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Musiktheater
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La Cenerentola
ossia La bontà in trionfo

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Jacopo Ferretti
Musik von Gioacchino Rossini


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 18. April 2004
B-Premiere (mit der Alternativbesetzung) am 21. April 2004
im Großen Haus des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen


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Musiktheater im Revier
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Angelina im Toy-Land

Von Gerhard Menzel / Fotos von Rudolf Majer-Finkes


Clowns wollen Theater spielen. Sie ziehen eine Spielzeugschachtel heran und erwecken die Spielzeugfiguren zum Leben. Sie sind Publikum und Mitspieler. Ein Zauberer (Alidoro) steuert eine bunte, aberwitzig klamottige Liebesgeschichte, deren Ende allerdings offen bleibt.

Vergrößerung in neuem Fenster Stehend: Mark Adler (Don Ramiro) und
Joachim Gabriel Maaß (Don Magnifico)
Sitzend: Monique Simon (Tisbe), Nyle P. Wolfe (Dandini)
und Elise Kaufman (Clorinda).

Auf der kargen Bühne von Rainer Sinell, die die Drehbühne als kreisende, blaue Spieltonne mit Treppenumlauf erscheinen lässt, gliedern einige riesige bunte Holzbausteine und Leitern den Raum. Die sehr aufwändigen und phantasievollen Kostüme von Marie-Luise Walek sorgen für grellen Augenschmaus. Die zum Teil integrierten Lichterketten sind als Gag zwar ganz witzig, doch ihr ständiger Einsatz lässt - zusammen mit den roten Herzen in allen Größen und Situationen - bald alles in Kitsch und flachster Klamotte versinken.

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Anna Agathonos (Angelina/Cenerentola),
Mark Adler (Don Ramiro) und die Clowns.

Klangbeispiel Klangbeispiel:
(MP3-Datei)


Der Regisseur Josef Ernst Köpplinger steuert seine Spielzeuge virtuos und einfallsreich und lässt das Karussell des Klamauks so gut wie nie zum Stillstand kommen. Damit traf er anscheinend genau den Geschmack des Publikums, das sich zum Teil schenkelklopfend amüsierte. Dabei handelte es sich hier nicht um eine Festsitzung des Karnevalsvereins - dafür hat man in Gelsenkirchen die falsche Jahreszeit gewählt - noch um einen Zirkus der Clowns, sondern um La Cenerentola von Gioacchino Rossini.

Rossini und sein Librettist Jacopo Ferretti haben den schon damals oft verarbeiteten und vertonten Stoff des Aschenputtels - der in mehreren voneinander abweichenden Versionen überliefert ist - bewusst von allen märchenhaften Elementen befreit, um das Stück zeitnäher, aufgeklärter, mit philosophischen Gehalt angereichert, einfach moderner zu präsentieren.

Vergrößerung in neuem Fenster Anna Agathonos (Angelina/Cenerentola)
Monique Simon (Tisbe),
Elise Kaufman (Clorinda),
Mark Adler (Don Ramiro),
Joachim Gabriel Maaß (Don Magnifico),
und Nyle P. Wolfe (Dandini).

Das Konzept Josef Ernst Köpplingers geht da ganz andere Wege, was ja prinzipiell nichts schlechtes ist (siehe die Neuproduktion von La Cenerentola in Münster). In diesem Fall allerdings beruht das ersonnene Konzept anscheinend auch auf einer gewaltigen Portion Unkenntnis. Diesen Eindruck bekommt man spätestens, wenn man die Äußerungen von Josef Ernst Köpplinger zu dem Stück liest, die unter dem Titel "Alle Figuren sind verstellt", im Programmheft abgedruckt sind (alle folgenden Zitate stammen aus diesem Beitrag).

"Für mich ist Rossini absurdes Musiktheater. Der Text dient meist bewusst nicht der Musik, der Höhepunkt des Absurden ist der Schöngesang. Dieser ereignet sich häufig an Stellen, die den Situationen gar nicht angemessen sind. Wenn zum Beispiel Trauer ausgedrückt werden soll und die Koloraturen eher wie Jubel klingen."

