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Die lustige Witwe
Operette von Franz Lehár in drei Akten
Buch von Victor Léon und Leo Stein


In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 3/4 Stunde (keine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 6. Dezember 2003


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
Tanz auf dem Vulkan

Von Silvia Adler / Fotos von Thilo Beu


"Für mich ist eine Operette soviel Arbeit wie zwei Verdis", bekennt Dietrich Hilsdorf nach den Proben zu Lehars Lustiger Witwe. Tatsächlich hätte man dem Querdenker und Provokateur des Theaterbetriebs fast alles zugetraut - nur nicht, dass er sich an das heitere Genre der Operette wagt. Doch wie nicht anders zu erwarten, zeigt die leichte Muse in seiner Essener Inszenierung Zähne.


Vergrößerung in neuem Fenster Stürmische Zeiten im Hotel "L´attaché".

Klangbeispiel Klangbeispiel: "Dann geh' ich ins Maxim..."
(MP3-Datei)


Im Grammophonsound kommt das Orchester-Vorspiel vom Band. Die Handlung spielt im Jahr 1939. Im Pariser Nobelhotel "L´attaché" feiern der pontevedrinische Bankier Goran Glawari und sein junge Braut Hanna ein glanzvolles Hochzeitsfest.
Das schöne Gesicht unter dem blütenweißen Schleier scheint überglücklich. Doch das Glück ist nur von kurzer Dauer: Der schwerreiche Gatte stirbt noch in der Hochzeitsnacht. Schicksalsschlag oder Mord? Nur soviel steht fest: Strassbesetztes Schwarz steht der jungen Witwe mindestens ebenso gut wie unschuldiges Weiß. Bald ist ganz Paris hinter ihr her. Denn Geld macht bekanntlich sinnlich...


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Tete à tete mit der schwarzen Witwe.

Hilsdorf, der Lehars Operette auf 1 3/4 Stunden gekürzt hat, macht aus der Lustigen Witwe einen Krimi im Spielfilmformat. In rasanter Bilderfolge werden die in rotes Leinwandlicht getauchten Szenen aneinander geschnitten. Vom ersten Takt an drückt der Regisseur auf´s Tempo. Ehe der Handlungsmotor richtig warm geworden ist, läuft er bereits auf Hochtouren. Keine Dialogseite darf länger als anderthalb Minuten dauern.
Auch wenn das dramaturgische Gefüge der Eingangsszenen durch die radikalen Einschnitte zunächst gefährlich ins Wanken gerät, zeigt das vorgelegte Tempo im Verlauf des Stückes durchaus Wirkung: In ungebremster Fahrt lässt die Operette alle Behäbigkeit hinter sich. Im raffinierten, vertikal verschiebbaren Bühnenbild von Dieter Richter, das zwischen Jugendstilsalon und auf Hochglanz polierter Bar hin und her pendelt, entwickelt die Handlung eine Sogwirkung wie im Kino.
Nur in den Liebesszenen hält die Inszenierung plötzlich den Atem an. Bei den Begegnungen von Hanna Glawari und ihrem ehemaligen Geliebten Danilo scheint die Zeit auf einmal still zu stehen. Hilsdorf unterfüttert die simpel gestrickte Geschichte um Geld, Liebe und verletzte Eitelkeiten mit heftigen Emotionen. Geküsst wird wie im Film, nicht wie auf der Opernbühne.
Mit opulenten, farbenprächtigen Bildern schwelgt die Inszenierung im Operettenflair, ohne sich im Klischee zu verfangen.


Vergrößerung in neuem Fenster "Ja, das Studium der Weiber ist schwer...".

