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Belcanto-Abend
Donne di Donizetti


Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Konzert am 9. November 2003


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Wunderbare Donizetti-Frauen

Von Thomas Tillmann



Bereits zum fünften Mal lud das MiR zu einer Belcanto-Gala ein, in deren Zentrum diesmal Donne di Donizetti standen, namentlich drei seiner Maria-Opern. Maria di Rohan war Donizettis siebzigste und damit vorletzte Oper, die er 1843 für Wien geschrieben hat; aus diesem Werk, das in besonderer Weise das Schaffen Giuseppe Verdis antizipiert, erklang leider nur die Ouvertüre (die merkwürdigerweise auf dem Mitschnitt aus dem Teatro La Fenice fehlt, den ich zur Vorbereitung gehört hatte und bei dem Renata Scotto "abräumt").

Die in Venedig vorgestellte Maria de Rudenz war dem Vernehmen nach das größte Fiasko in Donizettis Karriere, was zweifellos in erster Linie auf die wirklich bizarre, blutrünstige Handlung seiner achtundfünfzigsten Oper zurückzuführen ist, die Peter Theiler zur Freude des Publikums nachzuerzählen versuchte (seine gut recherchierten, informativen, nie geschwätzigen, dezent humorvollen und komplett auswendig gemeisterten Moderationen tragen viel zum Erfolg dieser Abende bei!) und die Teile der Uraufführungskritik gar als Parodie auf das Genre verstanden. Nichtsdestotrotz kam es zu nicht wenigen Aufführungen in Italien in den Folgejahren (unter anderen trat die spätere Verdi-Gattin Strepponi in der Titelpartie auf), wie dem erschöpfenden Booklet-Artikel der Opera-Rara-Aufnahme des Werkes mit Nelly Miricioiu zu entnehmen ist; in den großen europäischen Metropolen ist die Oper nicht gespielt worden, in deren Rezeptionsgeschichte erst 1974 wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde, als Opera Rara in London ein Konzert auf die Beine stellte, dem Aufführungen etwa in Venedig, Paris, Wiesbaden und Dresden folgten.

Aris Argiris

Mit der Cavatina des Corrado stellte sich das neue Ensemblemitglied Aris Argiris vor, dem zwar noch nicht besonders viele Ausdrucksnuancen zur Verfügung stehen und der sich geschicktere Stellen fürs Atemholen hätte überlegen können, dessen lyrischer Bariton aber über eine exzellente, sehr leicht ansprechende, ja fast tenorale Höhe verfügt und auch genügend Flexibilität für verziertere Passagen, mezza-voce-Effekte und wunderbare Piani selbst in exponierter Lage aufweist - wenn der junge Grieche sich die nötige Zeit lässt, könnte er in dieses Fach hineinwachsen und sicher einigen Erfolg in ihm haben. Leider hatte Mark Adler aus gesundheitlichen Gründen seine Mitwirkung absagen müssen; Chortenor Georg Hansen hatte sich bereit erklärt, ihn im Duett Corrado - Enrico zu vertreten, wofür ihm Dank gebührt, während über seine Leistung der gnädige Mantel des Schweigens gehüllt werden muss und man froh war, dass die Arie des Enrico aus dem zweiten Akt nicht zur Aufführung kam.

Gabriella Morigi

Für die Titelpartie hatte man Gabriella Morigi gewinnen können, die am MiR bereits mehrfach in Belcantopartien, aber auch als Abigaille und Amalia in Verdis Masnadieri zu erleben war. Im ruhigen Teil der Cavatina der Maria aus dem ersten Akt klang die Stimme am ausgeglichensten, besonders im mezza voce, im Piano und in der durchaus farbigen Mittellage, während der doch recht kleine, mitunter auch drahtige, in der Tiefe reichlich fahle und strenge, ansonsten aber viele interessante Farben besitzende Sopran im Forte nicht unerheblich scharf wird, sich Nebengeräusche einstellen und mitunter reines Metall zu hören ist und ich mich nur schwer an das merkwürdige Anbohren hoher Töne und die damit nicht selten unpräzise Attacke gewöhnen kann. Immerhin, die Italienerin machte wie stets viel aus dem Text und zwang zum Zuhören, namentlich in den berühmten Finalszenen, was in einer Zeit der "gestylten", wenig Individualität und Charakter bietenden Stimmen doch freut.

