte mit behäbiger und aufgerauter klingendem Bass seinen unauffälligen Oroveso, während wenigstens die Opernstudiomitglieder Francisca Devos und Brian Joyce ihre kleinen Partien in jeder Beziehung ausgesprochen souverän bewältigten.
Norma (Elvira Khokhlova, kniend) bittet ihren Vater Oroveso (Christophoros Stamboglis),
Lodovico Zocche tat dem Werk zwar nicht so grobe Gewalt an wie John Fiore in Düsseldorf, aber auch unter seiner Leitung hatte die Musik keinen Drive und nicht die nötige innere wie äußere Spannung, sondern dröhnte laut und brachial aus dem Graben; das Spiel der Duisburger Philharmoniker war zwar präziser als das der Düsseldorfer Kollegen, aber Koordinationsprobleme mit der Bühne gab es doch, namentlich mit dem Chor, der sich freilich besser aufgelegt präsentierte als in der Landeshauptstadt.
Es muss noch einmal deutlich gesagt werden: Niemand hat die Verantwortlichen der Rheinoper gezwungen, Norma auf den Spielplan zu setzen, niemand die Interpreten, sich mit viel zu schweren Partien abzumühen. Dieses zentrale Werk des Belcanto sollte nur dann zur Aufführung kommen, wenn man kompetente Solisten im Ensemble hat oder verpflichten kann, die den komplexen Anforderungen wirklich gewachsen sind. Andererseits: Warum sollen Sänger es besser machen, wenn sich das Publikum auch angesichts mediokrer bis desolater Leistungen die Hände wund klatscht und der Hausherr die Solisten auf der Premierenfeier über den grünen Klee lobt? Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Spielleitung
SolistenPollioneSteven Neil Harrison
Oroveso
Norma
Adalgisa
Clotilde
Flavio
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