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Barock trifft PostmoderneVon Christoph Wurzel / Fotos: PR Stadttheater Freiburg
Das Freiburger Stadttheater ist trotz seiner Lage am geografischen Rand der Republik gar nicht so Provinz, wie mancher denken mag; im Gegenteil, es ist schon immer für eine Opernüberraschung gut gewesen. Unter der Intendanz von Amélie Niermeyer, die ob ihres Erfolgs in Freiburg schon bald nach Düsseldorf (ans dortige Schauspielhaus) wechseln wird, ist dort mit Werken u.a. von Telemann, Vivaldi und Marcello auch besonders die weniger bekannte Barockoper gepflegt worden. Nun hat man sich des Dardanus von Rameau angenommen, der seit einer Aufführung in Paris rund 20 Jahre lang nicht mehr auf der Bühne zu sehen war. Vor vier Jahren hat Marc Minkowski eine sehr empfehlenswerte CD - Einspielung vorgelegt, die als erste der kritischen Neuausgabe des Werks durch die französische Rameau - Gesellschaft folgt. Die Freiburger Produktion ist nun die erste szenische Umsetzung dieser Fassung. Sie stellt eine Modifikation der Version der Uraufführung von 1739 dar, die beim zeitgenössischen Publikum allerdings wenig Beachtung fand. Deswegen überarbeitete Rameau 1744 das Werk. Aus dieser Fassung wurde in der Freiburger Inszenierung zu Beginn des 4. Akts die musikalisch wundervolle Kerkerszene des Dardanus übernommen, sowie einige kleinere Änderungen, die offenbar der musikalischen Qualität wegen angemessen schienen.
Aténor hat entdeckt, dass Iphise seinen Rivalen Rameau wurde Opernkomponist als Spätberufener. Zuerst trat er als Kirchenmusiker fernab der Metropole Paris hervor und kam erst 1733 mit der Oper in Berührung, schuf dann aber die wichtigsten Werke dieser Gattung, die als letzte Höhepunkte der höfischen Opernkunst des ancien régime gelten können, der tragédie lyrique. Gegenüber den Werken Lullys, der diese Gattung rund 50 Jahre zuvor gleichsam erschaffen hatte, wirken sie dramaturgisch stringenter und räumen dem musikalischen Ausdruck größere Bedeutung ein. Für Jean Lerond d' Alambert, den Herausgeber der berühmten Encyclopédie, der Basis des aufgeklärten Denkens im absolutistischen Frankreich, hat Rameau die Musik vom Geräusch zu einer Sprache der Seele und der Leidenschaften emanzipiert. Und von eben dieser Eigenschaft der ingeniösen musikalischen Einfälle Rameaus hat sich die Freiburger Produktion durch und durch inspirieren lassen. Mit modernen Ausdrucksmitteln der dramatischen Körpersprache, in Kostümen von ausgesucht elegantem Design und durch ein bisweilen ironisches Spiel mit dem heutigen Lifestyle hat das Produktionsteam eine kurzweilige und ästhetisch höchst ansprechende Präsentation dieser Barockoper auf die Bühne gestellt - zur erkennbaren Freude eines hervorragend unterhaltenen Publikums. Die Handlung unterschiedet sich wenig vom Grundmuster auch anderer Opernwerke dieser Zeit: in mythologischer Ferne angesiedelt dreht sich alles um eine nach Menschenmaß eigentlich unmögliche Liebe - hier zwischen dem Krieger Dardanus, einem Sohn des Zeus und Iphise, der Tochter seines Feindes Teucer; dazwischen steht der Nebenbuhler Anténor, der am Schluss natürlich verzichten muss; ein Zauberer, Isménor, setzt mit magischen Mitteln wundersame Kräfte frei und als allegorische Gestalten lenken die Götter, hier Venus und Amor, die Schicksale und lassen schließlich die Menschen Zwietracht und Eifersucht durch ihre Geschenke der Liebe und des Friedens überwinden. Angesichts des glücklichen Ausgangs gibt es auch genügend Gelegenheit zu festlichen Chor- und Ballettszenen.