Anna Agathonos

Der zweite Teil des Abends war einer weiteren Rarität gewidmet: Die einiges spanisches Kolorit aufweisende Maria Padilla kam 1841 an der Mailänder Scala als sechsundsechzigste Oper des Komponisten aus Bergamo zur Aufführung. Im Zentrum der Handlung stehen zwei Schwestern: Die liebenswürdige, introvertierte Ines und die leidenschaftliche, ambitionierte und ruhelose Maria, die glaubt, ihren Liebhaber "Graf Mendez" zu heiraten, aber in Wirklichkeit nur die Geliebte des Königs von Kastilien wird, Pedro des Grausamen. Anna Agathonos hinterließ mit dem Rezitativ und der Arie der Ines einen glänzenden Eindruck: Ihr frischer Mezzosopran ist hervorragend durchgebildet und kennt keine unschönen Registerbrüche, der herrlich strömenden Stimme mangelt es auch in der Tiefe nicht am nötigen Volumen; nur in der Extremhöhe verliert sie an Flexibilität und Intonationssicherheit, was die Künstlerin aber durch die Brillanz der Koloraturen und effektvolle Kadenzen wettzumachen versteht.

Jee-Hyun Kim

Die Überraschung des Abends war für mich aber Jee-Hyun Kim, dessen brachiales, eindimensional lautes Singen ich ebenso mehrfach kritisiert habe wie das wirklich merkwürdige, mitunter leicht heisere Timbre. Als Don Pedro bemühte er sich indes erfolgreich um Nuancen und kontrollierten Pianogesang, ohne dass man auf kraftvoll-energische Töne und bemerkenswerte Acuti hätte verzichten müssen, und besonders in der Bariton-Arie des dritten Aktes freute man sich über manch geschmackvolles Portamento und die enorme Präsenz des Koreaners.

Wermutstropfen des Abends war leider erneut die Neue Philharmonie Westfalen, deren Spiel unter der Leitung von Bernhard Stengel vor allem im ersten Teil doch sehr deutsch, behäbig und "buchstabiert" klang und das erst nach und nach ein bisschen lockerer und flexibler wurde, insgesamt aber einfach mehr Tempo und Drive hätte haben müssen und damit auch mehr Impulse und mehr Unterstützung für die Solisten geliefert hätte. Das vielbeschäftigte Orchester hätte vermutlich einfach mehr Proben benötigt - ein Luxus, den man sich in Gelsenkirchen einfach nicht leisten kann. Immerhin wurde den Sängern das Leben nicht unnötig schwer gemacht, was ja auch nicht selbstverständlich ist.


FAZIT

Zwar war die fünfte Belcanto-Gala nicht ganz so gut besucht wie andere Veranstaltungen des Hauses, aber diejenigen, die gekommen waren, bedachten die Künstlerinnen und Künstlerin mit langanhaltendem, verdienten Applaus. Am 28. März 2004 werden in ähnlichem Rahmen unter dem Titel Tenor hinter Gittern Ausschnitte aus Verdis I due Foscari und Il corsaro zur Aufführung kommen, und auch auf die für Juni 2004 angekündigte Deutsche Erstaufführung von Donizettis wunderbarer Rosmonda d'Inghilterra darf man sich bereits freuen - Respekt vor dem Mut der Gelsenkirchener Verantwortlichen, der sich wohltuend abhebt von der Konzeptlosigkeit und Einfallslosigkeit ihrer Kollegen an manch größerem Haus der Region! Dass die bekannteste Maria - natürlich ist die Rede von Maria Stuarda - in diesem Konzert ausgespart wurde, nährt beim Rezensenten die Hoffnung, dass das MiR vielleicht doch über eine szenische Aufführung dieses bemerkenswertes Werkes, vielleicht gar der gesamten Tudor-Trilogie, nachdenkt ...


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Stengel

Moderation
Peter Theiler




Neue Philharmonie Westfalen


Solisten

Gabriella Morigi, Sopran
Anna Agathanos, Mezzosopran
Georg Hansen, Tenor
Aris Argiris, Bariton
Jee-Hyun Kim, Bariton





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Da capo al Fine

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