Da Herr Köpplinger ab der nächsten Spielzeit Leiter des Schauspielhauses St. Gallen wird, dürfte seine fehlende Sensibilität auf diesem Gebiet in Zukunft hoffentlich nicht weiter ins Gewicht fallen.

"Der Triumph der Güte ist eigentlich eine Nebengeschichte. Cenerentola verzeiht ja erst, wenn sie eine Position in der Gesellschaft erreicht hat. Ich bin der Meinung, Macht sollte von innen kommen ..."

Da das Werk ganz bewusst den Zusatz "ossia La bontà in trionfo" erhielt und diese bontà auch im Libretto immer wieder erwähnt wird, ist diese Güte neben der allgemein bekannten "Liebesgeschichte" eine zentrale Thematik des Stückes, die allerdings sehr differenziert betrachtet werden muss. Außerdem beweißt Cenerentola nicht - wie von Köpplinger behauptet - erst am Ende "Güte", sondern von Anfang an im Umgang mit allen Personen, die ihr begegnen, sei es der "Bettler", der Diener, der Prinz, die Schwestern oder sogar der Stiefvater.

Es ist immer wieder erschreckend, mit wie viel Unkenntnis und/oder Ignoranz sich manche Regisseure an ihre "Arbeit" machen. Auch als Kind einer "Spaßgesellschaft" ("Im ganzen soll das Stück Spaß machen.") reicht es eben nicht, nur witzige Einfälle am laufenden Band zu produzieren.

Im Anschluss an dieses Gespräch folgt im Programmheft ein Text von Heinrich Heine "Vom Sinn der komischen Oper". Er beginnt mit den Worten: "Divino Maestro, verzeih meinen armen Landsleuten, die deine Tiefe nicht sehen, weil du sie mit Rosen bedeckst, und denen du nicht gedankenschwer und gründlich genug bist, weil du so leicht flatterst, so gottbeflügelt".

Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Monique Simon (Tisbe),
Joachim Gabriel Maaß (Don Magnifico),
Mark Adler (Don Ramiro),
Anna Agathonos (Angelina/Cenerentola)
und Elise Kaufman (Clorinda).

Anna Agathonos in der Titelpartie der Angelina (Cenerentola), konnte allerdings diesen zentralen Aspekt des Stückes in die Inszenierung mit hineinretten und die fortwährende Entwicklung ihres - bereits zu Beginn vorhandenen - Selbstvertrauens nachdrücklich gestalten. Ihr herrlich strömender, durch alle Lagen gleichmäßig geführter warmer Mezzo bedarf niemals der Forcierens und besitzt dazu noch eine eigene, persönliche Farbe. Auch darstellerisch ist sie ungeheuer präsent und offenbart in jeder Geste ihre bontà und charakterlich edle Abstammung. Die Szenen mit ihr sind auch die einzigen, in denen wirklich eine emotionale Spannung zwischen den Figuren entsteht und ein Hauch von dem spürbar wird, was Cenerentola so interessant macht, bzw. machen kann.

Vergrößerung in neuem Fenster Die Clowns und Anke Sieloff (Angelina/Cenerentola).

Ganz anders gestaltet Anke Sieloff die Angelina. Sie ist von Anfang an eine der zum Leben erweckten, aufgedrehten Spielzeuge. Anke Sieloff, die in den letzten Jahren vor allem in den Cole Porter Musicals Crazy for You und Anything goes für furore sorgte, zeigte nun auch als Cenerentola ihre Vielseitigkeit, sowohl in ihrer stimmlichen Flexibilität und Ausdruckskraft, als auch in ihrer Anpassungsfähigkeit an von der Regie her vorgegebene Konzepte.

Schon der beiden Angelinas wegen lohnt sich also der mehrfache Besuch dieser Produktion. Zwar sind nicht alle rasend schnellen Noten- und Textkaskaden - vor allem in den großen Ensembles - lupenrein und makellos, aber ansonsten bewegt sich diese Produktion sängerisch auf einem beachtlichen Niveau.

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Anke Sieloff (Angelina/Cenerentola)
und Juan Carlos Falcon (Don Ramiro).

