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Musiktheater
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Norma


Tragedia lirica in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Vincenzo Bellini

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Aalto Musiktheater Essen
am 29. Juni 2002

Konzertante Aufführung

Besuchte Aufführung: 14. November 2003
(Wiederaufnahme)


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
La serata di Pollione

Von Thomas Tillmann



Bereits im Juni 2002 hatte es am Aalto-Theater fünf konzertante Aufführungen von Norma gegeben, die wahrlich nicht unproblematisch waren, nicht nur wegen der bizarren, die eigenen vokalen Möglichkeiten unerträglich überschätzenden Bemühungen Luana DeVols um die Titelpartie, sondern auch weil Stefan Soltesz keinen angemessenen Zugang zu Bellinis bekanntester Oper gefunden hatte. In der Zwischenzeit hat sich der gebürtige Ungar zweifellos weiter mit diesem Meisterwerk des Belcanto beschäftigt, und so klang in der Wiederaufnahme manches runder und weniger nervös, die inspirierten Momente waren häufiger als die lässlichen, auch wenn man sich anstelle des favorisierten Dauermezzoforte die dynamische Vorschriften des Komponisten präziser umgesetzt gewünscht hätte und manche Passage sicher verinnerlichter musiziert werden könnte. Bis zum "Mira, o Norma" waren auch die Tempi ausgewogener und sängerfreundlicher; dann aber gingen einmal mehr die Pferde mit dem Dirigenten durch, und man war erstaunt, dass die Solisten nicht ausstiegen. Raum für Ausdrucksnuancen war jetzt freilich kaum noch, was besonders schmerzlich im "In mia man" zutage trat und mich noch einmal darüber nachdenken ließ, ob der Intendant Soltesz nicht doch besser daran getan hätte, für diese drei Vorstellungen einen wirklichen Spezialisten zu engagieren - bei der neuen Zauberflöte hat er sich ja auch dafür entschieden.

Anstelle des erkrankten Jeffrey Dowd, an dessen unzureichende Leistung als Pollione man sich nur ungern erinnert, hatte man den zur Zeit dieselbe Partie mit größtem Erfolg am Nationaltheater Mannheim interpretierenden Michail Agafonov gewinnen können, der dort bereits als Carlo in I Masnadieri sehr positiv aufgefallen war, besonders aber mit seinem sensationellen Enée in der überhaupt sehens- und hörenswerten Neuproduktion von Les Troyens. Wann hat man im Aaltotheater je eine so herrlich strömende, unangestrengt-tonschöne, dunkle, ungeheuer legatofähige Tenorstimme mit schier unendlichen Atemreserven gehört, wann einen so hervorragend einstudierten Künstler, der selbst im Finale jedes Achtel rhythmisch präzis ausführte (ich habe während der Vorstellung den Klavierauszug mitgelesen)? Besonders beeindruckend ist natürlich die völlig mühelose Attacke bis hin zu dem von Bellini notierten hohen C in der Arie, die zum wahren Showstopper geriet und die man angesichts eines solchen Potentials doch gern einmal ungestrichen gehört hätte - bravo!


Vergrößerung in neuem Fenster Die Sensation des Abends: Einspringer Michail Agafonov vom Nationaltheater Mannheim (Foto: Hans Jörg Michel).