Dardanus (Sung - Keun Park) nimmt in der Zauberszene Thomas Krupa, Oberspielleiter am Freiburger Stadttheater und bereits mit renommierten Projekten hervorgetreten, hat eine Aufführung konzipiert, die ganz aus dem Geist der Barockoper lebt. Auf der funktionalen Einheitsbühne (Andreas Jander), die durch quer gespannte Tücher geschickt an perspektivischer Tiefe gewinnen kann, lebt die Aktion der Personen stark aus der Bewegung heraus. Bis in die Umbauaktionen hinein hat Teresa Rautemberg die Akteure präzise choreografiert. Das Spiel gewinnt dadurch häufig etwas edel Stilisiertes, was den artifiziellen Charakter der Handlung und deren ästhetischen Anspruch betont. Aber zur rechten Zeit werden zugleich - dem französischen Hofzeremoniell gemäß gleichsam moderat - Emotionen ausgedrückt und Leidenschaften freigesetzt, wie im Friedensfest des 3. Akts, bei dem bezeichnenderweise Amor als Inkarnation der Lebensfreude natürlich die Hauptrolle spielt. Das Bühnengeschehen lebt von einer breit gefächerten Palette von Bewegungen, durch die die unterschiedlichen musikalischen Formen der Oper, rein instrumentale Passagen wie die Ritournelles, Tambourins oder Menuets, die Récitatifs oder Airs bis hin zu den Chorpassagen mit Intensität gefüllt und mit Aktion ausgefüllt werden können - keine Spur von Statik oder Langeweile, wie sie sich bei der der französischen Oper immanenten dauernden Deklamation einstellen könnte. Auch für den Bühnenzauber findet der Regisseur gleichermaßen überzeugende wie bildschöne Lösungen: Wie Isménor mit seiner Magie die Sonne verfinstert, vermag die Zuschauer zu bannen. Das intensive Farbenspiel der Lichtregie wirkt hier klug unterstützend und wenn der Text vom kalten Mondlicht und der Glut der Sonne spricht, wird dies unmittelbar sinnlich erfahrbar.
Die drei Träume befreien Dardanus aus seiner Lethargie Dardanus' Heilschlaf - Träume im 4. Akt werden begleitet von einem ironisch inszenierten Spiel mit symbolisierten Traumgestalten, wie dem Meeresungeheuer, das die Stadt zu verschlingen droht und das der Held bekämpfen soll. Besonders anrührend das Schlussbild: Zur abschließenden Chaconne wird nochmals die Essenz des Geschehens als Marionettenspiel resümmiert und das Schicksal der Menschen als Spielball der Götter vorgestellt, wiederum ironisch gebrochen und mit liebevollem Augenzwinkern eine Replik auf die Oper des Barock. Freiburg hat in Sachen Barockmusik bekanntlich mehr als nur ein Pfund zum Wuchern: So musste der Leiter des Freiburger Barockorchesters Gottfried von der Goltz nicht weit reisen, um zum ersten Mal eine szenische Produktion zu betreuen. Mit dem Hausorchester des Stadttheaters gelang die musikalische Seite der Aufführung zwar nicht ganz so leicht und schwingend wie in der Minkowskischen CD - Aufnahme, aber was das Philharmonische Orchester Freiburg an Stilsicherheit, Lebendigkeit und rhythmischer und artikulatorischer Präzision aufbieten konnte, kam den Originalklang - Ensembles doch recht nahe und machte den Abend auch von dieser Seite zum Genuss. Die enorme Farbigkeit von Rameaus Musik wurde deutlich hervorgehoben und die Weichheit der Diktion kam schön zum Ausdruck. Das junge Sängerensemble glänzte durchweg mit schönen Stimmen und war homogen in der gesanglichen Qualität. Darstellerisch stachen mit besonderer Spielfreude Heidi Elisabeth Meier als Venus, Sigrun Schell als Amor und Gregor Dalal als Anténor hervor. Nicole Chevalier blieb in der Rolle der Iphise allerdings etwas zaghaft. Weiterer Wermutstropfen in dieser schönen Produktion: manchmal verdeckte das Orchester die Sänger allzu sehr.
Eine sehr kulinarische Vitalisierung der barocken Oper - fern jeder akademischen Rechthaberei und dennoch mit dem Anspruch hoher Authentizität. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Choreographie
Bühne
Kostüme
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten
Vénus, Göttin der Liebe
Amour, ihr Sohn
Iphise, Tochter desTeucer,
Dardanus, Sohn des Zeus
Anténor, Prinz und
Teucer, König von Phrygien,
Isménor, Magier und
Eine Phrygierin
Ein Phrygier
Drei
Solotänzer
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- Fine -