Als Don Ramiro gefällt Mark Adler durch seine leichte und wendige Tenorstimme, wobei er auf seine Höhe ruhig mehr vertrauen kann, als es in der Premiere der Fall war. Alternativ übernimmt Juan Carlos Falcon die Partie des Prinzen, dessen Stimme vermutlich noch reifen und an Ausstrahlung gewinnen wird. Ebenfalls doppelt besetzt ist die Partie des Dandini, in der Nyle P. Wolfe, der sich im Laufe des Abends steigerte, und Aris Agiris, der sein schönes stimmliches Potential in Gelsenkirchen bereits - u.a. in Glucks Armide - unter Beweis gestellt hat, alternieren.

Feste Größen im Cenerentola-Ensemble sind Nicolai Karnolsky, der dem Alidoro mit kernig-kräftiger Stimme Gewicht verleiht, Joachim Gabriel Maaß, der als Don Magnifico wieder einmal ganz in seinem Element ist, und Elise Kaufman (Clorinda) und Monique Simon (Tisbe) als gänzlich überdrehtes Schwesternpaar.

Vergrößerung in neuem Fenster Das große Finale:
Anna Agathonos (Angelina/Cenerentola) und Ensemble.

Klangbeispiel Klangbeispiel: Anna Agathonos (Angelina/Cenerentola).
(MP3-Datei)


So richtig rund geht es auch im Orchestergraben, wo Cosima Sophia Osthoff mit den Musikern der Neuen Philharmonie Westfalen ein regelrechtes orchestrales Feuerwerk abbrennt. Die zum Teil atemberaubenden Tempi, die Rossinis Vorgaben bis zum Äußersten ausreizten, ließen zuweilen befürchten, das Ganze könnte auseinanderbrechen. Die Konzerntration und die unbedingte Einsatzbereitschaft des ganzen Ensembles - inklusive der völlig aufgedrehten Herren des Chores und Extrachores des Musiktheaters im Revier als berittene Flugpostler - garantierten jedoch ein ungetrübtes Hörerlebnis, bei dem selbst die leisen Töne auch nicht zu kurz kamen.


FAZIT

Musikalisch hat Cosima Sophia Osthoff, die Neue Philharmonie Westfalen und das exzellente Ensemble des MiR viel zu bieten. Szenisch vermittelt alleine Anna Agathonos etwas von Rossinis / Ferrettis Cenerentola. Ansonsten werden vor allem "Schenkelklopfer" diesen albernen Klamauk goutieren.

Interessant waren in dem Zusammenhang einige Kommentare von Jugendlichen, die sich an ihre Kindergartenzeit erinnert fühlten und denen dieser Klamauk weniger gefiel, als einem großer Teil des Publikums. Vielleicht haben Kinder doch noch einen besseren Geschmack und ein differenzierteres Wahrnehmungsvermögen, als so viele (z.B. durch private Fernsehprogramme geprägte) kindische Gemüter unserer derzeitigen "Spaßgesellschaft".

Allen denjenigen (etwas "anspruchsvolleren") Zeitgenossen sei daher wärmstens die - ein Wochenende später herausgekommene - Produktion von La Cenerentola an den Städtischen Bühnen Münster empfohlen, die modern, aktuell, klug durchdacht und handwerklich phantastisch gearbeitet, den Witz und die emotionalen Verstrickungen der Personen hervorragend herausgearbeitet hat.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Cosima Sophia Osthoff

Inszenierung
Josef Ernst Köpplinger

Bühne
Rainer Sinell

Kostüme
Marie-Luise Walek

Choreographie
Ricarda Regina Ludigeit

Chor
Nandor Ronay

Dramaturgie
Johann Casimir Eule



Herren des Chores
und Extrachores des
Musiktheaters im Revier

Neue Philharmonie
Westfalen


Solisten

* Alternativbesetzung

Angelina (Cenerentola)
Anna Agathonos
* Anke Sieloff

Clorinda
Elise Kaufman

Tisbe
Monique Simon

Don Ramiro
Mark Adler
* Juan Carlos Falcon

Dandini
Nyle P. Wolfe
* Aris Agiris

Don Magnifico
Joachim Gabriel Maaß

Alidoro
Nicolai Karnolsky



Die beiden Angelinas:

Anna Agathonos-Portrait
Anna Agathonos


Anke Sieloff-Portrait
Anke Sieloff




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