Der Star des Abends hätte wohl eigentlich Michèle Crider als Norma sein sollen, die sie in der Spielzeit 2001/2002 an der Vlaamse Opera in Antwerpen und Gent zum ersten Mal gesungen hat, wo sie im Lauf der aktuellen Saison auch als Imogene in Bellinis Il Pirata debütieren wird. Im Prinzip ist eine so große, dramatische Stimme natürlich genau richtig für diese häufig unterbesetzte Partie, auch wenn man natürlich einige Einschränkungen in den verzierten Passagen machen musste (die Künstlerin "wischte" mitunter über die Sechzehntel und Zweiunddreißigstel hinweg und sang keine korrekten Triller, an der einen oder anderen Stelle hätte es ein bisschen weniger Portamento sein dürfen, und ich ziehe es auch vor, im sicher schwierigen "Casta diva" anstatt verschwommener Vokalisen den von Romani vorgesehenen Text zu hören), aber die vielen hohen Cs - besonders eindringlich bei Normas Ausbrüchen am Ende des ersten Aufzugs - und die gebieterischen, interpretatorisch nachvollziehbaren Brusttöne in der tiefen Lage hatten ebenso Format wie das durchaus erfolgreiche Bemühen um Pianotöne oder der sotto-voce-Beginn des zweiten Akts, so dass man das ausgeprägte Vibrato, die metallisch klingelnden Nebengeräusche, die antiquierten Primadonnengesten und das beschwingte Mitwippen gern in Kauf nahm. Die Amerikanerin könnte vermutlich eine wirklich gute Norma-Interpretin werden, wenn sie sich die Zeit nähme, gründlich mit kompetenten Leuten an dieser Partie weiter zu arbeiten, an die sich die großen Diven früherer Jahrzehnte erst nach jahrelanger intensiver Beschäftigung gewagt haben.

Neu war auch die 1976 in Sofia geborene Mezzosopranistin Nadja Krasteva, die noch vor ihrer Carmen in Stara Zagora 1999 als Sally Bowles in John Kanders Musical Cabaret in Sofia debütierte und seit 2002 Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper ist, und deren grundsätzlich dunkler Mezzosopran von interessanter, typisch "slawischer" Farbe einen guten Kontrast bildete zum kraftvollen Sopran der Kollegin, und auch die obere Lage ist nicht schlecht, auch wenn einige der hohen Cs ein bisschen unter dem angepeilten Ton blieben (anders als ihre Vorgängerin Viktoria Vizin sang sie immerhin alle!) - ein gelungenes Rollendebüt, selbst wenn man die eine oder andere Ausdrucksnuance noch vermisste.

Marcel Rosca wiederholte seinen souveränen Oroveso; freilich blieb dem aufmerksamen Zuhörer nicht verborgen, dass der Zahn der Zeit auch dieser wunderbaren Stimme inzwischen zusetzt. Astrid Kropp war erneut eine verlässliche Clotilde, Herbert Hechenberger ein Flavio der verbrauchten Mittel, während der Chor in der Einstudierung von Alexander Eberle seine Leistung gegenüber der ersten Serie deutlich steigern konnte. Schlechtes Benehmen dagegen bleibt die von mir bereits damals monierte Praxis der Solisten, gerade rechtzeitig zu ihren Einsätzen mit klappernden Absätzen auf dem Podium zu erscheinen und es nicht minder lautstark nach dem letzten Ton wieder zu verlassen.


FAZIT

Die außergewöhnliche, beglückende Pollione-Interpretation Michail Agafonovs machte diese auch insgesamt überzeugende Wiederaufnahme zu einem bedeutenden, unvergesslichen Abend. Wenn die Intendanz klug ist, sichert sie sich den Künstler für weitere Vorstellungen auch in anderen Partien des italienischen Tenorfachs; Mikhail Davidoff und Jeffrey Dowd jedenfalls sind im Vergleich zu dem jungen Russen eine Zumutung.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Choreinstudierung
Alexander Eberle



Opernchor und Extrachor
des Aalto-Theaters

Philharmonischer Chor
Essener Musikverein e. V.

Essener
Philharmoniker


Solisten

Pollione,
Prokonsul Roms
in Gallien
Michail Agafonov

Oroveso,
oberster Druide
Marcel Rosca

Norma,
Druidin,
Tochter Orovesos
Michèle Crider

Adalgisa,
junge Dienerin am
Tempel Irmins
Nadja Krasteva

Clotilde,
Vertraute Normas
Astrid Kropp

Flavio,
Freund Polliones
Herbert Hechenberger






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