Klangbeispiel Klangbeispiel: "Ja, das Studium der Weiber ist schwer...".
(MP3-Datei)


Paris befindet sich 1939 am Vorabend des Krieges. Während im Maxim der Champagner fließt, sind die Straßen der französischen Metropole fast ohne Beleuchtung. In das Stimmengewirr der Hotellounge mischt sich Nazigebell. Ein Herr mit Hakenkreuzbinde kommandiert die Gattin im Marlene-Dietrich Verschnitt. Unter den Grisetten geht die Angst vor einem deutschen Angriff um. Während des überzuckerten Vilja-Liedes liegt ein junger, blutverschmierter Soldat der Glawri zu Füßen. Das turbulente Spiel gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Die glitzernde Welt der Operette steht kurz vor dem Abgrund; ihre gefälligen Melodien erscheinen in einem aufreizend makaberen Licht.


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Die Grisetten bitten zum Tanz.

Dass die leichte Muse - bevor die Trümmer des zweiten Weltkrieges über ihr zusammenstürzen - noch einmal ihr schönstes Gesicht zeigt, liegt vor allem an der hervorragenden Leistung des Orchesters. GMD Stefan Soltesz hat die Lustige Witwe zur Chefsache erklärt: unter der Leitung des bekennenden Operettenfans verströmte das Orchester Champagnerlaune und heitere Grandezza. Aus dem Graben funkelte die ganze Palette seiner Klangfarben.

Während dem niederländischen Bariton Peter Bording die Rolle des Danilo wie auf den Leib geschrieben schien, blieben bei der szenisch für sich einnehmenden Marcela de Loa als Glawari, was die Trägfähigkeit ihrer Stimme betrifft, einige Wünsche offen. Ideal besetzt war hingegen Astrid Kropp als liebeshungrige Valencienne. Mit sicherer Höhe und strahlendem hohen C überzeugte auch Marwan Shamiyeh als Camille de Rosillon, der in der Mittellage allerdings wenig fokussiert klang.

Als Glücksfall für die Inszenierung erwies sich die originelle Choreographie von Bernd Schindowski. Bei seinen aus gestandenen Szenekünstlern zusammengewürfelten Grisetten wurde frech aus der Reihe getanzt. So unkonventionell würde man Operette gern öfter erleben.


FAZIT

Champagner der besten Sorte: temperamentvoll, überschäumend, prickelnd - mit einigen Bitterstoffen


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Dietrich Hilsdorf

Bühne
Dieter Richter

Kostüme
Renate Schmitzer

Choreographie
Bernd Schindowski

Choreinstudierung
Alexander Eberle

Licht
Hartmut Litzinger

Dramaturgie
Norbert Grote



Opernchor des Aalto-Theaters


Die Essener Philharmoniker



Solisten


* Alternativbesetzung

Hanna Glawari
Marcela de Loa
* Michaela Kaune

Goran, ihr Mann
Volker Laube

Graf Danilo Danilowitsch
Peter Bording

Mirko Z., genannt "Der Baron"
Richard Medenbach

Valencienne, seine Frau
Astrid Kropp

Camille de Rosillon (Paris),
genannt "Le Coq"
Marwan Shamiyeh

Vico Cascada (Rom)
Peter-Anton Ling

Raúl San Brioja (Madrid)
Herbert Hechenberger

Bruce Bogdan (London)
André Fox

Sylvia, seine Frau
Johanna Brigitta Young

Boris Kromow (Moskau)
Ulrich Wohlleb

Olga, seine Frau
Ginette Willaerts

Hans-Joachim Pritsch,
Militär-Attaché (Berlin)
Heinz Potztal

Annegret, seine Frau,
genannt "Die Pritsche"
Marie-Helen Joel

Njegus
Peter Maria Anselmstetter

Mimi Jarretelles (Lolo)
Petra Dekker

Kiki Jarretelles (Dodo)
Ilse Dekker

Marco Petrovic (Joujou)
Rolf Gildenast

Adolphe Leboeuf (Froufrou)
Danile Sander

Mirna Ilickovic (Cloclo)
Ramona Kunze

Rachel Ginsberg (Cloclo)
Gabi Dauenhauer


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Essen (Homepage)




Da capo al Fine

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